blank

RECYCLE BIN: Incomplete Schizophrenia

Ich wusste gar nicht, dass die Esten so modern sind.

RECYCLE BIN sind aus Estland. Ich kenne, soweit ich weiß keine andere Band aus Estland, weshalb ich schlecht sagen kann, was ich jetzt für Musik aus diesem Land erwartet hätte. Vielleicht eher was finnisches, was melancholisches, leicht düsteres. Lange Rede, kurzer Sinn, meine Erwartungen werden natürlich über den Haufen geworfen. Was RECYCLE BIN da fabrizieren ist eigentlich weniger als Incomplete Schizophrenia, sonder purer Wahnsinn. Bereits der erste Song, nach dem Intro Incomplete macht das klar. Die Songstruktur von Sweet Side Of Heaven ist so chaotisch, die eingesetzten Mittel so vielfältig, alles so auf Vielseitigkeit getuned, dass man augenblicklich den Überblick verliert. Heftige Metalcore-artige Harmonien, brutale Thrashparts und cleane Gesangpartien mit langen Melodiebögen geben sich die Klinke in die Hand. Beim nächsten Song (Neckless) ist dagegen alles völlig anders. Sehr modern, mit Nu Metal Riffs und leicht verzerrtem Gesang, sowie gesprochenen Parts. Fucking Hardcore Software Developer geht dann wieder eher Thrash-lastig nach vorne, wartet mit Stop-and-Go Parts auf und bietet wiederum sehr melodiösen cleanen Gesang.

Im weiteren Verlauf folgen RECYCLE BIN genau diesem Muster, das eigentlich gar kein Muster ist. Nur die Devise, keine Devise zu haben, macht die Musik irgendwie aus. Sonesta ist modern und melodisch, mit Centrex hingegen bekomme ich meine erwartete Portion Melancholie als Instrumental nachgereicht, was in das ebenso düstere Digital Slave mündet. Man glaubt die heftigen Parts schon ausgestorben, man glaubt eine andere Band zu hören, als auf den ersten Stücken, aber das ändern RECYCLE BIN auch wieder, spätestens beim Modern-Tribal-Harcore-Stück Walls, dass die Esten wieder im modernsten Gewand präsentiert.

Incomplete Schizophrenia ist sehr, sehr durchtrieben, unglaublich mannigfaltig, äußerst abwechslungsreich und total unberechenbar. Jede Form von Gesang ist auszumachen, die Gitarren decken von Thrash-Riffs, über Melancholic-Rock-Elemente, Jazz-Einsprengsel und Flamenco-artige Parts alles ab.

Und obwohl mir Incomplete Schizophrenia über größte Strecken nicht zusagt, kann ich nicht anders, als das Album irgendwie interessant zu finden. Für meinen persönlichen Geschmack ist das (in Verbindung mit dem Sound) zu modern und zu experimentell, wie besonders Stücke, wie das eher schlechte Cloned zeigen. Dennoch möchte ich das Ganze gerne als durchaus musikalisch bezeichnet wissen. RECYCLE BIN definieren sich weder durch stumpfe Aggressivität, noch durch krampfhafte Eingängigkeit, sondern bieten einen wilden Cocktail aus zig dutzend Elementen. Und, ja, das klingt genauso alternativ, wie es sich anhört, weshalb mir die Scheibe eher zäh wie Honig die Kehle runterläuft. Leichte Kost ist das definitiv nicht, aber ich wünsche den Jungs trotzdem, dass sie ihre Hörer finden werden, weil sowas einfach nicht jeder macht.

Incomplete Schizophrenia hat mich zwar nicht wirklich vom Hocker gerissen, aber dennoch, auf seine eigene Weise beeindruckt. Den größten Minuspunkt fährt in der Gesamtbetrachtung allerdings der knarzige, verzerrte Sound ein, die Vocals oft mit eingeschlossen.

Ein besonderes Augenmerk sollte man vielleicht auf das Alter der Musiker legen, die alle Baujahr 85-86 sind. Wenn RECYCLE BIN mit seinen Musikern reift (was mehr als logisch klingt) dann kann das durchaus noch was werden.

Veröffentlichungstermin: 2004

Spielzeit: 45:22 Min.

Line-Up:
Hans Luik – Vocals

Jaan Varts – Gitarre

Robert Vaigla – Gitarre

Taavi Vunk – Bass

Jaagup Tormins – Drums

Produziert von RECYCLE BIN, co procuziert von Elmn Värk
Label: Wave Records

Homepage: http://www.recyclebinband.com/

Email: mailto:info@recyclebinband.com

Tracklist:
01. Incomplete

02. Sweet Side Of Heaven

03. Neckless

04. Fucking Hardcore Software Developer

05. Sonesta

06. Centrex

07. Digital Slave

08. Walls

09. Cloned

10. Bath For Brains

11. Myopia

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner