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HYPNO5E: Acid Mist Tomorrow

Eine Art Wundertüte für scheuklappenfreie Hörer aller Genres

Hypnose – ein oft genutzter Begriff in der Musikbranche. So beschreibt sie doch das ewig Unbekannte, die ungreifbare Reise in die Tiefen des menschlichen Verstandes, um den Zustand der Trance zu erreichen. Was liegt für Musiker also näher, als ihr Projekt mit eben diesen Namen zu belegen und den Hörer auf ihre eigene Art und Weise in andere Sphären zu führen? Man denke einmal an die belgischen Elektrohasch Progger HYPNOS 69 oder die Death Metaller HYPNOS aus Tschechien, denen ich demnächst in einem Artikel erhöhte Aufmerksamkeit schenken werde. Dieses Review soll sich jedoch um die französischen Visionäre HYPNO5E drehen, die nach fast fünfjähriger LP-Auszeit mit Acid Mist Tomorrow den Schritt zurück ins Rampenlicht wagen.

Fünf Jahre sind eine lange Zeit für die Entstehung eines Albums. Ein Zeitraum, in dem sich die meisten Künstler auf einen schmalen Grad bewegen. Im besten Falle wird das Endprodukt bis ins kleinste Detail nach den Vorstellungen des Künstlers ausgearbeitet und perfektioniert. Doch besteht auch immer die Gefahr, das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren und am Ende der Einzige zu sein, welcher sein Werk noch versteht. Glücklicherweise kann ich nach mehrmaligen Konsum für Zweites Entwarnung geben, denn HYPNO5E kreieren wahrlich ein Genre-Cocktail, der den experimentell veranlagten Metalliebhaber sofort auf die Bretter schickt. Versucht man einmal den Stil der Franzosen zu beschreiben,dann entsteht eine nahezu endlos lange Liste, die Schlagwörter umfasst wie Math Metal, Sludge, Post-Rock, Psychedlic oder Noise – um nur die wichtigsten zu nennen.

Stellvertretend für die nur – streng genommen – fünf Songs der Veröffentlichung soll einmal der Titeltrack dienen. Hier dominieren im Intro allerlei Delays auf den Gitarren, die den Hörer in sicheren Post Rock Gefilden wiegt, nur um schlagartig mit fies vertrackten Groovegitarren und dem hohen Gekreische von Emmanuel Jessua um die Ecke zu kommen. Doch auch dieser Abschnitt hat nicht lange Bestand, denn es warten bereits Akustik Gitarren an der nächsten Ecke auf ihren Einsatz. Die Atmosphäre wird nun kurzzeitig von zarten Clean Gesang getragen. Doch auch dieser kann sich nicht lange halten, schon addieren sich, wie des öfteren im Verlauf des Releases, eingespielte Zitate aus Filmen (meist auf mir leider nicht mehr verständlichen Französisch) und  kreischende Feedbacktöne, um die Stimmung zu intensivieren. Wir befinden uns wohlgemerkt immer noch in den ersten 3 Minuten, da folgt schon der nächste Richtungswechsel. Wieder setzen die eigenwilligen verzerrten Stimmbänder ein und der Song nimmt wieder an Fahrt auf.
Bereits jetzt wird klar: Der Zugang zur Musik will erarbeitet sein, denn HYPNO5E besitzen eine extrem hohe Parts-pro-Minute-Rate, die das anfängliche Eintauchen in die Musik erschwert. Doch glücklicherweise fügen sich nach einigen Rotationen die Puzzleteile der Songs immer weiter Stück für Stück zusammen und man erkennt den eingeschlagenen Pfad der Band immer klarer.
Songs wie Six Fingers in One Hand She Holds oder Brume Unique Obscurite haben dabei häufig geniale Steigerungen zu verzeichnen. Hier wird nicht einfach geradeaus drauflosgebolzt, sondern die Parts wachsen vielmehr von Wiederholung zu Wiederholung – Ein Schritt zurück, zwei nach vorne, das scheint dabei oft die Devise zu sein, bis der emotionale Ausbruch in den Vocals folgt.
Den Gesang könnte man in den Heavy Parts gemeinerweise als brutalere Version von BILLY TALENT beschreiben, in Wirklichkeit aber orientiert man sich wohl eher an den gängigen Core Screaming Standards. Doch der Fokus liegt eh auf dem genialen Gitarrenspiel, welches dieses kleine Manko (Geschmackssache!) problemlos retuschiert. Die Saitenfraktion dominiert quasi nach Belieben alle Bereiche von verträumt harmonisch bis keifend schrill, wird nie langweilig und bleibt immer auf einem extrem hohen technischen Niveau. Genauso bietet Drummer Thibault Lamy eine technische Lehrstunde, die von jazzig zurückhaltenden Rhythmen bis zu seltenen, aber ratternden Blastbeats reicht.

Mit dem Nachfolger zu Des Deux l’Une Est l’Autre erschafft HYPNO5E Musik, zu der sich nur schwer Vergleiche anstellen lassen. Auf der einen Seite bietet die Veröffentlichung frisches Futter für Anhänger von neueren CYNIC, die auf der Suche nach anspruchsvollen Takten und anderen  progressiven Auswüchsen sind. Anderseits kommt auch die atmosphärische Seite nicht zu kurz, welche bei ähnlich technisch bewanderten Bands kaum zur Geltung kommt und den Franzosen somit nicht hoch genug angerechnet werden kann. Auch ist man sich nicht zu schade, nur auf schöne Klänge zu setzen, erzeugt Schwere nicht durch übliche Stilmittel wie rasende Geschwindigkeit, sondern verwendet oft Disharmonie im Stile von den Landsmännern DEATHSPELL OMEGA.

Um es kurz zu machen: Acid Mist Tomorrow entpuppt sich als eine Art Wundertüte für scheuklappenfreie Hörer aller Genres, vorausgesetzt natürlich, man schenkt diesem Album genügend Aufmerksamkeit und gebührend Zeit, die es braucht, um sich zu entfalten. Für einen weiteren Output dieser Güte warte ich gerne weitere fünf Jahre, denn in der Zwischenzeit bin ich mit dem aktuellen Material bestens versorgt!

Veröffentlichungstermin: 24.02.2012

Spielzeit: 53:57 Min.

Line-Up:
Emmanuel Jessua – Lead Vocals/Guitar
Thibault Lamy – Drums/Percussions
Cédric Pages – Bass/Backing Vocals
Jonathan Maurois – Guitar

Produziert von Hypno5e
Label: Klonosphere/Season of Mist

Homepage: http://www.hypno5e.com

Mehr im Netz: http://www.facebook.com/Hypno5e

Tracklist:
01. Acid Mist Tomorrow
02. Six Fingers In One Hand She Holds The Dawn – Part I
03. Six Fingers In One Hand She Holds The Dawn – Part II
04. Story Of The Eye
05. Gehenne – Part I
06. Gehenne – Part II
07. Gehenne – Part III
08. Brume Unique Obscurité – Part I
09. Brume Unique Obscurité – Part II

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