BABYLON WHORES: Abenteuerliches Medium Musik oder: Die Sonne stirbt im Wesen

Antti Litmanen, Gitarrist der BABYLON WHORES, hat etwas zu sagen. Und das, was er zu sagen hat, unterscheidet sich ziemlich von dem, was Musiker oft sonst so von sich geben. Statt kurzer Standardantworten gab der Finne Einblicke in eine ganz besondere Band mit ganz besonderen Ansichten. Mit dem aktuellen Album "Death Of The West" spucken die Finnen einmal mehr dem Schicksal ins Gesicht, doch hinter der Musik und den Texten steckt mehr, als der gute alte Rock n` Roll Spirit – was genau, wird auf den folgenden Seiten erklärt…

Antti Litmanen, Gitarrist der BABYLON WHORES, hat etwas zu sagen. Und das, was er zu sagen hat, unterscheidet sich ziemlich von dem, was Musiker oft sonst so von sich geben. Statt kurzer Standardantworten gab der Finne Einblicke in eine ganz besondere Band mit ganz besonderen Ansichten. Mit dem aktuellen Album „Death Of The West„ spucken die Finnen einmal mehr dem Schicksal ins Gesicht, doch hinter der Musik und den Texten steckt mehr, als der gute alte Rock n` Roll Spirit – was genau, wird auf den folgenden Seiten erklärt.

Seltsamerweise wird in Interviews mit euch immer viel mehr Wert auf die Texte als auf die Musik gelegt. Egal wo man im Netz Interviews findet, immer nehmen Fragen zu den Texte einen viel größeren Raum ein als die Musik.

Nun, eines der wichtigsten Elemente der BABYLON WHORES sind die Texte. Da ist es ganz natürlich, dass viele Leute darauf abheben. Für uns ist es etwas komplizierter, da wir von einer wechselseitigen Verstärkung von Musik und Text ausgehen: Beides geht Hand in Hand und unterstützt sich gegenseitig. Wir können vorab keine Qualitätskontrolle der Interviewer machen. Also können wir auch nicht bestimmen, was wir gefragt werden. Auf der anderen Seite kann ich verstehen, dass viele sich zunächst auf die Texte stürzen – sie unterscheiden sich schon vom Durchschnitt. Für uns sind sie schon wichtig, aber nicht soo wichtig.

Auch eure Musik ist es wert, kommentiert zu werden.

Vielleicht liegt das große Interesse an unseren Texten ja daran, dass es so viel schlechte Texte gibt… kleiner Scherz.

Ich glaube, ich weiß, was du meinst. Aber zurück zur Musik: Für mich hat die Musik der BABYLON WHORES zwei Gesichter: Man kann sich die CDs anhören und nebenbei eine Party feiern und man kann sich genauso gut auch alleine mit dem Booklet in der Hand mit den Songs beschäftigen. Denn genau dann kann man in die Musik eintauchen und versuchen herauszufinden, um was es geht.

Das ist schön zu hören. Wir verbringen viel Zeit im Studio damit, verschiedene Schichten zu schaffen. Das klappt manchmal, manchmal aber auch nicht. Im allgemeinen passieren eine Menge Dinge im Hintergrund auf subtile Art und Weise. Ich vermute mal, dass es beide Zugänge, die du beschrieben hast, zu unserer Musik gibt. Und so etwas wollten wir auch erreichen, denn genau durch diese Vielseitigkeit übersteht Musik die Zeit. Das ist auch interessant für einen selbst. Es ist immer wieder ein Abenteuer, die eigenen CDs nach Jahren wieder anzuhören. Ich neige dazu, zu vergessen, was ich in der Vergangenheit getan habe. Es ist spannend, sich alte Alben anzuhören, denn manchmal hat man keinen blassen Schimmer mehr davon, was man sich überlegt hatte, als man dieses oder jenes aufgenommen hat.

Das klingt so, als ob ihr im Studio eher spontan arbeitet, als erst alles durchzuplanen.

Das Schlagzeug und die Bassläufe, also quasi Drum n´ Bass, sind am ehesten geplant – wenn man das so überhaupt so sagen kann. Nicht mal unser Schlagzeuger überlegt sich vorher genau, was er spielen wird. Das Element der Improvisation dominiert ziemlich bei uns – zumindest in musikalischer Hinsicht. Die Texte werden vorher ausgearbeitet, da arbeiten wir ganz anders. Es ist immer ein Spagat zwischen Improvisation, Gehenlassen, Chaos und Planung. Sauber zu spielen ist eine Sache, eine bestimmtes Feeling zu vermitteln, eine andere.

BABYLON WHORES CDs klingen für mich immer etwas „altmodisch“ – altmodisch in dem Sinn, dass die Musik atmet und eine Seele hat.

