WORMFOOD: France

WORMFOOD sind so provokativ wie eine dunkelhäutige Drag Queen als Begleitung für den französischen Innenminister Nicolas Sarkozy.

Schon seit einigen Tagen schwirrt mir die eine oder andere Phrase herum, wie ich die Besprechung zu WORMFOODs Labeldebüt France einleiten oder den Musikstil der Band beschreiben könnte. Überraschend hilfreich erweist sich zur Abwechslung hierbei einmal der Promozettel, der von einem Schmelzkessel aus Doom, Thrash, Varieté, Death, Gothic, Punk, Pop, Klassik, Barock, Jazz und schwarzem Humor spricht. Ja, das kann man durchaus so stehen lassen.

Die Band, die sich 2001 in Rouen formierte, lässt ihr internationales Publikum zum Auftakt an einem kleinen Französisch-Kurs teilnehmen, indem ein angewiderter Clochard dem Hörer seine Verärgerung mitteilt. Mit Bum Fight wird der Meckerer mundtot gemacht und ein schleppender Doom-Riff gibt die ersten musikalischen Duftmarken WORMFOODs von sich. Doch bei diesem Genre bleibt es nicht, denn nach zwei Minuten satteln die verrückten Franzosen ihre Punkpferde und galoppieren binnen dreißig Sekunden zur nächsten Station, um sich dort schunkelnd und lallend das Akkordeon umzuschnallen. Manche werden dieses bunte Spiel mit den Stilarten vielleicht als Zerfahrenheit interpretieren, doch andere finden doch eine flüssige Konsistenz in den Übergängen, so dass diese Sinn ergeben und hörenswert sind.

An seltsame Übergänge und Zwischenstücke muss man sich bei France ohnehin gewöhnen. Denn ähnlich einem Theaterstück werden Einzüge und Abgänge inszeniert, die die Trennlinien zwischen den einzelnen Songs markieren. Und wäre mein Französisch nicht derart eingerostet, so blieben mir manche gesprochene Passagen in ihrer Sinnhaftigkeit nicht ganz so fragwürdig.

Musikalisch arbeiten WORMFOOD aber mit einfacheren Methoden, um die Gunst des offenherzigen Hörers für sich zu gewinnen: Mitsingbare Refrains, treibende Rhythmen und Passagen mit echten Nackenbrechern, die das Autofahren stets zu einer gefahrvollen Nebenbetätigung machen. Darüber hinaus ist das Album äußerst kurzweilig. Die einzelnen Songs ziehen wie im Flug vorbei und lassen sich im passiven Hörgenuss ebenso genießen, wie beim aktiven Zuhören. Nur ist bei letzterer Methode der Genuss in Frage zu stellen; denn France hat auch seine unangenehmen Seiten. Songs, die auf den Magen schlagen, Effekte, die ekelerregend sind oder Geräusche, die eine Indizierung rechtfertigen würden. Eine leise Vorahnung davon mag man schon anhand der Trackliste bekommen, die manches unverblümt zur Sprache bringt.

Doch bleiben wir vorerst noch bei der Musik, die – wie eingangs erwähnt – an Vielschichtigkeit einiges zu bieten hat. Und die Franzosen scheinen sich in jeder der Stilarten wohl zu fühlen. Ob sie in wilder Anarchie dem Punk frönen (TEGBM), in romantisch angehauchter Dunkelheit zu Kajal-Stift und Eyeliner greifen (Love At Last) oder genresicher den Tod (des guten Geschmacks) heraufbeschwören (Vieux Pédophile). Dabei verrichten sämtliche Musiker einen hervorragenden Job. Vor allem Sänger Emmanuel El Worm entlockt seiner Stimme immer wieder neue Töne und bringt es zuwege, finster grölend einzuschüchtern, mit klarer Stimme zum Mitsingen zu animieren oder hysterisch kreischend die Band in die Zwangsjacke zu wünschen. Ganz zu schweigen vom animalischen Röcheln oder den Varieté-Einschüben, deren Einsatz eventuell etwas übertrieben scheint.

Schlussendlich sind WORMFOOD so provokativ wie eine dunkelhäutige Drag Queen als Begleitung für den französischen Innenminister Nicolas Sarkozy. Die Franzosen nehmen sich auf France kein Blatt vor den Mund, sprechen Tabuthemen an und verschnüren das Ganze in ein komödiantisches Varieté-Stück, um darin ihrer Tollheit Narrenfreiheit zu gewähren. Und es bedarf auch eines solchen, beinahe rechtsfreien Raums, um die Missstände innerhalb der französischen Gesellschaft mit solch gewagten Mitteln, Themen und Lyrics auszusprechen, wie es WORMFOOD auf France zum Ausdruck bringen. Nicht selten beschreiten die Franzosen einen schmalen Grad zwischen erwünschter Gesellschaftskritik und geschmackloser Provokation. France ist deshalb ein Album, das nicht nur Fragen aufwirft und zu Diskussionen anregt, sondern das auch die Nase rümpfen lässt und mitunter negative Emotionen weckt.

Veröffentlichungstermin: 18.11.2005

Spielzeit: 47:17 Min.

Line-Up:
Emmanuel El Worm – Lead Vocals & Guitars

Romain – Bass & Backing Vocals

Drums – Drums & Backing Vocals

Tim – Keyboards & Orchestration

Fred – Guitars

Produziert von Axel Wursthorn
Label: code666/Aural Music

Homepage: http://www.wormfood.fr

Email-Adresse der Band: wormfood@com02.com

Tracklist:
1. Leçon De Français / French Lesson

2. Bum Fight

3. Ecce Homo

4. TEGBM (Fantaisie Galante Du Grand Siècle)

5. Daguerréotype

6. Miroir De Chair

7. Comptine

8. Vieux Pédophile

9. Dark Mummy Cat

10. Ω = Ø (Death Equal To Nothing)

11. Love At Last

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