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THE OCEAN: Aeolian

Als Soundtrack für die dunklen und hoffnungslosen Momente und die Stunden voller Wut unverzichtbar. Und daneben auch sehr hoffnungsspendend.

Wie sieht für euch die Apokalypse aus? Nicht das, was von angepinselten Schwarzheimern zu genüge besungen wird, das was euch runter zieht, viel mehr das was euch den Boden unter den Füßen wegzieht. Eine zerbrochene Beziehung, die Kündigung einer besten Freundschaft oder plötzlich ohne Job dazustehen? Egal, was es bewirkt, am Boden zu sein, die Hoffnung schier zu verlieren, nicht mehr weiter zu wissen, das alles assoziiere ich mit dem neuen Werk der Berliner Ausnahmekünstler THE OCEAN.

Denn Aeolian setzt da an, wo man außer Schmerz nichts mehr fühlt. So tief drinnen, dass man jede einzelne Note spürt, dass jeder Ton einen schindet – um zu reinigen. THE OCEAN begeben sich mit ihrem zweiten vollen Album außerdem auf unbekannte Pfade. Hier herrscht wirkliche Schwärze, pure Wut, unbändige Kraft. So wild, laut und brachial wie dieses Album anmutet, so wenig verwundert es, dass dieser Brocken, stilistisch zwischen BREACH, alten NEUROSIS, CONVERGE und MESHUGGAH und nicht gerade zu den kalorienarmen Snacks gehört. Will heißen, nur zwischendurch hören ist nicht. Und selbst wenn man es wollte, es ginge gar nicht, denn der Eremit, der auf den Namen Aeolian hört zieht einen sowieso in seinen Bann.

Das liegt zum einen natürlich an den enorm durchdachten Songs, die vor Abwechslung geradezu strotzen, ebenso wie an dem massiven Soundgewand, bei dem die Gitarren unbeschreiblich braten. Der Mix und das Mastering haben zur Folge, dass Aeolian den Hörer mittels einer unbändigen Soundwand erdrückt und niederwälzt. Doch ohne gutes Material wäre so eine tödliche Produktion natürlich nicht mal die Hälfte wert. So reduzieren sich THE OCEAN dieses Mal nämlich auf ihr brachiales Material und zeigen sich von einer erschreckend wütenden Seite, so destruktiv wie man es sonst nur von den ganz schnellen, derben Bands her kennt.

Und dennoch liefert das Berliner Kollektiv mehr ab als eine Schlachtplatte in Lichtgeschwindigkeit, ihre Trademarks haben THE OCEAN nämlich glücklicherweise beibehalten. So klingt der Opener The City in the Sea nach Fluxion auf Schubumkehr und auch im weiteren Verlauf des Albums ändert sich das nicht, selbst wenn man die Einflüsse der Band besser raushört als zuvor. Doch THE OCEAN klingen nach wie vor ganz einfach einzigartig und verstehen es ihre vielen verschiedenen Facetten homogen auszuleben. Seien es dissonante Leadgitarren, die über schleppende Drums gelegt werden wie in Une Saison En Enfer, dysrhythmische Riffs, die sich langsam aber sicher den Weg ins Zentralnervensystem bahnen wie in Killing the Flies oder brutale Grindattacken wie in One with the Ocean und dem vollkommen göttlichem Queen of the Food Chain, alles ergibt einen Sinn und ist ein wichtiges Puzzleteil in einem großen Bild.

Trotz dieser Ungemütlichkeit, diesem entfesseltem, misanthropischen Wirbelsturm ist Aeolian viel zugänglicher als sein ebenso eigensinniger Zwillingsbruder Fluxion. Und zwar weil die Berliner Musiker weniger verkopft zu Werke gehen und mehr aus dem Bauch heraus agieren. Ebenso fehlt auf Aeolian die klassische Instrumentierung bis auf bei dem abschließendem Inertia komplett und auch Synthies sucht man über weite Strecken vergebens. Dafür haben sechs teils sehr verschiedene Sänger ihre unverwechselbaren Stempel aufgedrückt, Thomas Hallbom von BREACH und Nate Newton von CONVERGE bringen mächtig Farbe ins Spiel.

Aeolian ist einfach ein extremes Metal-Hardcore-Album, das enorm schwer im Magen liegt, aber auch etwas sehr Reinigendes an sich hat und tausend Mal mehr Niveau hat, als alles das euch bisher den Schädel eingeschlagen hat. Bevor überhaupt die Gefahr bestand in eine Sackgasse zu gelangen schwammen sich THE OCEAN mit einem Album frei, das im extremen Bereich dieses Jahr außer Konkurrenz steht, so ein Werk hätte ich dieser Band auch nach dem starken Fluxion nicht zugetraut. Für die dunklen und hoffnungslosen Momente und die Stunden voller Wut ist dieses Werk als Soundtrack unverzichtbar und bei aller Finsternis irgendwo auch sehr hoffnungsspendend.

Veröffentlichungstermin: 25. November 2005

Line-Up:
Meta – Main Vocals

Robin Staps – Gutiars, Samples, Arrangements

Jonathan Heine – Bass

Torge Ließmann – Drums

Gerd Kornmann – Percussion, Tools

Nico Webers – Electronics, Vocals

Visuals – Nils Lindenhayn

Thomas Hallbom, Nate Newton, Sean Ingram, Ercuement Kasalar, Carsten Albrecht – Additional Vocals

Andreas Hillebrand – Additional Live Guitars

Produziert von THE OCEAN
Label: Metal Blade Records

Homepage: http://www.theoceancollective.com

Tracklist:
1. The City in the Sea

2. Dead Serious & Highly Professional

3. Austerity

4. Killing the Flies

5. Une Saison En Enfer

6. Necrobabes.com

7. One with the Ocean

8. Swoon

9. Queen of the Food-Chain

10. Inertia

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