Da sprichst du etwas an, dass uns sehr wichtig ist. Wir sind der Meinung, dass unsere Mentalität, mit der wir an Musik herangehen, eher die Mentalität der 70er Jahre ist – auch wenn wir moderne Technik benutzen, um unsere Songs aufzunehmen. Doch hier haben wir ein klassisches Beispiel für ein zweischneidiges Schwert: Spontanität und wilde Experimente sind eine gute Sache. Doch man muss aufpassen, dass diese Form der Arbeit nicht im Chaos endet. Manchmal arbeitet man zu unkontrolliert und verschwendet eine Menge Zeit damit, nutzlosen Dreck aufzunehmen. Man muss sich trotz aller Improvisation immer auch auf das Wesentliche konzentrieren. Wenn man diese Konzentration erreicht hat, kann nicht viel falsch laufen. Für Musiker sollte nicht wichtig sein, wer was wann wie eingespielt hat, sondern sie sollten als Medium wirken – das ist meine Einstellung.

Ein Medium vermittelt – was wollte ihr mit eurer Musik dem Hörer vermitteln?

Wir haben uns irgendwann mal darüber unterhalten, ob wie eine Botschaft an den Hörer haben. Es kam dabei raus, dass wir uns als Underdogs sehen. Mit der Zeit hat sich diese Einstellung aber geändert, wir fühlen uns mittlerweile als Band ohne Message. Es gibt immer Anfangspunkte und Ideen, die uns inspirieren, aber die spielen für den Hörer keine große Rolle. Wir geben ein paar Denkanstöße – was der einzelne dann daraus macht, ist seine Sache. Deshalb möchten wir auch nicht zu viel erklären, jeder in der Band hat seine eigenen Visionen zu Ikes (Vil, Sänger) Texten. Er schreibt die Texte und wir, also die anderen Bandmitglieder, machen uns unsere eigenen Gedanken dazu. So sollte es auch für die Hörer sein. In allem, was mit Musik zu tun hat, sollte ein Gefühl von Abenteuer stecken.

Für mich steckt in eurer Musik neben all der Wärme auch eine gute Portion Rebellion. Ich denke, dass man BABYLON WHORES in dieser Beziehung sehr gut mit THE BLACK LEAGUE vergleichen kann.

Es gibt natürlich Unterschiede zwischen beiden Bands, aber wir kommen sehr gut miteinander aus. Vielleicht weil wir eine ähnliche Meinung darüber haben, was der Musik heutzutage fehlt. Bei dieser Frage schütteln wir die Hände. THE BLACK LEAGUE sind eine großartige Band, die leider vollkommen unterschätzt wird.

Endlich sieht das mal jemand genauso wie ich..

THE BLACK LEAGUE machen Musik, die man erst verstehen muss, bevor man sie genießen kann. Man kann sich ihre Songs nicht einfach nur anhören, man muss sich schon ein bisschen anstrengen, um sie zu begreifen. Ich habe aufrichtiges Mitleid mit Menschen, die nicht bereit sind, diese Anstrengung zu unternehmen. Die Welt ist voll Popmusik, die sofort zugänglich ist. Das ist ok, wenn du einfach nur eine gute Zeit haben willst und mit deinen Kumpels ein paar Bier trinken möchtest. Aber auf Dauer…

Das zweite THE BLACK LEGUE Album ist nicht einfach. Dennoch, oder besser gesagt, gerade deshalb ist „To Suffer And To Smile“ einer der besten Heavy Metal Songs, der in den letzten zehn Jahren geschrieben worden ist – das haben aber nicht viele Leute bemerkt.

Der Song ist unglaublich gut, da gebe ich dir vollkommen recht. Aber auch die Songs der BABYLON WHORES sind lange nicht so bekannt, wie sie es meiner Meinung nach sein sollten.

Nun, wir von BABYLON WHORES sind gleichzeitig nihilistisch und elitär, was die Reaktionen auf unsere Musik angeht. Wenn wir nicht verstanden werden oder nicht verstanden werden wollen, ist das für uns in Ordnung. Kein Mensch muss unsere Musik hören. Wem sie nicht gefällt, soll sich halt was anderes kaufen. Wir leiden schon so lange Hunger, wir erwarten ganz bestimmt keine hohen Verkaufszahlen, haha.

Eigentlich brauchen alle BABYLON WHORES Alben Zeit, um erschlossen werden zu können. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass „Death Of The West„ noch sperriger und somit auch komplizierter ist als der Vorgänger „King Fear.

