KRYPTERIA: Evolution Principle [EP]

Wenn Gitarren nur Kalkül sind, verschwindet Seele – egal wie viel Bombast auf eine EP gepackt wird.

Etwas, woran ich mich im Zusammenhang mit der Fußball WM 2006 sicher noch lange erinnern werde, sind die südkoreanischen Fans. Diese waren während des Gruppenspiels ihrer Mannschaft gegen die Franzosen die eigentlichen Stars, da sie während der gesamten Spielzeit immer wieder neue Anfeuerungslieder und –tänze aufführten. Damit boten sie einerseits die Art von Spektakel, welches einigen langweiligen Spielen fehlte. Andererseits gaben sie den Horden von Elfenbeinturmbewohnern eine Entschuldigung, sich Fußballspiele anzuschauen – und diese wahlweise als ureigenstes Stammesspiel oder psychoanalytisch verklärt, zum sexuellen Akt mit dem Goalie als Keuschheitsgürtel gegen den eindringenden Ball zu interpretieren. Zur Stammesspieltheorie gehören natürlich auch die Gesänge und hier kommen nun KRYPTERIA ins Spiel – diese lieferten mit Na Ga Ja die Hymne der Red Devils beziehungsweise des südkoreanischen Fanblocks.

KRYPTERIA sind keine Erscheinung, die erst seit der WM existiert. Mit ihrem bombastischen Pop lieferten sie 2004 bereits den Song für die Tsunami-Spendenaktion und sind seit 2001 in den Gewässern des Mainstream-Pops unterwegs. Evolution Principle ist ein wörtlich zu nehmender Schritt in der Entwicklung der Band, denn nun will man weniger Pop und dafür mehr Rock sein – frei nach dem Motto: Der NIGHTWISH-Kuchen ist groß, wir kriegen auch ein Stück davon ab. Die Parallelen zu den finnischen Vorreitern sind so nicht nur in Lost überdeutlich, aber irgendwie will nicht das gleiche Gefühl aufkommen wie bei den Finnen. Zu sehr merkt man KRYPTERIAs Musik das anbiedernde Konzept an, das von einer Consulting Marketing Firma stammen könnte. Man nehme: einige harte Gitarren und kastriere sie mit einer klinischen Produktion; eine charismatische, gut aussehende Frontsängerin (als Pendant für alle, die Vanessa Mae für eine gute Geigerin halten) und reichlich hymnische Bombastmelodien, die möglichst leicht ins Ohr gehen. Fertig ist Evolution Principle, das auch für die Absatzmärkte WITHIN TEMPTATION und EVANESCENCE tauglich sein soll.

Natürlich kann man KRYPTERIA nicht vorwerfen, ihr Fach nicht zu beherrschen. Ji-In Cho macht ihre Sache gut, doch ihre Stimme wirkt zu aalglatt, zu Pop-kompatibel, daran ändert auch ihre Ausbildung nichts. Evolution Principle fehlt letzten Endes einfach die Seele, die wirklich guten Songs und die Echtheit – und bei aller Kritik sind dies genau die Qualitäten, welche es KRYPTERIA unmöglich machen, NIGHTWISH vom Thron zu stoßen. Denn am Schluss bleibt ihre EP ein seelenloses, bombastisches Werk, das allen Sekretärinnen mit hellblauer Delfintätowierung im Dekolleté das Gefühl geben wird, eben auch Metal zu hören. Spätestens wenn diese in WACKEN einfallen, wird sich die Fratze des Mainstreams in voller Blüte offenbaren.

Veröffentlichungstermin: 04.08.2006

Spielzeit: 21:07 Min.

Line-Up:
Ji-In Cho: Vocals, Piano
Chris Siemons: Gitarren, Keyboards
Frank Stumvoll: Bass, Vocals
S.C. Kuschnerus: Drums, Vocals

Label: EMI

Homepage: http://www.krypteria.de

Tracklist:
1. Sweet Revenge
2. Lost
3. The Promise
4. No more lies – MMVI
5. Na Ga Ja

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