blank

VENI DOMINE: Tongues

Wer die letzten Jahre VENI DOMINE aus den Augen verloren hat, der sollte sich "Tongues" nicht entgehen lassen, Fans kriegen alles, was sie sich wünschen könnten.

Die Schweden VENI DOMINE sind die 20 Jahre ihrer Geschichte ganz gewiss nicht nur durch Sonnenstrahlen und blumige Pfade gewandert. Dabei haben sie es sich selbst nicht immer einfach gemacht. Das Debüt Fall Babylon fall mit starkem QUEENSRYCHE-Touch und das folgende, sehr doomige Meisterwerk Material sanctuary wurden ordentlich abgefeiert. Aber je mehr VENI DOMINE abwanderten Richtung Progressiv-Metal und Avantgarde-Sound ohne Rücksicht auf angesagte Klänge, umso mehr Leute hatten ihre Schwierigkeiten, Zugang zum extravaganten Werk der Band aus dem Stockholmer Raum zu finden. Dazu kamen Probleme, Krankheit und Schicksalsschläge im Band- und Privatumfeld, immer wieder wurden ihnen die Füße unter den Beinen weggerissen, wenn es mal einen Schritt vorwärts ging. Mag es an ihrem christlichen Glauben liegen, dass sie immer wieder aufstehen, keine Ahnung… Trotz allem gaben die Köpfe der Band, die Brüder Torbjörn und Thomas Weinesjö und Sänger Fredrik Sjöhlom, nie auf und ziehen auch heute noch ihr eigenes Ding durch, ohne groß nach rechts oder links zu schauen. Beweis dafür ist nun das sechste Album Tongues, das sich wieder mal schwer mit fünf Sätzen abarbeiten lässt das Spiel lieben oder hassen sicher nicht beenden wird…

Der wütende Opener macht dann auch schnell klar, dass man nicht mehr ganz so extravagant und teils etwas ziellos scheinend wie auf den letzten beiden Alben IIII – The album of labour und 23:59 arbeitet, ein dezenter Blick auf die ersten Alben ist schnell erkennbar. October könnte mit seinem harten Prog-Riff auch auf dem technischsten Album Spiritual wasteland stehen. Auch Scream geht etwas in diese Richtung, lässt aber auch alte QUEENSRYCHE-Parallelen erkennen. Diese werden aber richtig deutlich bei der intensiven, zerbrechlichen Ballade Bless my pain, die sehr an Gänsehautnummern wie Anybody listening? oder Someone else? erinnert. Richtig laut gehört ist man schnell dem Heulen nahe. Natürlich bietet sich dieser Vergleich auch wieder durch den Gesang von Fredrik Sjöholm an, der nun mal eine sehr ähnliche Stimme mitbringt wie QUEENSRYCHE-Sänger Geoff Tate, einen ähnlichen Ausdruck hat und eben entsprechend auch den passenden Song dazu bekommt. Da ist der Vergleich unabwendbar, aber da es heute kaum noch Gründe gibt, sich an den U.S.-Theatral-Metallern zu orientieren, kann man hier kaum noch von Clones reden. Sie klingen halt sehr ähnlich, nicht mehr und nicht weniger.

Dazu gibt es reichlich starke Songs, die auch wunderbar auf den letzten beiden Alben hätten stehen können. You leave me cold verlangt, wie die Songs auf 23:59, sehr viele Duchgänge, um es wirklich aufzunehmen. Überraschend gibt es auch mal Riffs, die einfach gerade nach vorn rocken, hoch melodische Momente und eben recht progressive Ausflüge. Und eine Kleinigkeit, die man als Fan viel zu lange vermisst hat: mit The bell of a thousand years schaffen sie es endlich, ihr Versprechen einzuhalten und eine echte Doom-Nummer zu präsentieren, die so auch auf Material sanctuary hätte stehen können. Noch viel tiefer aber geht der Titelsong Tongues. Hier vertonen die Herren ihren Schmerz der letzten Jahre wie noch nie. Eine zähflüssigste Doom-Walze im Stil von meinem Material sanctuary-Fave The mass kriecht ganz langsam das Rückenmark hoch. Nach knapp 9 Minuten endlich eine Minute ein befreiender, wütender Ausbruch, der dann komplett zusammenfällt und erdrückt 5 Minuten mit nur einem schmerzenden, permanent wiederkehrenden, ultrazähen Riff, das einem Angst macht, Frust und Enttäuschung ausdrückt, hierbei von Bibelzitaten in verschiedensten Sprachen unterbrochen wird. Man muss kein Christ sein, um zu erkennen, das auch der Glaubenswerg von VENI DOMINE die letzten Jahre wohl nicht immer ganz einfach war. Fast möchte man sie in den Arm nehmen, weil es einem als Zuhörer echt leid tut…
Hatte man das Glück, diesen Menschen gegenüber zu stehen bzw. stundenlang gemeinsam im Auto über die Straßen zu rollen, dann findet man diese Menschen in all ihren Songs wieder. Eingespielt wurde Tongues im neuen Studio von Bandkopf Torbjörn Weinesjö, der einen ordentlichen, vielleicht etwas zu scharf-kratzigen Sound zusammengebaut hat. Unterstützt wurden sie von befreundeten Bassisten, unter anderem dem sympathischen Andreas Olsson (NARNIA, ROB ROCK).

Das neue Album ist viel stärker, als man es erhofft hätte. Die Stärken der ersten Alben werden integriert in den Sound der letzten Alben, und alles kommt aus einem Guss. Man hat nie den Eindruck, dass VENI DOMINE sich in die Szene zurückkaufen wollen, sie präsentieren nur sich selbst. Das wie gewohnt sehr anspruchsvoll, mit tollen Gitarren, solidem Schlagzeug und dem zweifelhaft immer noch grenzwertigen hohen Gesang von Frederik, der durchaus viel dazu beiträgt, dass die Christenrocker nicht überall auf erfreute Ohren stoßen. Einen VENI DOMINE-Sound ohne diese Stimme hingegen ist wohl undenkbar, wer die Band liebt, der liebt auch diese Vocals. Wer Vocals lieber rau und kriegerisch mag, für den hat Frederiks Stimme wohl eher den Charme eines Zahnarztbesuches.

Wer die letzten Jahre VENI DOMINE aus den Augen verloren hat, der sollte sich Tongues nicht entgehen lassen, Fans kriegen alles, was sie sich wünschen könnten. Wer die Schweden nicht kennt, der sollte mal vorsichtig und mehrmals reinhören. Für mich ganz persönlich ist Tongues aber die Platte des Jahres 2007, weil ich mich in ihr wiederfinde und sie mich begeistert…

Veröffentlichungstermin: 14.09.2007

Spielzeit: 67:30 Min.

Line-Up:
Fredrik Sjöholm – Vocals
Torbjörn Weinesjö – Guitars, Backing Vocaks, Keyboards
Thomas Weinesjö – Drums

Additional Musicians:
Peter Carlsohn – Bass (2,4,9)
Ez Gomér – Bass (1,7)
Andreas Olsson – Bass (5,8,10)
Gary Kuhstoss – Bass (6)
Torbjörn Weinesjö – Bass (3)
Mattias Cederlund – Piano (10)

Produziert von Torbjörn Weinesjö
Label: MCM Music

Homepage: http://www.venidomine.com

Email: venidomine@gmail.com

Tracklist:
1. October
2. Scream
3. The bell of a thousand years
4. The rider on the white horse
5. Two times
6. Bless my pain
7. Stay with me
8. You leave me cold
9. Tree of life
10. Tongues

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner