blank

THE MARS VOLTA: Frances the Mute

Ein megaexperimentelles und doch wunderschönes Album, das stellenweise sogar den hartgesottensten Progressive-Fans Albträume bereiten dürfte.

Ich möchte dir eine kleine Geschichte erzählen. Vielleicht weißt du wie es ist wenn du längere Zeit mit den gleichen Leuten unterwegs bist und einfach mal ein paar Minuten für dich brauchst. So ging es mir auf einer Kurztour und ich war heilfroh als ich eines Nachmittags dann mal ein paar Minuten Auszeit hatte und schnurstracks in den nächsten CD-Laden ging und mal wieder neue Sachen durchhören konnte. Also in die neue THE MARS VOLTA reingehört und sofort geplättet gewesen.

Das bereits im Februar erschienene Album ist nichts für Leute, die mal nebenbei gerne ein nettes Lied hören um es im nächsten Augenblick wieder zu vergessen. Klar, De-Loused in the Comatorium war nicht gerade das, was man zum Autofahren reinwirft, aber Frances the Mute, meine Fresse, das geht wirklich durch Mark und Bein. Experimenteller Rock, zwischen LED ZEPPELIN, PINK FLOYD und RADIOHEAD wird hier geboten mit Songs, die so episch sind wie die Bibel und Riffs und Gitarrenlicks die einschlagen wie eine Bombe und die man doch nicht sofort versteht. Und was THE MARS VOLTA damit ausdrücken wollen? Keine Ahnung. Doch nimm es nicht als ein Werk hin, das es zu analysieren gilt, da beißt du dir die Zähne aus. Hier sind die beiden ehemaligen AT THE DRIVE-IN-Mitglieder Omar A. Rodriguez-Lopez und Cedric Bixler Zavala auf einem knallharten Egotrip, der selbst den hartgesottensten Progressive-Freaks Albträume bereitet, streckenweise totale Reizüberflutung.

Und das obwohl sich teilweise absolut göttliche Songs eingeschlichen haben, wie das wunderschöne The Widow das fast schon radiotauglich sein könnte. Doch auch die anderen Stücke, wie Cygnus…Vismund Cygnus strotzen nur so vor Kraft, herrlichen Melodien, epischen Passagen und wunderbaren Hooklines, man muss sich daran nur gewöhnen. Und das kann sehr lange dauern. Denn so viel wie in diesen Liedern passiert, das ist schwer zu ertragen. Songs, die bis zu mehr als 25 Minuten lang sind, wurden in einzelne Tracks gesplittet. Aber es ist teilweise schwer THE MARS VOLTA zu folgen, da hier und da lange Soundcollagen schwer am Nervenkostüm des Hörers kratzen. Seien es jetzt Soundeffekte, endlose Gitarrensoli und elektronische Spielereien oder Verfremdungen, die an der sehr an Robert Plant erinnernder Stimme von Cedrics vorgenommen wurden.

Daneben steht in diesem lebendigen Album allerdings diese unbändige Spielfreude wie in L´Via L´Viaquez, in dem die Band ihren südamerikanischen Wurzeln mittels genialen Percussion-Einsätzen Tribut zollt und darüber hinaus sich austobt, was das Zeug hält. Düstere, beschwörende Passagen wechseln sich damit ab und bringen den Hörer ins Träumen und ins Schwitzen. Es klingt wie eine obskure Fiesta, quasi From Dusk Til Dawn nur mit seltsamen Fabelwesen statt mit Vampiren. Auch das längste Stück des Albums Miranda that Ghost just isn´t Holy Anymore ist nicht von schlechten Eltern. Es braucht nahezu Ewig bis es sich aufbaut um dann mit Trompeten unterlegt wahre Trauer wiederzugeben, bis es schließlich explodiert. Dabei fällt dann auch auf, das dieses Album als ganzes zu sehen ist und Stellen von vorigen Songs wieder aufgegriffen werden.

Musikalisch ist dieses Album ohnehin der Wahnsinn. Egal ob es auf die Spielereien auf der Gitarre, auf die Basslinien, auf das Drumming, auf den Gesang oder auf die Keyboards und Synthies ankommt, alles ist oberste Klasse. Hierbei beißen sich sogar die begabtesten Musiker der Rockszene die Zähne aus. Dazu kommen noch die vielen anderen eingesetzten Instrumente wie Streicher und Trompeten. Letzere wurden übrigens vom ehemaligen THE MARS VOLTA-Bassisten und RED HOT CHILLI PEPPERS-Ikone Flea eingespielt – und das Erlebnis ist perfekt. Abschließend sei noch die wahnsinnige Produktion, die diese ganze Fülle an Instrumenten sehr gut wiedergibt und das herrlich obskure Artwork, das von der Machart her sehr an Wish You Were Here erinnert, erwähnt. Alles perfekt aufeinander abgestimmt ergibt Frances the Mute.

THE MARS VOLTA ist mit ihrem megaexperimentellem Album der Spagat zwischen künstlerischer Freiheit und eingängigen Passagen bestens gelungen, zumindest für diejenigen, die Geduld und Muße mitbringen, denn man sollte es der Band auf jeden Fall gleichtun. Frances the Mute bietet Futter für viele Stunden voller anspruchsvoller, intelligenter wie schöner und eigenständiger wie einzigartiger Musik. Nein, Frances the Mute ist mehr als Musik. Es ist eine lebendige Vision.

Veröffentlichungstermin: 21. Februar 2005

Spielzeit: 76:56 Min.

Line-Up:
Omar A. Rodriguez-Lopez

Cedric Bixler Zavala

Jon Theodore

Juan Alderte de la Pena

Isaiah Ikay Owens

Marcel Rodriguez-Lopez

Produziert von Omar A. Rodriguez-Lopez
Label: Gold Standard Labs / Universal Records

Homepage: http://www.themarsvolta.com

Tracklist:
Cygnus…Vismund Cygnus

A) Sarcophagi

B) Umbilical Syllables

C) Facilis Descenus Averni

D) Con Safo

The Widow

L´Via L´Viaquez

Miranda that Ghost just isn´t Holy Anymore

A) Vade Mecum

B) Pour Another Icepick

C) Pisacis (Phra-Men-Ma)

D) Con Safo

Cassandra Geminni

A) Tarantism

B) Plant a Nail in the Navel Stream

C) Faminepulse

D) Multiple Spouse Wounds

E) Sarcophagi

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner