OSI: Blood

Distanzierte Stücke für Fans des Vorgänger-Albums mit zwischendurch allerlei ausschweifenden, Soundtrack-artigen Teilen. Das Stimmungsgemisch aus Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit wird zusammengehalten von Moll-Harmonien, bei denen die eigentlichen Melodien eine untergeordnete Rolle spielen. Die CD ist somit eine der denkbar ungeeignetsten Platten für einen beschwingten Grillabend.

Es ist ein warmer Sommerabend. Die Vögel zwitschern heiter am wolkenlosen Himmel. Jim Matheos steht am Grill und wendet die Bratwürste. Das Radio spielt BEACH BOYS. Kevin Moore kommt lachend aus dem Haus und setzt sich an den Biertisch. Fröhlich schüttet er das Dressing in den Salat und verrührt alles. Gavin Harrison öffnet drei Bierflaschen und die Jungs stoßen gemeinsam an. In diesem Augenblick beugt sich Mikael Åkerfeldt über das Gartentor und fragt, ob er kurz den Rasenmäher ausleihen könnte. Er will eigentlich gleich weiter, lässt sich aber zu einem kleinen Bierchen überreden.

Soweit der krampfhafte Versuch, mich dem dritten OSI-Album dekonstruktivistisch zu nähern. Denn in Wirklichkeit ist Blood natürlich die Spiegelung der Neonreklame in der Pfütze, in die ich heute auf dem Nachhauseweg im Dauerregen getreten bin. Es ist der Leuchtturmwärter, der an seinem letzten Arbeitstag (bevor eine Maschine seinen Job übernimmt) morgens kurz vor Sonnenaufgang wach wird und desillusioniert über den Rand seiner Kaffeetasse in die graue Welt hinausschaut. Es ist der Moment in einer Großstadtuntergrundbahnhaltestelle, wenn die späte Nacht zum frühen Morgen wird.

Einmal mehr haben zwei außergewöhnliche Musiker ihre introvertierte Musikalität kombiniert. Hypnotische Klangschleifen wiederholen sich häufig und erzeugen eine eindringliche Spannung. Nur gelegentlich durchbrechen aggressive Gitarren die wabernde Klangwelt. Diese kargen Riffs sind mittlerweile typisch für Matheos und ungebrochen faszinierend. Das Fehlen von Mike Portnoy lässt die Musik weiter in Richtung Postrock driften. PORCUPINE TREE-Schlagzeuger Gavin Harrison spielt die Grooves organischer und verzichtet gänzlich auf Progspielereien. Kevin Moore singt mit der üblichen Zurückhaltung. Einige Lieder wirken dadurch gewollt gesichtslos. Klar erkennbare menschliche Elemente haben hier nichts verloren. Präzise Riffs und Elektrofragmente deuten maschinelle Routine an, während wabernde Keyboards und flüchtige Klangflächen an leere Straßen nach einem Wolkenbruch erinnern. Passend dazu hat die Band keinen Bassisten an Bord, sondern verziert die tiefen Frequenzen mit zielsicher eingesetzten Keyboardsounds. Bei Stücken wie Be The Hero oder The Escape Artist haben sich jedoch auch eingängige Hooklines versteckt. Hier erkennt man Konturen der Musiker. Es kommt Farbe ins Spiel, auch wenn es sich dabei lediglich um die Varianten hellgrau, dunkelgrau und schwarzgrau handelt.

OSI bemühen sich nicht, neue Wege zu gehen. Das Duo forscht lieber nach der eigenen Essenz. Wenn dann in Stockholm OPETH-Frontmann Mikael Åkerfeldt den Gesang beisteuert, entsteht der Eindruck, dass eine einsame Seele in den Weiten der Komposition ihre Zeilen singt. Die Weite der Musik ist insofern beeindruckend, als dass die Arrangements sparsam, aber doch dicht ausgefallen sind. Man merkt manchen Passagen zwar an, dass sie durch Hin- und Herschicken von Ideen entstanden sind. Aber das geht nie auf Kosten der Schlüssigkeit. Die Beteiligten sind einfach zu routiniert, als dass ihnen in dieser Hinsicht grobe Schnitzer passieren würden.

Insgesamt hat eine Stilverfeinerung stattgefunden. Statt irgendwelcher Überraschungen gibt es distanzierte Stücke, die für Fans des Vorgänger-Albums hörenswert sind. Für die Elektro-Szene gibt es vermutlich immer noch zu viele Rock-Elemente, obwohl zwischendurch allerlei ausschweifende, Soundtrack-artige Teile dem Stimmungsgemisch aus Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit neue Facetten gibt. Zusammengehalten wird das alles von Moll-Harmonien, bei denen die eigentlichen Melodien eine untergeordnete Rolle spielen.

Blood ist somit eine der denkbar ungeeignetsten Platten für einen beschwingten Grillabend.

Veröffentlichungstermin: 24.04.2009

Spielzeit: 47:39 Min.

Line-Up:
Kevin Moore (CHROMA KEY, ex-DREAM THEATER): Gesang, Keyboard
Jim Matheos (FATES WARNING): Gitarre, Keyboard
Gavin Harrison: Schlagzeug
Mikael Åkerfeldt: Gesang bei Stockholm

Produziert von Jim Matheos und Kevin Moore
Label: Inside Out

Homepage: http://www.osiband.com

Tracklist:
1. The Escape Artist
2. Terminal
3. False Start
4. We Come Undone
5. Radiologue
6. Be The Hero
7. Microburst Alert
8. Stockholm
9. Blood

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