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NEUROSIS: Live At Roadburn 2007

Eine Erinnerungsstütze für alle, die NEUROSIS schon viel zu lange nicht mehr live erlebt haben.

Auch wenn ich sie immer wieder aus dem Fokus verliere, ich bin seit vielen Jahren treuer Fan von NEUROSIS. Bei der Qualität, die sie über die letzten zwanzig Jahre hinweg konstant bieten, fällt das auch nicht schwer. Ihre Livealben habe ich bisher aber konsequent gemieden. Die Studiowerke klingen schon organisch genug, ihre Liveshows sind in ihrer Intensität nicht zu überbieten, da wirkt eine schlichte Aufnahme dessen nur wie Aufgewärmtes. Nun versuche ich mich aber doch in Live At Roadburn 2007 hinein zu versetzten. NEUROSIS spielen die erste Show seit ein paar Jahren auf dem europäischen Festland. Auf dem ROADBURN FESTIVAL 2007, natürlich als Headliner. Wer schon einmal im Popcentrum 013 war, weiß wie ehrfurchtseinflößend diese Lokalität ist und wie sich eine charismatische Band wie NEUROSIS, angeführt von ihren Projektionen, dort macht.

Keiner weiß, was passieren wird, schon gar nicht ich, der bestimmt an diesem Abend in irgendeiner Kneipe abhängt, da ich kein Ticket mehr für das Festival erhalten habe. Die Menge ist also gespannt, während hinter der Bühne fünf Musiker nervös auf und ab tigern. Schließlich wird es im großen Saal des 013 dunkel, die Band betritt unter frenetischem Jubel die Bühne. Was die eintausendfünfhundert Leute im Publikum nicht ahnen: Sie erleben gleich mehrere Weltpremieren von dem Album, das anderthalb Monate später erscheinen, und NEUROSIS auf dem Zenith ihres Schaffens zeigen wird. Given To The Rising leitet das Set ein, lässt den Leuten keine Möglichkeit zu denken. Eine Flut an Musik und Bildern übermannt die Zuschauer, NEUROSIS lassen dem Ego keine Chance zur Entfaltung, es regiert abermals der Wille des Kollektiv.

Stell dir das vor, lass meinetwegen auch die letzte NEUROSIS-Show in deiner Umgebung vor deinem inneren Auge erscheinen, und dieses Livealbum macht Sinn. Wer als unbedarfter Hörer an dieses Album heran geht, der darf sich nicht wundern, wenn er nichts von dem versteht, was hier abgeht. Das bedeutet nicht, dass hier elitärer Mist abgezogen wird, aber wer zunächst nur die Musik sucht und mit ihr ins Berührung kommen will, der sollte sich zunächst mit den Studioalben von NEUROSIS anfreunden. Auch trotz einer Seitlist, die Material von mehreren Alben bietet, was eigentlich ideal wäre, um eine Band zu entdecken. Wenn es bei NEUROSIS auf den Studioalben nicht immer um die Erfahrung eines Ganzen gehen würde.

Live At Roadburn 2007 ist ein Geschenk an die Fans der Band, an diejenigen, die ihr Gedächtnis auffrischen wollen, egal ob sie nun auf dem ROADBURN FESTIVAL, oder auf einem anderen Konzert waren, egal welche Setlist sie gesehen haben. Ich habe die ganze Zeit, den Auftritt in Stockholm vor meinem inneren Auge. NEUROSIS selbst zeigen keine Unsicherheiten auf dem Material, das hauptsächlich aus Songs von Given To The Rising und The Eye Of Every Storm besteht. Das einleitende Titelstück des bisher letzten Studioalbums klingt dank einer verstimmten Gitarren noch nicht optimal, danach wird es aber souverän. Burn, A Season In The Sky und Left To Wander werden kratzig bis anmutig schön dargeboten, eruptiver und brachialier wird es bei At The End Of The Road, Distill und Water Is Not Enough. Von A Sun That Never Sets schleicht sich überraschenderweise Crawl Back In auf die Setlist, das mit seiner Andersartigkeit den konzeptionellen Eindruck etwas trübt. Perfekt endet das Set hingegen mit The Doorway von Times Of Grace, das trotz unsauberem Beginn gegen Ende im Chaos versinkt und ein Loch in die Realität zu reißen droht.

Wie gesagt, von NEUROSIS besitze ich kein anderes Livealbum, aber Live At Roadburn 2007 möchte ich dank der aufkeimenden Erinnerungen nicht missen. Die Band spielt größtenteils sauber, kleine Fehler seien verziehen und erhöhen die Authentizität des Albums. Dazu kommt der sehr gute Gesang von Steve von Till und Scott Kelly, die beide dem Album viel Leben verleihen. Der Sound ist sehr gelungen, der Livecharakter bleibt stets enthalten, Overdubs oder Ähnliches sucht man vergeben, dafür klingt das Album heavy, laut und massiv, wenn auch ohne große Transparenz. Und da es sich um NEUROSIS handelt, und nicht um eine selbstverliebte Metalband, gibt es nur ein schlichtes Artwork, ohne Live- oder Backstage-Bilder, die eh kein Mensch braucht. Vielleicht hätte Live At Roadburn 2007 als DVD veröffentlicht werden sollen, andererseits ist ein Bildschirm eine weitere Trennlinie zwischen NEUROSIS und dem Konsumenten, die nicht im Sinne von Künstler und Fan ist. NEUROSIS haben hier also ein nur für wirkliche Fans essentielles Werk parat, das aber diese auf ganzer Linie überzeugen wird. Zumindest, wenn sie keine alten Songs wie Locust Star oder The Time Of Beasts fordern. Zu hoffen bleibt nur, dass bald der Nachfolger von Given To The Rising ins Haus steht, auch wenn ich das gegenwärtig noch bezweifle.

Veröffentlichungstermin: 24. September 2010

Spielzeit: 77:36 Min.

Line-Up:

Steve Von Till – Guitar, Vocals
Scott Kelly – Guitar, Vocals
Dave Edwardson – Bass
Jason Roeder – Drums
Noah Landis – Synthesizers
Josh Graham – Visuals und Artwork

Label: Neurot Recordings

Homepage: http://www.neurosis.com

MySpace: http://www.myspace.com/officialneurosis

Tracklist:

1. Given To The Rising
2. Burn
3. A Season In The Sky
4. At The End Of The Road
5. Crawl Back In
6. Distill
7. Water Is Not Enough
8. Left To Wander
9. The Doorway

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