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TARJA: The Brightest Void

Ja, es gibt sie, solche Momente: Da wünscht man(n) sich ewig, mal TARJA TURUNEN zu treffen, und wenn es dann soweit ist, steht man da wie ein pubertierender Teenie und kriegt kaum nen Ton raus, so eine feminine Ausstrahlung und Präsenz, die heute mit ihrer Familie in Argentinien lebende Finnin hat nicht nur mit ihrer Musik Eindruck hinterlassen. Ich geb´s ja zu, ok wir reden immerhin noch von NIGHTWISH-Zeiten, Einzelschicksale in Doom… Für etwas andere Verwirrung sorgt sie nun mit ihren Veröffentlichungen. Das neue Album “The Shadow Self”, welches am 5. August erscheint, hat man schon länger auf dem Schirm. Statt einer Vorabsingle oder was man sonst so serviert bekommt, wenn ein neues Album ansteht, haut die Grand Dame und Ur-Mutter des Symphonic/Opera Metal nun mit The Brightened Void als Prequel-CD  heraus. Zu viel Musik sei aufgenommen worden, die TARJA ihren Fans nicht vorenthalten wollte. Entsprechend sollen beide Scheiben ineinander greifen, aber auch für sich selbst stehen, aha! Dazu ein ordentlicher Werberummel, da wird man schon mal neugierig.

So bekommt man mit “No Bitter End” gleich einen knackigen Opener, der eben genau das präsentiert, was man von einer rockenden TARJA erwartet. Moderne Heavy-Riffs paaren sich mit catchy Melodien, die je nach Geschmack klebrig süß und kitschig oder eben typisch Symphonic Metal sind. Aber wenn man die Vorzeigesängerin eines ganzen Genres ist, dann muss man halt auch entsprechend abliefern. Nett, das man für “Your Heaven And Your Hell” mit HANOI ROCKS-Frontmann MICHAEL MONROE eine echte Glam Rock-Ikone von Sofa gelockt hat, der Song kommt für seinen knödeligen, kraftlosen Gesang aber viel zu derb daher. “Eagle Eye” ist ein poppiger Rocksong,  bei dem TARJAs Bruder Toni Turunen mit ans Mikro darf und sich gut präsentiert, aber wohl eher zu einer Boygroup passt als auf ein Rockalbum. Natürlich gibt es besinnlich ruhige bis theatrale Töne, nett, von kitschig-schönen Gänsehautballaden wie “Sleeping Sun”, mit denen NIGHTWISH damals selbst den härtesten Metaller zum Träumen brachten, bleibt das aber Lichtjahre entfernt. Allerdings kommt “An Empty Dream” mit einer interessanten Düsternis, stammt passend vom Soundtrack vom Film Corazón Muerto. Und auch “Witch Hunt” geht in eine ähnliche Richtung.

“Shameless”, solides, treibendes Handwerk, “House Of Wax” reiht sich beim ersten Hören ein in die anderen ruhigen Nummern, zeigt aber eine vertraute, für TARJA aber ganz neue Stimmung. Der Aha-Moment kommt, wenn man ins Kleingedruckte schaut, der Song stammt von SIR PAUL MCCARTNEY´s 2007er Album “Memory Almost Full”. Mir nicht vertraut, aber TARJA gelingt es gut, die typische hintergründige Atmosphäre dieses Ausnahmekünstlers zu spiegeln. Gelungene Coverversionen kann sie also, dagegen wäre die James Bond-Nummer “Goldfinger” so nicht nötig gewesen. Das, womit SHIRLEY BASSEY das Original so groß macht – nicht ohne Grund durfte die Engländerin gleich drei Titelsongs für 007 präsentieren – das kriegt Frau Turunen nicht hin. Es gibt die von ihr gewohnten Tonleitern, eigentlich weiß man schon vorher, was sie wie singen wird. Das macht sie gut und gewohnt professionell, aber mehr auch nicht. Das gilt auch für die musikalische Umsetzung, alles ok, aber ohne irgendeinen Eindruck zu hinterlassen. Zum Abschluss gibt es eine etwas mehr auf TARJA´s Gesang ausgemischte Version von “Paradise (What About Us?)”, das sich auf dem letzten Album “Hydra” von WITHIN TEMPTATION findet. Da es sich hier wohl um die exakt gleiche Fangruppe handelt, hat man den Song wohl schon, darf hier halt TARJA besser heraushören, warum nicht.

So bekommt man fast ein ganzes Album, zumindest in Zeiten, wo viele Megaseller mit ihren Longplayern kaum noch auf eine Dreiviertelstunde Musik kommen. Musikalisch gibt es nichts zu meckern, das Team um TARJA hat gut und professionell abgeliefert, ohne aber auch nur einen Moment zu überraschen. Die auffälligsten Momente sind die Harmonika und das jazzig-soulige Saxofon in “Your Heaven And Your Hell”, der Rest ist gefällige Routine. Ob da nun bei “Eagle Eye” ein Chad Smith (RED HOT CHILI PEPPERS, CHICKENFOOT) an den Drums saß, viel ändert auch das nicht. Die Dame des Hauses, die natürlich auch hier wieder mit für die Produktion verantwortlich ist, bringt genau das, was man von ihr kennt und mag, überrascht eigentlich nur mit neuen Facetten im PAUL MCCARTNEY-Cover. Hier und da hat man das Gefühl, dass diese Songs im Studio nicht erste Priorität hatten, dass die Sängerin nicht immer auf voller Leistung agiert. Man muss auch damit leben, dass man auch auf dem kommenden Album “The Shadow Self” die Albumversion zur hier vertretenen ersten Single “No Bitter End” finden wird. Dafür bekommt man eine sehr geschmackvolle Aufmachung, wer mag kann sich auch Texte und Infos rausfriemeln, schwarze Schrift auf schwarzem Grund macht das nicht einfach, sieht aber schick aus.

Letztendlich hätte man aus “The Brightest Void” auch eine stimmige EP machen können mit den wirklich neuen Songs, hat man aber nicht. Ob die Mischung nun abwechslungsreich ist oder einem eine klare Linie fehlt, das bleibt Geschmackssache. Echten TARJA-Fans dürfte es egal sein, die bekommen das, was sie erwarten, aber auch nicht wirklich mehr. Betrachtet man dies Prequel als Appetizer für den kommenden Longplayer, dann erfüllt er seinen Zweck und macht neugierig auf das, was danach kommt. Es gibt einige Abzüge in der B-Note, womit sich TARJA selbst auferlegt, bei “The Shadow Self” noch einiges drauflegen zu müssen oder zumindest ein paar unerwartete Überraschungen zu bieten. Warten wir´s ab, ist ja nicht mehr lange hin…

Veröffentlichungstermin: 03.06.2016

Spielzeit: 43:47 Min.

Produziert von Tarja, Mic

Label: earMUSIC

Homepage: http://www.tarjaturunen.com

Mehr im Netz: https://www.facebook.com/tarjaofficial

Tracklist:
1. No Bitter End
2. Your Heaven And Your Hell
3. Eagle Eye
4. An Empty Dream
5. Witch Hunt
6. Shameless
7. House of Wax
8. Goldfinger
9. Paradise (What About Us) (Tarja Mix)

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