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THE EYE OF TIME: The Eye Of Time

Eine mehrteilige, epische, meisterhafte Dystopie zwischen Ambient, Trip Hop und IDM.

Das hat etwas von The Road. Die Welt nach dem Ende der Welt, ein Einzelkämpfer, der mit seinem Kind nur überleben will. Ein Funken Hoffnung, solange der Junge noch lebt. Ein klitzekleiner Funken Hoffnung in einer toten Welt. Dieses Prinzip greift Mark Euvrie mit seinem Projekt THE EYE OF TIME auf und erschafft schwärzere Welten, als es jede Sludge oder Black Metal-Band schaffen könnte. Obwohl Euvrie aus der Hardcore und Metal-Szene stammt, gibt es von THE EYE OF TIME elektronische Musik zu hören, die jedoch nicht dilettantisch umgesetzt wurde, sondern viel mehr in akribischer Kleinstarbeit zusammengesetzt und so arrangiert wurde, dass es wie aus einem Guss klingt. Knappe zwei Stunden dauert diese imaginäre Reise durch einen zerstörten Planeten, ein Happy End gibt es nicht. Allerdings auch kein Ende mit Schrecken, stattdessen nur ein Schrecken ohne Ende.

THE EYE OF TIME versammeln auf dieser Doppel-CD ihre bisherigen drei Veröffentlichungen, die Debüt- EP Lily On The Valley von 2005, After Us aus dem Jahr 2006 und das jüngste Release Jail. Zwischen betörender Schönheit, finsterer Melancholie und bitterem Sarkasmus bewegt sich das Material der insgesamt zwanzig Stücke. Homogen und doch enorm abwechslungsreich ist die Musik, die man nicht so recht in Schubladen packen kann, die mal im Trip Hop, dann wieder im IDM wildert. Mit komplexen, teils spastisch wirkenden und rhythmisch stets anspruchsvollen Beats drückt die Musik geradezu aus den Boxen und zermalmt den Hörer unter seiner Schwere. Dass die Synthesizer mit Bedacht ausgewählt wurden zeigt sich schon am Anfang: Jeder Klang scheint für den bestimmten Song geradezu gemacht zu sein. Und auch wenn einige der Stücke auf positive Art etwas unspektakulär erscheinen, zwischen den ruhigen, bedrückenden Momenten gibt es sogar richtige Hits zu hören. Auf After Us, der finsterste Teil dieser beiden CDs ist das I Hate Your Fucking Eyes, das aggressiv-sakrale My Hate Is A Gun, See The Smile On My Face, My Hope Took The Road und das dramatische What Am I Less? What Took The Road, das gegen Ende schier explodiert und sehr kontrastreich bleibt. Dazwischen wird mehr Wert auf Atmosphäre gelegt, dank starker Kompositionen wie After Us, Birds And Lands und Away And Lost, I Cry The Error beschleicht den Hörer niemals ein Gefühl der Ermüdung. After Us ist in der Tat so etwas, wie die Welt nach dem Ende der Welt. Verdunkelt sogar den ersten verdammten Frühlingstag, wenn alle andern lieber ihren Hormonen hinterher laufen.

Ganz so fatalistisch ist das, was auf der zweiten Scheibe zu hören ist, dann doch nicht. Jail ist aggressiver, grooviger, enthält mehr Gitarren, mehr Cello, ein paar leicht versteckte Vocals, die nach Josh Graham von A STORM OF LIGHT oder auch STEVE VON TILL bei NEUROSIS klingen. Jail ist zwar einerseits wütender als After Us, hat aber dennoch überwiegend nachdenkliche Momente. Let´s Party To The Death´s Birthday ist groovt und fordert mit seiner Hammondorgel fast zum Tanz auf. Danach wird es mit Time Has Come und Comfort Design And Graves wieder wie gewohnt trüb, schwarz, was auch immer, nur eben einmal laut und einmal leise. Die Intensität schrauben THE EYE OF TIME im Laufe von Jail nicht mehr weiter hoch, aber das wäre auch schier unmöglich. Es wird danach Trip Hop-lastiger, versinkt dann beim wundervollen The Distance Between You And The Rest im Ambient, wo es in der Verbindung mit Drone auch endet. THE EYE OF TIME haben mit Jail ein starkes, sehr facettenreiches Album parat, das wie ein Spaziergang in einer Dystopie klingt und hervorragend in den Schluss dieser Werkschau überleitet.

Lily On The Valley, eine aus drei Stücken bestehende EP, die The Eye Of Time abschließt, hat geradezu Hitpotenzial. Die dreu Songs sind eingängig, klar strukturiert und mit brillanten Beats ausgestattet. THE EYE OF TIME erleben mit Begin, Wait, Watch, Play, vor allem aber Monsters Usually Wear Uniforms eine weitere Sternstunde. Obwohl eigentlich das gesamte Doppelalbum an sich eine einzige Sternstunde ist. Musikalisch vielseitig, anspruchsvoll, nach zig Durchläufen immer noch spannend, mitreißend, berührend. Komplett, klar, verwoben, niemals überfordernd, sich keine einzige Überlänge zugestehend. Dazu kommt die atemberaubende Aufmachung, in der jedem Stück des Albums ein Artwork zuteil wird, der Einstieg in die verletzliche Gedankenwelt des Marc Euvrie mit all ihrer Kritik, ihrem Weltschmerz, ihrer teilweisen Resignation wird nachvollziehbarer, ohne dabei die persönliche Vorstellungskraft zu beeinträchtigen. Die Optik kommt sicherlich auf LP mit einem dreißigseitigen Artwork im 10-Format besonders gut. Aber auch die CD-Version kann sich mehr als nur sehen lassen. DENOVALI und THE EYE OF TIME haben sich wie es scheint in dieser kargen Welt gesucht und gefunden, und wer Musik von SUBHEIM, BLACKFILM und die anderen elektronisch agieren Künstlern des Labels mag, wird von dieser zweistündigen Reise in das Herz der Finsternis schlicht und ergreifend überwältigt sein. Und zu guter Letzt ist The Eye Of Time auch für diejenigen, die sonst dieser Musik gegenüber skeptisch sind eine Empfehlung wert. Qualität kennt eben keine Genregrenzen.

Veröffentlichungstermin: 24. Februar 2012

Spielzeit: 60:33 + 54:02 Min.

Line-Up:
Marc Euvrie

Label: Denovali Records

Homepage: http://www.denovali.com/theeyeoftime/

Mehr im Netz: http://www.facebook.com/pages/The-eye-of-time/284744803063

Tracklist:

CD1:
After Us:
1. Intro
2. I Hate Your Fucking Eyes
3. Time Is Watching Me
4. My Hate Is A Gun, See The Smile On My Face
5. After Us
6. Don´t Cry Little Child, Don´t Watch Your Future Life, You Won´t Survive It, Don´t Look Down!
7. Birds And Lands
8. My Hope Took The Road
9. What Am I Less? What Took The Road?
10. Away And Lost, I Cry The Error
11. Outro

CD2:
Jail:
1. Let´s Party To The Death´s Birthday!
2. Time Has Come
3. Comfort, Design And Graves
4. Once They Were Happy And Bought The Nothingness
5. The Distance Between You And The Rest
6. 000007091981151723031994
Lily On The Valley:
7. Begin, Wait, Watch, Play
8. Use Your Wings For What They Are
9. Monsters Usually Wear Uniforms

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