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OPETH: Ghost Reveries

Ein überirdisches Wahnsinnswerk.

Lange mussten wir warten. Und je mehr Neuigkeiten durchsickerten, desto gespannter wurden wir. Fakt ist, dass Music For Nation pleite ging, Fakt ist, dass sich danach mit hundertprozentiger Sicherheit die Plattenfirmen um diese Ausnahmeband gerissen haben mussten. Ebenso stagnierten OPETH zuletzt ein wenig, Blackwater Park und Deliverance zeigten eine zwar souveräne Band, die spielfreudig und kreativ zu Werke gehen, aber schlicht und ergreifend in einer Sackgasse steckte.

Dann kam Damnation und das Blatt begann sich zu wenden, selbst wenn mancher abgeschreckt war, weil OPETH es ausschließlich ruhiger angehen ließen. Wie gut Mikael Akerfeldt und seinen Kollegen dieses Album getan haben muss, lässt sich nun zweieinhalb Jahre später erst so richtig erkennen. Denn Ghost Reveries zeigt OPETH wie man sie kennt und liebt: kreativ und raus aus der Sackgasse. Ich weiß noch wie mein Mund offen stand, als ich zum ersten Mal Ghost of Perdition gehört habe. So etwas atmosphärisches und beschwörendes, dass sich sofort im Gedächtnis des Hörers verankerte, gab es schon Ewigkeiten nicht mehr zu hören. Übrigens: Dem Albumtitel entsprechend geht es auf Album Numero 8 überhaupt um Einiges atmosphärischer zu, als zuletzt. Auf gebrochene Geschwindigkeitsrekode verzichten OPETH und konzentrieren sich viel mehr auf Stimmungen.

Und die begeistern den Hörer vom Fleck weg. Sei es bei Ghost of Perdition, das wie eine ruhigere Version von The Leper Affinity wirkt und ohne eine unnötige Sekunde auskommt. Im Gegenteil, durch den beschwörenden, leisen Gesang im Hintergrund, der über die leisen Gitarren gelegt wurde, kommt der danach ausbrechende Sturm derart mächtig rüber, dass man sich hinter dem Ofen verstecken möchte. Die Schlusstakte bedeuten dann nochmal Achterbahn, bevor der nächste Hammer in Form des schier unfassbaren The Baying of the Hounds ansteht. So ein komplexes und facettenreiches Lied hatte ich nicht erwartet, doch nach dem groovigen, mit Hammonorgeln unterlegtem Beginn wird die Klasse des Stücks sofort bewusst. Hier ist einfach alles enthalten, ruhige Passagen, düstere und brutale Stellen und eine epische Ausrichtung. Schön ist auch, dass sich einige verrückte Spielereien seitens der Gitarren versteckt haben. Doch hört selbst.

Weiter geht es mit dem komplett bizarrem Beneath the Mire, das mit zugleich verwirrt als auch begeistert. Doch im Endeffekt werden hier typische OPETH-Zutaten nur ein wenig anders eingebaut und mit atmosphärischen Keyboards und etwas Dissonanz angereichert. Ein toller Songs ist Beneath the Mire allemal, selbst wenn er etwas Eingewöhnungszeit fordert. Nach drei Adrenalinschüben gibt es mit einem von drei ruhigen Stücken eine kleine Verschnaufpause: Atonement wartet auf mit orientalischen Melodien, plätschert etwas vor sich hin und lässt den Hörer träumen. Mit leisem Jazzpiano und Percussions als Unterlegung gibt es jedoch keine OPETH-Standardkost zu hören, sondern eine klare Weiterentwicklung.

Reverie / Harlequin Forest folgt und zeigt OPETH abermals von einer Seite, die wir noch gar nicht so wirklich kennen. Denn hier lassen sie sich Zeit, viel Zeit. Das längste Stück des Albums kommt bittersüß daher, wirkt stellenweise todtraurig, baut sich nur sehr langsam auf und beinhaltet nur wenige einzelne Passagen, die jedoch allesamt ganz großes Kino sind. Vor allem die wunderschöne, zweistimmige Gitarrenmelodie treibt Tränen in die Augen und Mikael Akerfeldts klarer Gesang findet hier seinen Zenith, absolut brillant dieses verhältnismäßig und ungewohnt minimalistische Stück. So richtig erschöpft hat uns Reverie / Harlequin Forest ja nicht, aber dennoch kommt mir Hours of Wealth noch ein herrlich melancholisches Akustikstück in bester Damnation-Manier, das tief geht, aber nicht ganz so mitreißt wie der Rest des Albums. Doch was jetzt kommt, ist nichts als furios.

Vielleicht kennt der ein oder andere schon The Grand Conjuration, ich bin immer noch einfach nur entsetzt wie dieses Lied wirkt. Es zieht alles in seinen Bann, ist fast schon makaber und vor allem eins: Modern. Die abgestoppten Riffs, der verzerrte Bass, der dunkle, minimalistische Gesang, die spärlich im Hintergrund eingesetzten Akustikgitarren und die geschickt eingesetzte Laut-Leise-Dynamik machen diesen Song zu einem der Highlights des eh schon göttlichen Albums. Dieses unberechenbare und dennoch nachvollziehbare Stück bekommt ihr nicht mehr aus dem Kopf, garantiert! Und weil es so schön ist kommen zum Ende hin nochmal ruhige Klänge zum Einsatz: Isolation Years, das kürzeste, ruhigste und schönste Stück der Scheibe entlässt den Hörer hinaus in die wirkliche Welt und macht traurig, dass dieses Album schon wieder vorbei ist.

Aber man wird es eh noch dutzende Male hören, denn auf Ghost Reveries sind OPETH so fesselnd wie seit Jahren nicht mehr. Dieses Album liegt stilistisch zwischen Blackwater Park und Damnation und strotzt vor Kreativität – dem neuen Keyboarder Per Wiberg, sei es gedankt, er bereichert OPETH ungemein und hat hörbar großen Einfluss daran, dass OPETH wieder zu sich selbst gefunden haben. Außerdem taten die veränderten Rahmenbedingungen der Band verdammt gut, so frisch und konsequent klangen sie ewig nicht mehr. Jeder einzelne Ton ein Treffer, jede Nuance ein kleines Kunstwerk.

OPETH sind da wo sie hingehören – am Olymp des Metals. Der endgültigen Eroberung der Metalwelt werden sie mit Ghost Reveries wieder ein kleines Stück näher kommen. Und das vollkommen zurecht. Ein überirdisches Wahnsinnswerk.

Veröffentlichungstermin: 29. August 2005

Spielzeit: 66:48 Min.

Line-Up:
Mikael Akerfeldt – All Vocals, Guitars, additional Mellotron

Peter Lindgren – Guitars

Martin Mendez – Bass Guitars

Martin Lopez – Drums and Percussion

Peter Wiberg – Mellotrons, Organs, Grand & Electric Piano

Produziert von OPETH
Label: Roadrunner Records

Homepage: http://www.opeth.com

Tracklist:
1. Ghost of Perdition

2. The Baying of the Hounds

3. Beneath the Mire

4. Atonement

5. Reverie / Harlequin Forest

6. Hours of Wealth

7. The Grand Conjuration

8. Isolation Years

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