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AYIN ALEPH: Die ganz spezielle Liebhaberin des Ästhetizismus

Mit ihrem Debütalbum setzte die in Russland geborene und nun in Frankreich lebende Künstlerin AYIN ALEPH einen bemerkenswerten ersten Schritt ins Metal-Genre. Zu konventioneller Metal-Musik gesellten sich da barocke Elemente und ein unkonventioneller Gesang, der die Geschmacksgeister scheidet. Grund genug, sich mit der Künstlerin zu unterhalten.

Mit ihrem Debütalbum setzte die in Russland geborene und nun in Frankreich lebende Künstlerin AYIN ALEPH einen bemerkenswerten ersten Schritt ins Metal-Genre. Zu konventioneller Metal-Musik gesellten sich da barocke Elemente und ein unkonventioneller Gesang, der die Geschmacksgeister scheidet. Grund genug, sich mit der Künstlerin zu unterhalten.

 

Zuallererst, ist Ayin Aleph dein wirklicher Name? Und, wenn ja, welchen Ursprung hat dieser? Der Name klingt ja nicht gerade russisch, sonder eher orientalisch.

Das sind meine Vornamen, auf die ich aufgrund meiner ägyptischen Herkunft her getauft worden bin.

Und was ist dann dein ganzer Name, also derjenige, der auf deiner Geburtsurkunde steht?

Die Namen, die auf den diversen Dokumenten verzeichnet sind, haben sich mehrmals geändert, weil ich viel herumgezogen bin, verheiratet war und nun wieder geschieden bin. Und da ich meinen Vater nie kennen gelernt habe, hat mich der Ehemann meiner Mutter adoptiert. Somit habe ich nie den Namen meines biologischen Vaters getragen.

Also du bist nicht wirklich russischer Herkunft. War das der Grund, warum du als junge Frau Moskau verlassen hast?

Nein, ich bin nicht russischer Herkunft. Ich bin eine Mischung aus orientalischer und germanischer Herkunft, was aber keine Rolle spielte, warum ich Moskau verlassen habe. Dies geschah durch Zufall, als ich mich in einen Ausländer verliebte.

Besuchst du hin und wieder noch deine alte Heimat?

Ja, aber nicht sehr oft, weil ich einfach zu wenig Zeit habe. Zwei Alben, fünf Videos, Tournee, Kompositionen… Du siehst, ich habe leider nicht sehr viel Zeit.

Was hältst du eigentlich generell von den politischen Zuständen derzeit in Russland?

Ich weiß eigentlich gar nichts darüber, weil ich nicht dort lebe. Und alles, was du darüber in der Zeitung liest oder im Fernsehen siehst, ist niemals die ganze Wahrheit – in alle Ländern. Eine Sache, die ich dir aber sagen kann, ist, dass meine Jugend sehr reichhaltig und interessant war. Ich wurde sehr geliebt und ging in die besten Schulen. Mir fehlte es an gar nichts. Und ich habe nie wieder eine derartige Art von Liebe und diese kulturelle Boheme gefunden – egal in welchem Land ich lebte.

DieDoch kommen wir zur Musik. Du hast die meisten Parts deines Debütalbums selbst geschrieben. Hattest du dieses metallische Resultat schon im Vorfeld geplant oder passierte es mehr durch Zufall, dass Ayin Aleph I zu einem Metal-Album wurde.

Ich habe nie versucht, dass meine Musik ganz spezifisch nach Metal, Rock oder irgendeinen anderen Stil klingt. Als erstes schreibe ich eine Melodie und erst dann fühle ich entweder die Kraft oder die Sanftheit, die sie in ihrem Arrangement haben sollte. Ich habe Metal-Riffs, einzelne Piano-Elemente und ausgedehnte barocke Chor-Arrangements gemacht, die eher an eine Rockoper erinnern. Ich kann mich nicht selbst als puren Metal- oder Rock-Künstler betrachten; ich erkenne einfach eine Musik, die zu bestimmten Momenten einen Metal-Sound braucht und zu anderen Momenten dann eine große Rockoper-Orchestration.

Du hast für deine extravaganten Vocals viel Bewunderung geerntet, aber auch Kritik, dass diese den generell eingängigen Sound am Gedeihen hindern. Setzt du dich mit solcher Kritik auseinander?

Ich nutze meine Stimme nicht bloß im melodiösen oder gesanglichen Sinn. Ich benutze sie viel mehr als dramaturgisches Stilmittel. Ich denke, dass ich alle Gesangslinien und Backing Vocals in einer klassischen Art und Weise singe – teilweise Barock, dann Rock (ohne Vibrato) und manchmal Underground oder Pop. Ich mache auch Death Metal-Vocals. Aber meistens singe ich meine Songs mit einer schrillen Stimme, wenngleich meine Stimme eher alto / mezzo sopran ist. Aber ich kreische auch und stöhne. Kurz gesagt, ich mache alles, was ich kann, um meine Melodien in einer dramatischen Form auszudrücken.

