YNGWIE-MALMSTEEN-Concerto-Suite

YNGWIE MALMSTEEN: Concerto Suite

Stratocaster meets Orchester. Atemberaubende Melodien, Themen, Variationen, Läufe und Spannungsbögen bestimmen das Bild. MALMSTEEN harmoniert mit dem Orchester, als sei es die natürlichste Sache der Welt.

YNGWIE JOHANN MALMSTEEN: Concerto Suite for Electric Guitar and Orchestra in E flat minor Op. 1 Millennium – so der vollständige Titel – ist ein ganz besonderes Album. Etwas Vergleichbares habe ich nie zuvor und auch danach nicht wieder gehört. Ich erinnere mich noch daran, wie MALMSTEEN in den Interviews zur Facing The Animal-CD ständig voller Euphorie von einem Orchesterwerk erzählte, und die Reporter auf ihren Fragen zur aktuellen Veröffentlichung regelrecht sitzenblieben. Neugierig geworden besorgte ich mir dann das Album, als es 1998 in Japan erschien. Und vom ersten Ton an war ich begeistert von dem, was der alte Schwede da abzog. Daß MALMSTEEN ein begnadeter Gitarrist ist, steht außer Frage. Sein harmonisch-moll-Gefrickel ist natürlich nicht jedermanns Sache, und wer es bislang nicht mochte, der sollte um diese CD einen großen Bogen machen. Denn metallische Riffs oder gedoppelte Gitarren gibt es keine zu hören. Und doch klingt die Concerto Suite nicht nach billigem Tonleiterskalen-Gedudel, sondern nach gewaltiger klassischer Musik. Denn wo sonst ein Schlagzeuger mit seinen Becken lärmt und ein Sänger von Liebe, Autos und Fantasiemächten erzählt, da tönt hier ein Orchester, dessen dynamische Palette von sanften Flächen bis zu brettharten Allegro-Passagen reicht.

MALMSTEEN harmoniert mit dem Orchester, als sei es die natürlichste Sache der Welt

Die Tatsache, daß die Gitarre beim Opener Icarus Dream Fanfare erst nach 36 Sekunden (!) ins Geschehen eingreift, verdeutlicht, daß es mitnichten nur belanglose Gitarrensoli auf dem Album zu hören gibt. Im Gegenteil: Melodien, Themen, Variationen, Läufe und Spannungsbögen bestimmen das Bild. MALMSTEEN harmoniert dabei mit dem Orchester, als sei es die natürlichste Sache der Welt. Dabei ist die Musik an den meisten Stellen wilder und schneller als bei den meisten Metalbands, zumal hier keine Songschemen (Strophe / Bridge / Refrain) eingehalten werden müssen. Stattdessen besitzt jedes Stück einen Melodievorrat, der für mindestens zwei normale Metalalben gereicht hätte.

Jede Note sitzt am rechten Fleck

Bei Prelude To April und der phänomenalen Toccata (und später bei der Sarabande) greift MALMSTEEN dann zur Akustik-Gitarre, wodurch ein angenehmer Kontrast zu den ziemlich heftigen Einstiegsnummern entsteht. Doch im Gegensatz zu den populären (und auch den unpopulären) klassischen Werken sind auch hier wirklich alle Teile gelungen, schlüssig und ergreifend. Ich bin alles andere als ein Kenner von Bach, Beethoven und wie sie alle heißen, aber dieses Review ist auch nicht unbedingt für Professoren der Musikgeschichte gedacht. Denn aus meiner Metal-beeinflußten Perspektive übertrifft dieses Album in Sachen Spielfreude alle Klassikaufnahmen, die ich je gehört habe. Dies liegt mit Sicherheit auch daran, daß der Komponist und der Solist ein und dieselbe Person sind. Denn jede Note, jeder Ton sitzt am rechten Fleck, was bei MALMSTEENs Solo-Alben meiner Meinung nach nicht der Fall ist. Aber mit denen hat dieses Werk außer der Solo-Gitarre ohnehin nichts gemeinsam. Warum auch? Das Orchester besitzt ein unglaublich breites Klangspektrum, bei dem alle Facetten zum Vorschein kommen, ohne dabei zum Selbstzweck zu werden.