Das ist zwar völlig klischeehaft, aber eben auch wahr: Wir haben an diesem Album nicht durchgehend gearbeitet, sondern stückchenweise und es erst zum Schluss zusammengesetzt. Beim Endmix im Studio haben wir bemerkt, dass es ein sehr hartes Album werden wird – was nicht in unserer bewussten Absicht lag. Auch die Länge der einzelnen Songs hat unüberrascht – aber es passt. Den Gesamteindruck der gesteigerten Härte haben wir wirklich erst wahrgenommen, als wir alle Songs in einer Reihe gehört haben. Du hast recht, wen du sagst, dass „King Fear„ einfacher zu verstehen war, dass man leichter Zugang zu diesem Album finden kann. „Death Of The West„ ist ein sehr heftiges Album. Vielleicht ein bisschen zu hart, ich weiß es nicht. Mir haben auch sehr viele Leute gesagt, das Album sei langweilig. Aber was soll ich dazu sagen?

Langweilig? Ich würde eher das Gegenteil behaupten – es steckt viel Spannung in diesem Album.

Ja, aber genau diese Spannung kann dir andererseits schnell auf die Nerven gehen.

Darüber hinaus hat das Album das gute, alte Rock n´ Roll Feeling, es wird also auch nicht nicht zu kompliziert.

Haha, wir können uns halt nicht verleugnen. Wir versuchen, das Rock n´Roll-Gespenst im Schrank zu lassen, aber irgendwie entkommt es uns doch immer wieder. Wenn wir auf die Bühne gehen, ist dieses Gefühl noch viel stärker. Und da kann man es auch nicht unterdrücken. Es gehen auch mal Gitarren zu Bruch, wenn die Musik deine Seele packt..

Auf „Death Of The West„ habt ihr wie auch bei den Vorgängeralben mit Gastmusikern gearbeitet: Neben Taneli Jarva waren Maniac, Jasse Hybrid und Paul Cairo von HYBRID CHILDEREN sowie Anna Pienimäki beteiligt. Wie kommt es zu diesen Kooperationen? Ladet ihr ein paar Freunde ein, oder sucht ihr die Gastmusiker bewusst danach aus, wer der beste ist?

Nun, ich glaube, beides spielt eine Rolle. Wir würden aber nie einen Freund an einem Album beteiligen, nur weil er ein Freund ist. All diese Leute haben eine eigene Vision – und genau das ist die Bedingung, die wir an sie stellen.

Es ist immer ganz lustig, wie diese Kooperation entstehen: Auf „King Fear„ war Nick Turner von HAWKWIND zu hören. Ich habe ihn getroffen, eine Tasse Kaffee mit ihm getrunken und ihn gefragt, ob er kurz mit ins Studio will, um sich unsere neuen Songs anzuhören. Er war einverstanden, kam mit, hörte die Songs, fand Gefallen daran – und so kam es dann zu seinem Beitrag auf „King Fear„ . Da wird nicht viel geplant. „Death In Prague“ ist ein Song, der nach Schreien schreit. Wir wussten, dass Maniac nach Helsinki kommen wird – also war nicht mehr als ein Telefonanruf notwendig. Er war sofort einverstanden, und jetzt kann man ihn bei diesem Song schreien hören. Taneli hat einfach diesen Vibe, der uns sehr geholfen hat, den Songs, auf denen er zu hören, den richtigen Dreh zu geben.

Es ist teilweise Freundschaft, teilweise Können – am wichtigsten ist aber, dass derjenige eine Vision hat. Es spielt keine Rolle, ob die Leute bekannt sind, oder nicht.

Mittlerweile sind diese „Featuring VX von Band Z“ Sticker auf CDs ja auch zur reinen Werbemaßnahme verkommen. Ich frage mich oft, was haben diese Musiker denn gemeinsam – außer dem Label oder einem Studiotermin, der sich zeitlich deckt?

Es wäre vollkommen schwachsinnig, wenn wir einen großen Sticker „Featuring Maniac“ auf der CD hätten. Für uns ist es keine große Sache, er war halt da. Er kann das, was wir für diesen Song brauchten, und deshalb ist er dabei.

Ich verabscheue die Art und Weise, wie Musik manchmal angepriesen wird. Dieses ganze Musikbusiness, das Verkaufsargumente aufzählt, die keine sind. Es gibt nur einen Grund, eine Platte zu kaufen: Die Musik. Wenn da noch was darüber hinaus ist, dann sollte das nur da sein, weil es die Musiker für sich selbst wollten – aber das wird den Käufer nicht interessieren und er wird es auch nicht verstehen.

Ihr arbeitet auch gerne mal mit alten Songs, so gibt es auf „King Fear„ eine neue Version von „Sol Niger“, einem Song der auf dem 1998 er Minialbum „Deggael“ veröffentlicht wurde. „Omega Therion“ , vom „Cold heaven“ Album habt ihr für Deggael noch mal aufgenommen Auf „Death Of The West„ gibt es keinen neuen, alten Song.