Für mein persönliches Dafürhalten erscheinen mir knapp 80 Minuten von purer AYIN ALEPH-Musik etwas zu lang zu sein. Insbesondere bei experimenteller Musik wie der deinen. Werden die folgenden Alben kürzer und dichter sein?

Es ist besser, mehr von etwas zu haben als zu wenig. Wenn jemand beim ersten Hören nicht das ganze Album durchhören kann, dann macht es mir nichts aus, denn ich habe das Album als ein einziges Stück, als Monolith, gemacht. Ich starte mit dem kürzesten Lied und ende mit Greed, dem monumentalsten und längsten Song. Und dann kommt am Ende das Outro mit Piano, Gesang und dem letzten I Miss You-Song. Ich gab, was ich konnte. Und du hast die Möglichkeit, es nach deinem eigenen musikalischen Appetit zu konsumieren.
Was die zukünftigen Projekte anbelangt, so denke ich, dass du bald mein akustisches Album erhalten solltest, das in den nächsten Monaten erscheinen wird. Und dann würde ich meinem musikalischen Eifer entsprechend gerne etwas Grandioseres als ein simples Song-Album machen. So etwas wie eine Metal-Oper vielleicht.

Gibt es diesbezüglich schon konkrete Pläne oder Kompositionen?

Ich habe schon zu komponieren begonnen, aber das sind noch raue Kompositionen und ich weiß noch nicht, wohin sich das Ganze im Endeffekt entwickeln wird. Deshalb spreche ich auch solange nicht darüber, bis ich nicht mit meiner gesamten Arbeit fertig bin.

Werden die nächsten Album sehr viel anders klingen? Und wird es wieder diese Metal-Affinität geben?

Zum Metal: Natürlich werde ich den Metal wieder einbinden. Schließlich benötige ich ihn nicht zuletzt in den kraftvollsten Momenten meiner Kompositionen. Andererseits hoffe ich auch, dass das nächste Album anders, grandioser und im Stil verfeinert klingen wird als mein erstes Album. In jedem Fall werde ich alles dafür tun.

Wie zuvor erwähnt, ist dein großes Ziel eine Metal-Oper zu schreiben. Was wird der Unterschied zwischen einem normalen Album und diesem Oper-Projekt sein?

Allem voran ist das Schreiben einer Oper nicht mit dem Schreiben eines Song-Albums vergleichbar. Es ist ein unvergleichlich größerer Aufwand an Musikschaffen und Zeit. Aber zur Zeit ist es nur ein großer Wunsch – und wann dieser passiert, das weiß nur Gott.

Was sind eigentlich deine Lieblingsopern?

Händel: Rinaldo, Jules Caesar.
Wagner: Tristan und Isolde, Lohengrin.
Puccini: Tosca.
Mozart: Zauberflöte.
Aber meistens bevorzuge ich Requiems, Messen and Passionen. Und diesbezüglich ziehe ich die Werke von Bach dem Hören von Opern vor. Mein Lieblingswerk von ihm ist die Messe in H-Moll.

Inwieweit haben dich diese Werke inspiriert?

Zum einen gaben mir Opern das Bedürfnis zu singen, als ich früher noch Pianistin war. Zum anderen ist diese Musik so grandios, dass sie mich unter anderem dazu brachte, auch spezifische Kunstformen in der Malerei, Literatur usf. zu lieben. Mit meinen bescheidenen Kapazitäten versuche ich musikalisch meine Bewunderung und meine Liebe für Musik und Kunst wie diese auszudrücken.

Stichwort: Kunst und Inspiration. Wer sind deine Lieblingskünstler in Sachen bildnerischer Kunst, Musik, Literatur und Schauspiel?

Bach für Musik.
Ossep Mandelstamm in Lyrik.
Gabriel Garcia Marquez in Literatur.
Camille Claudel in bildnerischer Kunst.
Peter Greenaway in Schauspiel.

Eine

Wie sieht es mit deinen Live-Präsenzen aus?

Ich kam gerade von der Europa-Tour mit SAMAEL zurück, bei der wir als Opening Act engagiert waren. Und das Stage-Acting war in manchen Punkten demjenigen ähnlich, was ich auch in den fünf Videos gemacht habe. Im Grunde genommen versuchte ich das in der kurzen Zeit, die ich auf der Bühne zur Verfügung hatte, unter den Hut zu bringen.

