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THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE: From The Stairwell

Mehr Noir geht nicht.

Es ist Frühling in der Stadt, die keine Sonne kennt. Es ist genauso grau, vernebelt, verraucht, stickig, wie immer. Trenchcoat und Schlapphut haben noch nie wie frisch gewaschen geduftet, sogar in dem Geschäft, in dem sie gekauft wurden, haben sie schon nach abgestandenem Zigarettenrauch gestunken. Detective Humphrey kümmern solche Kleinigkeiten nicht, schließlich muss er für eine Femme Fatale ermitteln, die sich in einer schwarzweißen Kneipe mit ihm treffen will. Schon als er den Hörer von seinem Wählscheibentelefon abnahm hatte er sie bildlich vor sich: Eine junge, attraktive Wittwe, der ein schwarzer Schleier das Gesicht verdeckt. Nur den Leberfleck am Mundwinkel kann er noch erkennen. Sie erwartet ihn unten, im Treppenschacht der Kneipe, vor einer Kellertür… hinter der seltsame, faszinierende Musiker erklingt.

Nein, mehr Noir geht nicht. In keinster Weise. Die Niederländer THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE, eine Horde hervorragend ausgebildeter, erfahrener und vor allem eigenwilliger Musiker, die schon immer die Grenzen zwischen dem Doomjazz von BOHREN UND DER CLUB OF GORE und Trip Hop wie von PORTISHEAD verschmelzen ließen, zeigen, wie sehr sie wachsen können, dass ihre Reise durch die Nacht noch lange nicht am Ende ist, dass es gerade erst fünf vor zwölf ist, und es noch viele, enorm stimmungsvolle Ecken dieser einmaligen, namenlosen Film Noir-Stadt zu entdecken gibt. Das bedeutet zunächst eine Stunde Gänsehaut, die aber so wundervoll und unheimlich, so sexy und verstörend zugleich ist, dass man von ihr nicht mehr loslassen kann. THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE sind das stilvolle, intelligente, einschmeichelnde Böse, haben es nicht nötig, vordergründig mit plumpen Botschaften Aufsehen zu erregen, sondern machen all das ganz hintergründig und fies.

Das heißt, neben düsteren und atmosphärischen Stücken mit schönsten Melodien und Harmonien wie All Is One, Giallo. Cotard Delusion und Les Etoiles Mutantes gibt es auch schön dynamische Momente auf From The Stairwell, es gibt ebenso schlicht und ergreifend, betörende, verzaubernde Stücke. White Eyes und Celladoor sind wie Zucker, schmeicheln sich ein, haben eine wunderbar gefühlvolle Instrumentation zu bieten, sorgen für ein wohliges Schaudern am ganzen Körper, sind wie ein einziger Rausch, eindeutig die beiden Sternstunden des Albums. Dem gegenüber stehen improvisiert wirkende, ausufernde Momente, die in Cocaine und Past Midnight zu finden sind, die es uns und unserem Humphrey schon etwas schwerer machen. Hier stehen Experimente im Vordergrund, eine klare Linie lässt sich nicht immer erkennen, einige Momente gehen sofort ins Ohr, dann wird es wieder schwieriger nachzuvollziehen. Trotzdem, gerade Cocaine relativiert sich durch die letzte, unglaublich schöne Minute wieder und geht tief unter die Haut. Etwas schwierigere, von purem Schönklang entfernte Momente, gibt es aber in allen Stücken.

Diese sechzig Minuten hervorragend komponierter Musik beeindrucken nachhaltig durch die Wandlungsfähigkeit unter der rauchig-blauen Fassade. THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE haben eine gleichermaßen elektronische, wie jazzige Basis, haben Trip Hop-Beats ebenso wie Jazzrhythmen parat, bestehen aus Synthesizer, Samples, aber auch aus mit Effekten beladenen Bässen und Gitarren, klingen dabei aber größtenteils sehr natürlich. Cello und Violine kommen ebenso zum Einsatz wie die Posaune von Hilary Jeffery oder auch Klarinetten und Trompeten. Kurz: Jedes Stück erhält die Instrumente, die es benötigt, um richtig zu wirken. Und dazwischen erklingt immer wieder die wundervolle Stimme von Charlotte Cegarra, die mal verführt, mal leise um Hilfe fehlt, uns dann aber im richtigen Moment wahlweise den Todeskuss aufdrückt oder das Messer in den Rücken rammt.

From The Stairwell ist deutlich homogener und konzeptioneller ausgefallen als Here Be Dragons und das Debütalbum, und doch hat es unwahrscheinlich eingängige Momente, die auch für sich allein stehen können. Auch trotz der beiden langen, improvisierten Songs hat es herrliche Film Noir-Kompositionen parat, die sich sofort ins Hirn brennen. THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE haben außerdem ein wenig von ihrem Improv-Alter Ego THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION einfließen lassen und schaffen somit genügend Abwechslung, so dass auch nach Wochen noch jeder weitere Durchlauf spannend und ergreifend bleibt. Und eines ist sicher: BOHREN UND DER CLUB OF GORE dürfen sich warm anziehen, mit From The Stairwell ziehen THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE, auch trotz anderer Ausrichtung, mühelos an ihnen vorbei. Ein überwältigend schönes und herrlich gefährliches Album.

Veröffentlichungstermin: 25. März 2011

Spielzeit: 62:40 Min.

Line-Up:
Gideon Kiers – Beats, FX, Programming
Jason Köhnen – Doublebass, Piano
Hilary Jeffery – Trombone
Charlotte Cegarra – Vocals, Piano
Eelco Bosman – Guitar
Nina Hitz – Cello
Sarah Anderson – Violin

Gastmusiker:
Eiríkur Orri Ólafsson – Trumpet
Coen Kaldeway – Saxophone, Bass Clarinet

Produziert von Jason Köhnen und Gideon Kiers
Label: Denovali Records

Homepage: http://www.tkde.net

MySpace: http://www.myspace.com/tkde

Tracklist:
1. All Is One
2. Giallo
3. White Eyes
4. Cocaine
5. Cellardoor
6. Cotard Delusion
7. Les Etoiles Mutantes
8. Past Midnight

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