Wir hatten uns überlegt, „Somniferum“ vom Deggael neu aufzunehmen, aber irgendwann hatten wir 55 Minuten voll und so gab es keinen Grund, den Song auch noch auf das Album zu packen. Wir haben letztendlich sogar bei den ursprünglich geplanten Songs wieder gekürzt, um das Album kompakter und runder zu machen. Wir nehmen nie dieselbe Sache zweimal auf – also gibt es nur einen Grund, einen Song noch mal aufzunehmen: Es fehlte etwas. Ein Song ist immer auch ein Produkt der Zeit, in der er entstanden ist. Außerdem sind die ersten Alben nicht besonders verbreitet und so haben auch die Leute, die nicht mehr an die alten Sachen rankommen, eine Chance wenigstens einen Track davon zu hören. Und nachdem wir einen guten Song nicht einfach verschwinden lassen können, nehmen wir ihn halt noch mal auf.

Die Neuaufnahmen haben auch den Reiz, zu zeigen, wie ein alten Song in einem neuen Kontext wirkt – „Sol Niger“ passt perfekt in das „King Fear„ Album. Siehst du selbst an den Songs, dass ihr als Band reifer geworden seid?

Auf gewisse Art, ja. Haha. Zumindest hoffe ich das. Aber darüber habe ich mir noch gar nicht so viele Gedanken gemacht…

Soweit ich weiß, ist keiner der BABYLON WHORES Musiker in einer anderen Band aktiv – abgesehen davon, dass du und Ike Texte für andere Bands wie THY SERPENT oder AMORPHIS geschrieben habt.

Komplizierte Frage. Also, ich war von 1996 bis 2001 bei einer Band namens MANA MANA, so einer Art Kultband in Finnland. Die Band ist aber viel älter. Im Moment gibt es keine Sideproject. Für mich.

Was die Texte angeht, so werden Ike und ich oft gefragt, ob wir nicht Texte für andere Bands schreiben wollen, was für mich nicht immer so einfach ist. Es muss passen, ich kann nicht auf Knopfdruck schreiben – zumal ich mittlerweile wohl auch einen zu hohen Anspruch an mich selbst habe. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht besser werden kann. Die Texte für das THY SERPENT Album „Forest Of Witchery“ zum Beispiel sind in Ordnung – aber auch nicht mehr. Sie sind vier, fünf Jahre alt. Man braucht Zeit, um gute Texte zu schreiben – und Zeit habe ich im Moment sehr wenig. Vielleicht werde ich eines Tages wieder welche schreiben. Zettel liegen genug in meinem Zimmer, auf vielen steht auch schon etwas. Wenn die Zeit reif ist, dann werde ich vielleicht auch wieder für andere Bands texten. Wer weiß…

Du hast vorhin von der Wechselwirkung von Text und Musik gesprochen – wie ist es denn, einen Text zu einem Song zu schreiben, den man nicht selbst geschrieben hat?

Bei AMORPHIS hatte ich gar nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Eines Morgens hatte mich einer der Jungs angerufen und sich mit mir am Bahnhof verabredet. Er fragte mich dann, ob ich ihm mit einem Text aushelfen könne – ich gab ihm einen Zettel und fragte ihn, ob das ok sei.. Er sagte ja und so kam der Text zu „Summer’s End“ auf das Tuonela Album.

Was du zu „Summer´s End“ gesagt hast, überrascht mich jetzt. Dieser Song spiegelt perfekt meine Stimmung wieder, wenn der Sommer sich langsam dem Ende zuneigt. So wie im Moment – und das gilt für die Musik genauso wie für den Text.

Ja, genau das soll der Song auch ausdrücken. Samhain ist die wörtliche Übersetzung von „Summer´ s End“. Der Song soll diese Stimmung ausdrücken, während der Text eher in die mythologische Richtung geht. Es ist genau diese Jahreszeit, die im Moment durchschlägt – die Tage sind noch warm, aber in den Nächten wird es schon richtig kalt und man sieht, wenn man genau hinsieht, die ersten Zeichen des Verfalls. Das ist die Jahreszeit, in der ich zum Leben erwache. Es ist noch alles in Ordnung, aber man fühlt, dass es Zeit ist zu gehen…

MANA MANA haben finnische Texte, wäre es nicht interessant auch mal einen finnischsprachigen Song aufzunehmen?

Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Ich weiß jetzt auch nicht, wie Ike dazu steht. Für mich ist es kein Ziel, natürlich liebe ich die finnische Literatur und Kultur. Unsere Musik hat aber auch diesen dekadenten Touch, wie man ihn von TSOL oder den früher CHRISTIAN DEATH kennt – das sind amerikanische Einflüsse.

