SYSTEM OF A DOWN: Mezmerize

Begnadet.

Toxicity ist gewiss eines der Alben der Neuzeit, die jetzt schon Legendenstatus innehaben. Kein Zweifel, die zuckersüßen Melodien, die für einen Major-Act beachtliche Härte, die teils recht abgefahrenen Songstrukturen, die oft vorhandene sehr offene Kritik am heutigen Amerika und die verdammte Eigenwilligkeit, das zeichnet sowohl Album als auch die Band aus. Erstaunlich, dass eine derart eigensinnige Gruppierung einen solchen Erfolg einfahren konnte. Oder doch nicht? Ist es alles nur eine Frage des Marketings?

Ich habe kürzlich zum was-weiß-ich-wievielten-Male Mezmerize rotieren lassen und dabei etwas festgestellt – ich hoffe ihr könnt mir folgen. Ich liebe Die Simpsons und bin seit der ersten Staffel Fan, da war ich noch nicht mal zehn Jahre alt. Jetzt, 15 Jahre später, liebe ich sie noch mehr als zuvor, heute ist es für mich nicht mehr nur ein witziger Cartoon mit schrägen Figuren, jetzt ist es versteckte Sozialkritik gepaart mit irrwitzigen Einschüben, die einfach gut tun. Bei SYSTEM OF A DOWN ist es ähnlich, sie sprechen auch die jungen Metal- und Rockfans an, diese hören eine hippe und coole laute Band, die anders ist als LIMP BIZKIT und LINKIN PARK. Ich höre eine Band, die in vielen Bereichen wildert und dabei absolut glaubwürdig ist und ebenso hintergründige Botschaften verwendet. SYSTEM OF A DOWN können machen, was sie wollen und das spielen sie voll aus, genau wie die Schöpfer der Simpsons. Egal ob Thrash Metal, Nu Metal oder moderner Rock, SYSTEM OF A DOWN wissen, was sie spielen und setzen es auch gezielt ein. Es ist also egal, aus welchem Blickwinkel man die Band – oder die Serie – sieht, die Klasse kann man einfach nicht leugnen.

So ist gleich die erste Single B.Y.O.B. ein voller Treffer ins Schwarze. SYSTEM OF A DOWN verbinden hier die typischen eingängigen, treibenden Riffs mit tollem Gesang und einem unterschwelligen Refrain, der einen so schnell nicht verlässt. Doch dann setzen sie Thrash Metal und sogar etwas Grindcore ein. Das ist Wahnsinn, das ist schier unglaublich. Nicht, dass es so etwas überhaupt gibt, sondern dass so etwas bei MTV in Heavy Rotation läuft. Und warum? Weil SYSTEM OF A DOWN sämtliche Generationen ansprechen und eine tolle Alternative zu diversen verbohrten Bands darstellen und man ihnen die Musik blind abnimmt. Doch B.Y.O.B. ist weder das Alpha noch das Omega, Mezmerize besteht aus viel mehr Facetten. Und alle sind typisch SYSTEM OF A DOWN.

Knüppelparts finden sich in erstaunlich vielen Songs, ebenso wie treibende Thrash Metal-Riffs. Und doch bleibt alles nach nur wenigen Durchläufen im Ohr. Gitarrist Daron Malakian ist ein begnadeter Songschreiber, der es schafft, viele Ideen in seinen Stücken unterzubringen und diese nicht überfrachtet wirken zu lassen. Seinen großen Auftritt hat auf Mezmerize aber eindeutig wieder Serj Tankian: Sprechgesang, Brüllen, Piepsen, verdrehter Gesang und schlicht weg tolle normale Vocals bietet er dar, wie ein Chamäleon und wie eine große Diva. Besonders schön wirkt das in Radio / Video, der durch seinen Polka-Teil in Verbindung mit dem VINTERSORGschen Gesangsarrangement nach dem Album Elegy von AMORPHIS klingt. Nicht versuchen zu verstehen oder nachzuvollziehen, sondern anhören!

Ansonsten ist es erstaunlich, dass jeder Song ein absoluter Ohrwurm ist und SYSTEM OF A DOWN weder auf Lückenfüller, noch auf gesichtslose Songs angewiesen sind um ein Album zu füllen. Egal ob Cigaro, Violent Pornography, Sad Statue oder Old School Hollywood, das Quartett aus Kalifornien hat ein verdammt gutes Händchen für originelle, mit einem Augenzwinkern versehene und hintergründige Nummern. Besonders hervorzuheben ist noch das dramatische Lost in Hollywood, das so bittersüß ist, dass es schon fast schmerzt. Irgendwie klingt es nach Californication von den RED HOT CHILLI PEPPERS, nur viel ehrlicher und zynischer. Ein fantastischer Rausschmeißer, der Lust auf mehr macht und mich jetzt schon gespannt auf Hypnotize, den zweiten Teil dieser Albenreihe, gespannt sein lässt.

SYSTEM OF A DOWN zeigen sich auf Mezmerize unbeeindruckt von irgendwelchen Erwartungshaltungen und liefern mal eben so das bisher beste Album ihrer Karriere ab. Die Musiker zeigen sich als kreative, intelligente Einheit, die auf ihr komplettes Umfeld – pardon – scheißt und einfach große Songs schreibt, als wäre es das Einfachste auf der Welt. Natürlich werden viele Leute wieder was zu lästern haben, aber die sind eben nur neidisch. Wer Metal und Rock mag, offen ist und ein großes Herz hat hört die Scheibe eh schon pausenlos. Alles andere ist nebensächlich.

Veröffentlichungstermin: 17. Mai 2005

Spielzeit: 36:11 Min.

Line-Up:
Serj Tankian – Vocals, Keyboards

Daron Malakian – Vocals, Guitars

Shavo Odadjian – Bass

John Dolmayan – Drums

Produziert von Rick Rubin und Daron Malakian
Label: American Recordings

Homepage: http://www.systemofadown.com

Tracklist:
1. Soldier Side – Intro

2. B.Y.O.B.

3. Revenga

4. Cigaro

5. Radio / Video

6. This Cocaine Makes Me Feel Like I´m on this Song

7. Violent Pornography

8. Question!

9. Sad Statue

10. Old School Hollywood

11. Lost in Hollywood

Total
0
Shares
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner