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KLIMT 1918: Just in Case We´ll Never Meet Again (Soundtrack for the Cassette Generation)

Elegante Zurückhaltung trifft auf italienische Leidenschaft. Kitschig, verspielt, großartig.

Wo verschwimmt sie, die feine Linie zwischen Kitsch und Melancholie? Zwischen tiefer, ehrlicher Emotion und aufgesetzter Klangmaske, die hauptsächlich dazu da ist, um frisch getrennte Frauen Mitte zwanzig gefügig zu machen? Bei KLIMT 1918 ist das nicht immer leicht ersichtlich, ehrlich gesagt. Doch bei Just in Case We´ll Never Meet Again ist das auch egal. Denn das neueste Werk der Italiener ist dermaßen konsequent und überfrachtet mit Kitsch, dass sogar ich weich werde. Und warum? Wenn sich die Musiker dafür nicht schämen, so was zu spielen, warum sollte ich das tun, wenn ich mich an diesen Klängen, ja geradezu labe?

Das dritte Album des Quartetts jedenfalls kommt genau zur richtigen Jahreszeit heraus. Es scheint wie ein musikalisches Pendant zu Abiturienten, die vor dem Wegziehen noch eine stürmische Affäre haben, voller sentimentaler Ausbrüche und Illusionen. Der Untertitel des Albums suggeriert ja schon eine gewisse Sentimentalität: Die Tage der Kassette mögen gezählt sein, die Erinnerung daran ist bittersüß, weil früher war ja alles besser. Diese Gefühle werden durch dieses Album permanent ausgedrückt. Das Unglaubliche daran: Just in Case We´ll Never Meet Again geht dem Hörer trotzdem nicht auf den Keks.

Vielleicht liegt es daran, dass, wenn man sich erstmal auf das Album eingelassen hat, überwältigt wird von diesen wunderbaren Melodien und Hooklines. Etwas, das eine Art kommerziellen Post Rock darstellt, wie SIDEWAYTOWN und ein wenig ANATHEMA in einem Kleid, das MY BLOODY VALENTINE tragen könnten, wäre es nicht so modern. Was nach infernalischem Mist klingt, überzeugt aber spätestens bei dem wunderschönen Skygazer. Ein Lied zum Fliegen. Solche Stücke gibt es allerdings mehrfach auf dem Album, wie Just an Interlude in Your Life, der Titeltrack, Disco Awayness und True Love is the Oldest Fear beweisen. Alles Nummern, die wie Öl runter gehen, wunderbare Gitarrenarbeit mit vielen flirrenden Leads beinhalten, die teilweise anspruchsvoller sind, als man meinen könnte, und von einer sicheren, versierten Rhythmussektion getragen werden. Genau hier kommen die letzten verbliebenen Einflüsse von KATATONIA vor. Charakteristisch an der Musik ist natürlich Marco Soellners Gesang, der ein wenig an Vincent Cavanagh erinnert. Hier entstehen wunderbare Hooklines, derer sich der Hörer nicht entziehen kann. Und doch, den schnellen Hit gibt es nie zu hören.

Eigentlich jeder Song hat seine großartigen Stellen, selbst wenn er zunächst schwach wirken mag. So mausert sich Ghost of a Tape Listener zu einer wahnsinnig guten Nummer, die den ganzen Tag nicht den Kopf verlassen will. Ganz großes, oftmals unbequemes Kino. Und genau hier sind wir bei der Lösung des Rätsels angelangt. KLIMT 1918 überzeugen auf ihrem neuesten Album und wirken so glaubhaft, weil sie nicht den leichten Weg nehmen und nie puren Schönklang wählen. Es steckt hinter Just in Case We´ll Meet Again definitiv Einiges dahinter, was allerdings erst nach einigen Hördurchläufen klar wird.

Auch wenn es schwer sein mag, wer auf emotionale Musik steht, sollte diesem Album eine Chance geben. KLIMT 1918 gehen einen Weg, der schwieriger ist, als man denken möchte. Elegante Zurückhaltung trifft auf italienische Leidenschaft, das hat Stil. Einerseits ein leichtes Album für laue Sommerabende, andererseits doch Kopfkino mit einer Atmosphäre, die das Denken und Fühlen des Hörers für kurze Zeit gänzlich verändert. Das I-Tüpfelchen ist das perfekt zur Musik passende Artwork und die eigenständige Produktion. Auch wenn ihr so skeptisch seid wie ich zu Beginn – gebt diesem Album eine Chance. Zum Schwelgen im Frühsommer gibt es 2008 kein besseres Stück Musik.

Veröffentlichungstermin: 20. Juni 2008

Spielzeit: 50:07 Min.

Line-Up:
Marco Soellner – Guitars, Vocals
Francesco Conte – Guitars
Davide Pesola – Bass
Paolo Soellner – Drums

Label: Prophecy Productions

Homepage: http://www.klimt1918.com

Tracklist:
1. The Breathtaking Days (Via Lactea)
2. Skygazer
3. Ghost of a Tape Listener
4. The Graduate
5. Just an Interlude in Your Life
6. Just in Case We´ll Never Meet Again
7. Suspense Music
8. Disco Awayness
9. Atget
10. All Summer Long
11. True Love is the Oldest Fear

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