Ich weiß nicht, ob finnische Texte für uns in Frage kommen. Vielleicht für etwas experimentelles, aber im allgemeinen sind die Themen, die wir behandeln universell. Ich bin mir nicht sicher, ob man sie mit einer spezifischen Sprache so ausdrücken kann.

Vielleicht kennst du AJATARRA? Die Texte sind auf Finnisch in der Metrik der Kalevala, bei dieser Band funktioniert es perfekt, denn die Sprache klingt sehr harsch und kräftig.

Death Of The West„ wurde von Hiili Hiilesmaa produziert, und ehrlich gesagt war ich überrascht. Hier ist er mittlerweile dadurch bekannt, dass er H.I.M.Alben produziert. Ich persönlich finde, dass viele seiner Produktionen recht ähnlich klingen. „Death Of The West„ hingegen ist richtig rau und lebendig.

Death Of The West„ ist die zweite CD, die wir mit Hiili aufgenommen haben. Die MiniCD Trismegistos entstand 1997bei Hiili in einem sehr kleinen Studio in Helsinki, wir mochten ihn schon damals und haben uns deshalb wieder für ihn entschieden. Es gab die Möglichkeit, mit ihm zu arbeiten, er war unsere erste Wahl. Er arbeitet ähnlich wie wir – es interessiert ihn nicht so sehr, ob jemand alles hundertprozentig richtig spielt. Es geht ihm mehr darum, die Stärken einer Band zu betonen. Er macht eben auch diese Hochglanzsachen, bei denen man sich in einem engen Rahmen bewegen muss. Als wir jetzt wieder bei ihm im Studio waren, waren ihn die Hände nicht gebunden, er konnte machen, was er wollte… Wir haben immer sehr relaxt zusammengearbeitet. Er hat eine große Vorstellungskraft, man kann ihm mit Worten sagen, wie etwas klingen soll. Wenn ich will, das ein Song den akustischen Eindruck eines Kerkers mit drei Skeletten erweckt, dann weiß er was ich will, schickt dich einen Kaffee trinken und macht dann genau das, was du erwartest. Er arbeitet sehr visuell, wir sind eine eher abstrakte Band – denn wir arbeiten nicht technisch, sondern eher konzeptionell.

Wie passt das klassische Instrumental „Eveningland“ in das Konzept von „Death Of The West„? Der Song unterscheidet sich sehr von den anderen. Für mich ist es eine Art Chill-Out Song nach den heftigen Rocktracks.

Das ist schön ausgedrückt. „Eveningland“ ist mit dem Albumtitel verbunden, „Death “ – die Sonne stirbt im Westen. Für mich klingt der Song auch nach Sonnenuntergang, ich habe ein bestimmtes Bild in Kopf: In der Natur an einem See sitzen, und von irgendwo her hörst du aus einem alten Radio mit schlechtem Empfang eine klassische Melodie – während dich die Mücken auffressen. Das beschreibt nicht die Bedeutung des Songs, sondern die Vision, die er hervorruft. Aber eigentlich sollte dieser Track das Album abrunden.

Wie wichtig ist für die BABYLON WHORES der visuelle Aspekt der Musik? Zu „Errata Stigmata“, „In Arcadia Ego“ und „Sol Niger“ gibt es Videos – „Errata Stigmata“ kann man sich auf der BW Homepage ansehen.

Wir müssen mit einem sehr kleinen Budget für die Videos auskommen, „In Arcadia Ego“ war eher ein Experiment, wir haben mit Leuten zusammengearbeitet, die alles so gemacht haben, wie wir wollten. Von heute aus gesehen ist es ein Videoclip einer sehr jungen Band, nicht besonders gut auf den Punkt gebracht. „Errata Stigmata“ war ebenfalls eine sehr, sehr billige Angelegenheit. Aber ich mag den Clip, er hat etwas verstörendes. Diesen Clip kann man auch nicht aus einem normalen TV Sender bringen – die Leute dort würden ihn wahrscheinlich mit dem Kommentar, dass sie Kassette kaputt ist, zurückschicken. „Sol Niger“ ist wohl der beste von allen, er war auch etwas aufwändiger.

„Errata Stigmata“ wurde auch für den Filmsoundtrack von „Ricky 6“ verwendet.“

Ja, irgendjemand sollte uns den Film mal schicken! Der Produzent des Films wollte unbedingt diesen Titel haben. Der Film war auch eigentlich schon fertig, als er den Song zum ersten Mal hörte. Wenn ich mich recht erinnere, läuft der Song im Abspann. Da haben eh schon alle das Kino verlassen… Trotzdem schmeichelt es, wenn jemand deinen Song verwenden will.