Gitarre und Orchester spielen um die Wette, ohne dabei den roten Faden zu verlieren

Die Produktion (unter der Leitung von Chris Tsangarides) klingt lebendig, klar und äußerst druckvoll. Natürlich fehlen donnernde Schlagzeugpassagen, doch hier wurde glücklicherweise nicht der Fehler begangen, diese durch Pauken zu ersetzen. Das wäre auch gar nicht nötig gewesen. Denn nach einer Reise durch alle möglichen Stimmungen (kraftvoll, schnell, behäbig, gefühlvoll, hart, balladesk) beginnt mit dem Allegro die Platte erst so richtig. Gitarre und Orchester spielen nun um die Wette, ohne dabei den roten Faden zu verlieren. Das Vivace glänzt durch bombastische Orchestereinlagen und einem wunderschönen Mittelteil. Selbst die Bläsereinsätze können mich hier begeistern, obgleich ich solche Instrumente sonst oftmals als Rohstoffverschwendung ansehe. Nach Presto Vivace und dem abschließenden Finale brauche ich gewöhnlich eine kleine Weile, bis ich mich von der dichten Atmosphäre und dem atemberaubendem Gitarrenspiel erholt habe. Denn auch nach jahrelangem Dauerkonsum hat MALMSTEENs Concerto Suite nichts von ihrer Faszination verloren.

1996 macht sich MALMSTEEN daran, diesen Traum zu verwirklichen

Da auf dem Album ausschließlich Orchester und Gitarre (und ein wenig Chor) zu hören sind, gibt es statt Songtexten eine kurze und zugleich aufschlußreiche Autobiographie des Saitenhexers. Dabei geht er auf seinen musikalischen Werdegang ein und erzählt die Entstehungsgeschichte der Concerto Suite:

Wie schon sein Kindheitsidol Ritchie Blackmore hat auch MALMSTEEN schon früh (mit 13!) ein unüberhörbares Faible für barocke Musik entwickelt. So begann er von einem klassischen Werk zu träumen, bei dem er sowohl die Rolle des Solisten als auch die des Komponisten übernehmen würde. 1996 machte er sich dann daran diesen Traum zu verwirklichen, indem er alles, was er sich autodidaktisch über klassische Musik beigebracht hatte, konzentrierte und mit Hilfe von Mats Olausson arrangierte. Anschließend nahm er zusammen mit David Rosenthal eine Demoversion seines Werks auf. Im Juni 1997 flog MALMSTEEN dann nach Prag, wo zusammen mit den Tschechischen Philharmonikern unter der Leitung von Yoel Levi die Proben und Orchesteraufnahmen stattfanden. Levi, Dirigent des Atlanta Sinfonie Orchesters, war übrigens schon vor dem Projekt mit MALMSTEENs Musik vertraut, da sein Sohn Metal hört. Die Gitarre wurde wenige Tage später in Miami aufgenommen, was der Dynamik des Albums in keiner Weise schadet. Und so bleibt mir nichts anderes übrig, als YNGWIE JOHANN MALMSTEEN zu diesem einzigartigen Meisterwerk zu gratulieren.

VÖ (Japan): 4.2.1998 / VÖ (Deutschland): 21.6.1999

Spielzeit: 42:24

Produziert von Yngwie Johann Malmsteen

Tracks:
1. Icarus Dream Fanfare
2. Cavallino Rampante
3. Fugue
4. Prelude To April
5. Toccata
6. Andante
7. Sarabande
8. Allegro
9. Adagio
10. Vivace
11. Presto Vivace
12. Finale

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