Einer deiner ersten Schritte bezüglich Kollobaration von verschiedenen Musikstilen war deine Zusammenarbeit mit einem Rap-Label. Was sind die Unterschiede zwischen Rap und Barockmusik verglichen mit Metal und Barockmusik?

Man weiß nur zu gut, dass der Groove von Rap rein gar nichts mit dem Groove von Metal zu tun hat. Selbst wenn man nichts davon versteht, kann man das fühlen. Rapmusik wirkt irgendwie wiederholend. Da gibt es keinen musikalischen Fortschritt und auch keine Melodie. Mit dieser Erkenntnis habe ich eine von Händels Arien mit einem Cembalo-Sound als Background für einen Rap-Song eingesetzt.
In meiner Musik kann man – Metal-Riffs ausgenommen – alle Melodien hören, die polyphon strukturiert sind. Manchmal spielt sogar der Bass die Melodie. Natürlich gibt es auch dort eine musikalische Entwicklung: zum einen wird die Melodie in der ersten Strophe nicht immer so gesungen wie in der zweiten oder dritten. Es ist jedes Mal ein anderer Ausdruck. Zum anderen nähert sich die Melodie an sich ihrem Höhepunkt, der dann im Refrain stattfindet. All das existiert im Rap nicht. Der Unterschied zwischen Rap und Metal ist in etwa dergleiche wie zwischen einem alten Juwel und einem Fahrrad. Und beide sind notwendig im Leben.

Über das Invencis Label, über das dein Album veröffentlicht wurde, gibt es kaum Informationen. War es hart, mit einer derartigen Musik bei einem normalen Label unterzukommen?

Am Anfang unterschrieb ich bei Invencis, weil sie die ersten Produzenten waren, die an mein Projekt geglaubt haben. Und sie fanden dann keine weiteren Lizenz-Möglichkeiten für das erste Album, weshalb sie es dann eben selbst veröffentlichten.

Nachdem du das alles alleine machst – komponieren, schreiben, aufnehmen, managen usw. – vermisst du da nicht etwas die Freizeit?

Ich habe keine Freizeit. Nicht einmal einen Tag. Keine Nacht. Nichts für mich persönlich.

Nicht einmal einen Lazy Sunday Afternoon?

Ich habe auch keine freien Nachmittage. Für mich ist es bereits ein Geschenk, wenn ich ein wenig länger schlafen kann.

Du hast in einem sehr zarten Alter begonnen, Musik zu machen. Würdest du dich als Wunderkind bezeichnen oder war es nur Zufall, dass die Musikschule in Moskau gleich gegenüber deiner Haustür lag.

Beides. Es war einfach Schicksal und total unvorhersehbar.

Du bist eine sehr facettenreiche Frau. Du schreibst Gedichte, du bist Schauspielerin, du komponierst, du singst. Gibt es weitere Talente, die bislang noch nicht publik gemacht wurden?

Ja, nur eines, das aber nie publik gemacht wird: Ich bin eine sehr geliebte Frau und eine spezielle Liebhaberin, wie mir gesagt wurde.

DieMit all diesen Talenten und dieser Selbstdarstellung würde ich fast meinen, du wärst eine Art Diva. Würdest du dich auch selbst als eine solche bezeichnen?

Nein, denn ich mache in meinem Leben nichts weiter als meine Kunst und meine Arbeit. Und ich denke, ich begebe mich auf keine niedrige Stufe, wenn ich die täglichen Arbeiten oder die uninteressanten Dinge des Lebens verrichte, die komplett außerhalb meiner Karriere, Kunst oder meinem Willen liegen. Ich kann sogar sagen, dass ich nicht einmal in meinen Videos all das mache, was ich eigentlich wollte.

Bezugnehmend auf deine Videos. Sind die bemühten Videos für deine Songs eine Art Hilfsmittel, um deine Schauspielambitionen zu verwirklichen?

Nein, überhaupt nicht. Ich drehe diese Videos nur, um das Interesse der Leute zu erlangen, die sich von den Empfindungen und Bildern angesprochen fühlen. Auf diesem Weg kann ich sie besser zu meiner Musik verleiten als wenn sie diese nur ein erstes Mal hören würden.

Wenn man sich die Videos zu Gemüte führt, kann man einige Ähnlichkeiten zu alten Filmen der 20er-Jahren entdecken sowie ein generelles Faible für alte Themen. Was verbindet dich mit den Alten Zeiten?

Der Ästhetizismus.

Abschließend noch eine Frage: Als eine Künstlerin mit multiplen Talenten, gibt es da für dich eine spezielle Muse, die dich mit Kreativität versorgt?

Die Musik von Bach.

 

Bildquellen: L!sten Up Music, Screenshot AYIN ALEPH-Video

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