Kommen wir jetzt endlich mal zu den Texten. Für mich sind sie eine Reise durch verschiedene Mythologien, Religionen, Philosophie, Literatur, Okkultismus – sie sind voller Anspielungen und vermutlich erkenne ich gerade mal 10% davon. Wollt ihr mit den Texten den Hörer herausfordern oder ist es einfach eure Art, sich auszudrücken?

Jetzt muss ich für Ike, der die Texte schreibt, sprechen. Es war nie unsere Absicht, komplizierte Lyrics zu verfassen. In Texten sind natürlich viele Anspielungen, aber mit etwas Vorstellungskraft kann man sich seine eigenen Gedanken machen. Diese Anspielungen sind auch kleine Hilfen: Wenn du zum Beispiel nichts über Montsegur weißt, dann kannst die in die Bibliothek gehen und nachschlagen. Das Verständnis ist eine Frage der Zeit und eine Frage der Bereitschaft, wirklich in die Texte einzutauchen.

Wir leben alle in einem großen kulturellen Kontext. Die Dinge, die in den Texten erwähnt werden, sind wie thematische Beispiele, an denen man Ideen veranschaulichen und ausarbeiten kann.

Das Faszinierende ist eben auch, dass man viele Dinge erst viel später versteht., wenn man die Texte noch mal anschaut.

Nun, wir leben nicht in einem leeren Raum. Es ist ganz logisch, dass man Bilder mit dem malt und illustriert, was man kennt. Und das eigene Wissen erweitert sich eben ständig. Es ist normal für uns, so zu arbeiten. Deshalb haben wir innerhalb der Band auch sehr großes Vertrauen zueinander. Wir können auf Ikes Texte warten – mit der Gewissheit, dass sie gut sein werden.

Wenn ich versuchen müsste, eure Texte zusammenzufassen, dann würde ich ein Hauptthema nennen: Die Figur des Bösen, die in den unterschiedlichsten Gestalten aus den verschiedensten Mythologien und Religionen auftaucht, spielt eine zentrale Rolle, oder?

Wenn es nötig wäre, das Album zusammenzufassen, dann würde ich einfach eine Minute still sein. Ich denke, jede Art von Arbeit, die einen bestimmten Sinn hat, kann nicht mit Worten zusammengefasst werden. Das wiederspricht sich, denn wir wollen nur eine Szenerie entwerfen – wie sie letztendlich ausgemalt wird, ist die Aufgabe des Hörers oder Lesers.

Trotzdem habt ihr für „King Fear„ auf eurer Homepage Erklärungen zum Konzept und zu den Songs angeboten

Ike hat dasselbe auf finnisch für dieses Album gemacht. Diese Erklärungen sind aber auch nur grobe Richtlinien, keine allumfassenden Antworten. Ich weiß noch nicht genau, ob es eine Übersetzungen geben wird.

Solche Erklärungen würden das Verständnis einfacher machen – vielleicht aber auch zu einfach?

Genau, man muss nicht immer alles auf einem Silbertablett servieren. Entweder man interessiert sich dafür oder nicht – ich meine man hat dann noch immer die Musik und das ist doch auch was.

Aber nervt es nicht, wenn man ständig gefragt wird, was diese Texte bedeuten sollen?

Ja, besonders auf unserer Homepage kommen viele solcher Fragen. Es ist wohl auch die natürlich Neugier, die Menschen dazu antreibt, Fragen zu stellen. Man kann auf einer bestimmten Ebene gut damit umgehen – wenn aber jemand schnelle und einfache Antworten haben will, Antworten zum Leben, zum Universum und dem ganzen Rest, dann kann ich ihm auch nicht helfen.

Hat der Albumtitel eigentlich etwas mit dem Buch „The Death Of The West“ von Patrick Buchanan zu tun?

Das ist Zufall – ich habe nur ein paar Reviews über das Buch gelesen. Ich glaube ich bin kein großer Fan von diesem Herren , er scheint einer dieser amerikanischen Heuchler-Christen zu sein. Es ist nicht schön, mit einem texanischen Redneck assoziiert werden, haha.

Im Prinzip geht in dem Albumtitel es im den Niedergang des Westen. In vielen östlichen Philosophien gibt es diese Zyklen von Blüte und Niedergang. Es ist keine Neuigkeit, dass es bergab geht…

Dazu passt ja auch, dass die Texte überwiegend mit Bildern aus alten Mythologien und Religionen arbeiten, mit Themen, die heute wohl immer unwichtiger werden.

Ich habe keinerlei Aversionen gegen das Christentum – man kann vor dem 2000jährigen Interesse daran durchaus Respekt haben. Es ist eine sehr einseitige Sichtweise, Religionen komplett zu verdammen. Ich kann doch nicht vollkommen gegen etwas sein, nur weil es in einer bestimmten Religion verwurzelt ist. Ich habe kein Problem damit, zur Kirche zu gehen – aber ich sehe das alles mit anderen Augen als jemand, der daran glaubt.

Es gibt im in der katholischen Religion sehr viele Dinge, die ich nicht nachvollziehen kann – aber das Konzept des intensiven Leidens, all diese Wunder, die Heiligen, all diese Dings haben aus einer gewissen Distanz gesehen etwas Faszinierendes, das hat schon etwas von einem Trip.

Das fängt eigentlich schon bei den Gebäuden an – alte Kirchen haben durchaus etwas Überwältigendes..

Genau, überwältigend ist das richtige Wort. Auch das Moment der Zeitlosigkeit spielt eine Rolle. Die ideale Europatour für die BABYLON WHORES wäre: Auftritt, drei Tage frei – in dieser Zeit könnten wir uns all diese Dings ansehen, das wäre für uns wichtiger als mit den anderen Bands zu saufen. Aber das wird wohl ein Traum bleiben.

Tja, für mich wäre es ja schon ein Traum, BABYLON WHORES überhaupt in Deutschland zu sehen.

Nun, wir sind ja mittlerweile bei einer großen deutschen Firma (Motor Music), die uns auch unterstützen will. Es ist noch nichts spruchreif, aber ich habe mir extra ein paar Tage von Jahresurlaub aufgespart. Wenn das nicht klappt, dann gehe ich halt nach Tibet und werde Mönch… Wir wollen natürlich runterkommen und live spielen, denn live zu spielen ist etwas anderes als Platten zu verkaufen.

Für mich sind die BABYLON WHORES das, was der Begriff Gothic ursprünglich bedeutete. In einer rational bestimmten Welt behandelt ihr die dunkle, emotionale Seite – eben wie vor 200 Jahren die Gothic Culture als Gegenbewegung zur Aufklärung.

Oh. Danke! Wenn man die alten Götter und die Archetypen ignoriert, dann wirst du sehr überrascht sein, wenn du es mit ihnen zu tun bekommst – du weißt dann nicht., wie du damit umgehen sollst, du kannst auch nicht mit deinen Ängsten umgehen. Der moderne Mensch hat so viel verloren. Es ist doch viel sinnvoller, alles, also die Vergangenheit und die Zukunft zu berücksichtigen. Es gibt Dinge, die ewig währen. Wenn man such bewusst mit solchen Dingen, mit solchen Archetypen befasst, dann wird man sie verstehen und man weiß dann, wie man damit umgehen muss. Wenn du Urängste fühlst, und dir darüber bewusst bist, dass es archetypische Gefühle sind, dann kannst du anders damit umgehen. Man kann mit ihnen leben, oder gegen sie ankämpfen. Selbst wenn man über diese Dinge auf einen sehr oberflächlichen, populär-psychologischen Niveau nachdenkt, kommt man zu dem Schluss, dass wenn die dunkle Seite komplett ignoriert, man irgendwann selbst zu der dunklen Seite wird.

Aber man neigt doch auch dazu, Ängste zu verdrängen, oder?

Ja, aber Ängste sind gut! Alles, was dich erschreckt, ohne dich umzubringen, ist gut für dich. Aber man braucht einen festen Charakter, um damit fertig zu werden. Gothic umfasst aber noch mehr als das: Der Charme eines Glas Absinth oder einer Burgruine. Sogar der dekadente Lebenstil, wie man ihn vor vielen, vielen Jahren in Paris pflegte. Aber all das ist auch Gothic – der Gedanke, dass das Leben letztenendes doch vergeblich sein könnte. Viele Leute mag diese Sichtweise überhaupt nicht ansprechen, aber einige werden vielleicht die Vision eines Dichters haben, der sich in seinem Zimmer einschließt, die alten Götter anruft und mit seinem eigenen Blut Gedichte schreibt. Sehr romantisch, aber mit einem gewissen Charme. Wenigstens ist es nicht geplant und nicht rational…

Und obwohl ich überzeugt davon bin, dass BABYLON WHORES auf eine bestimmte Weise „gothic“ sind, würde ich nie schreiben, dass ihr Gothic Metal macht..

Klar, wir haben ja auch nicht dieses Beauty and the beast Konzept! Gothic wird eben oft in einem ganz anderen Zusammenhang verwendet. Ein anderes Wort ist melancholisch – fast alle Kritiker benutzen das Wort melancholisch um alles zu beschreiben, was wie eine von PARADISE LOST gestohlene Gitarrenmelodie klingt. Das ist so sinnlos – denn melancholisch beschreibt eine Stimmung. Und nicht einen Stil!

Tja, erwischt. Habe ich auch schon gemacht – besonders bei finnischen Bands.

Jaja, und das hängt natürlich mit den Jahreszeiten hier zusammen. Zumindest sagen das alle, die nicht aus Finnland kommen! Ahhrgh…

Aber Musik in Worte zu fassen ist schwer. Man kann sich nur auf halbem Wege entgegenkommen. Ich glaube es war Frank Zappa der gesagt hat, dass

Meinst du das Zitat: Writing about Music is like Dancing about architecture?

Nein – aber das ist auch gut. Er hat aber auch mal Musikbusiness beschrieben: Leute, die keine Songs für Leute, die nicht zuhören können, spielen können, schreiben über Leute, die nicht schreiben können. Sinngemäß.

Ich weigere mich, in der Vergangenheit festzustecken – aber es gibt etwas, das ich an der Vergangenheit mag: genau das, was du ausgeführt hast: Worte hatten eine Bedeutung. Eben wie der Ausdruck „Gothic“. Heutzutage kann man alles so einfach bekommen. Die Ecken sind abgerundet, Wissenschaft boomt – toll! Es gibt keine Bedeutung mehr. Alles wird leer, und man kann Worte für alles verwenden – alles ist verwässert. Es ist wie ein Bier ohne Hopfen! Alles sieht nach viel aus, und man denkt wow! Aber wenn man sich genau damit beschäftigt, merkt man, dass unter der Oberfläche alles hohl ist.

Das ist etwas, das man auch im Musikbusiness beobachten kann: Wenn man als Band einen eigenen Stil hat, dann ist das eher hinderlich im Business. Wenn man dann aber doch Erfolg hat, dann werden viele, viele Kopien dieses Stils gesigned. Und genau davon wird mir schlecht! Aber vielleicht bin ich einfach zu altmodisch.. . Ich bin zwar auch irgendwo Teil dieses Business, aber… Man muss eben schauen, wo man bleibt und das richtige tun. Es darf aber nie so weit kommen, dass man seine Integrität und ein Selbstwertgefühl verliert. Allerdings hatten wir als Band nie solche schlechten Erfahrungen gemacht. Ich glaube auch nicht, dass an uns jemand herantreten würde, und uns Vorschriften machen würde – ich will auch nicht alles kritisieren, vor allem unsere Situation nicht. Ich bin zufrieden damit.

Aber irgendwann muss man sich als Band doch entscheiden: Will ich von der Musik leben – und das geht wohl kaum ohne Kompromisse – oder will weiterhin wirklich nur das machen, was mir gefällt? Die Bands, die beides vereinen können, sind doch eher eine Ausnahme.

CELTIC FROST haben das wohl geschafft. Das Business kann man schon als notwendiges Übel bezeichnen – aber muss es wirklich ein Übel sein, kann es nicht nur notwendig sein? Wir würden gerne mehr verkaufen, um uns einen längeren Aufenthalt im Studio leisten zu können. Das haben wir geschafft, wir konnten unsere Horizonte erweitern. Ich würde mich nicht beschweren, wenn wir ein Streicher Quartett für das nächste Album engagieren können. Aber ich weiß auch, das wir, wenn wir 2000 Alben verkaufen, uns das nicht leisten können. Man hofft eben auf den ein oder anderen Hit – aber man muss gleichzeitig auch cool bleiben und sich nicht in Hirngespinsten und überzogenen Erwartungen verlieren. Und man sollte sehr vorsichtig sein, wenn andere Leute zu wissen glauben, was das beste für einen ist! Es ist eigentlich einfach: Das Business benutzt dich – und du benutzt das Business! Man muss eben den Überblick bewahren.

Gib doch mal bitte einen kleinen Überblick darüber, was in den letzten Tagen in deinem CD-Schacht lag.

MUSE – Origin of Symetry , CANDLEMASS – Nightfall und ein Album mit türkischer Folkloremusik.

Ist dir bei einem Liveauftritt mal etwas besonderes passiert?

Das Besondere bemerkt man nicht, denn wenn etwas Besonderes passiert ist man in Trance! Wenn man sich wirklich in der Musik verliert, dann ist es bemerkenswert. Diese ganzen Geschichten von explodierenden P.A.s und Leuten, die von der Bühne fallen, sind zwar lustig, aber nichts besonderes. All das haben wir auch schon erlebt: Musiker, die den Eingang zur Bühne nicht finden, auch mich hat es schon von der Bühne gefetzt… aber wie gesagt, das ist nichts besonderes.

Gibt es jemanden, den Du gerne mal treffen würdest?

wenn ich jetzt Marilyn Monroe sage, wäre das ziemlich dämlich. Nun… frag mich in fünf Jahren noch mal! Ich denke darüber nach..

Mache ich gerne – ich hoffe aber nicht, dass wir fünf Jahre bis zum nächsten Album warten müssen!

Alle Live-Fotos (c)A-K, 2000; Bandfotos (c)Jouni Viitala, 2002; Bearbeitung: boxhamster

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