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DREAM THEATER: When Dream And Day Reunite [DVD]

Ein Pflichtkauf für alle, die das Originalalbum verehren, da nicht nur die aktuelle Liveumsetzung zu hören ist, sondern eine Reise in die Vergangenheit inbegriffen ist.

Zum Glück brauche ich nicht viel über das erste DREAM THEATER-Album When Dream And Day Unite zu schreiben. Mittlerweile ist die Band – und mit ihr dieses Meisterwerk – so bekannt geworden, dass es nicht mehr der kläglichen Versuche eines kleinen Wichts wie mir bedarf, die Schönheit, den Anmut und die Eleganz der Musik zu beschreiben.

When Dream And Day Unite ist ein Meisterwerk, das nach Meinung der Band jedoch an produktionstechnischen Defiziten leidet. Aus diesem Grund beschloss das Quintett kürzlich, das gesamte Album live zu spielen und mitzuschneiden, und zwar auf den Tag genau 15 Jahre nach seiner Veröffentlichung. So begab es sich, dass sich Mike Portnoy am 6. März 2004 beim Konzert in Los Angeles nach zwei Stunden normalem Programm ans Publikum wandte und verkündete, dass nun etwas ganz Besonderes folgen würde. An dieser Stelle beginnt die sinnigerweise When Dream And Day Reunite-DVD (Regionalcode 0, NTSC-Format), die ebenso wie die gleichnamige CD lediglich direkt von Portnoys Raritätenlabel Ytsejam Records im Rahmen der Offical Bootleg-Serie erhältlich ist.

Was folgt, lässt sich nur sehr unzureichend in Worte fassen. Von den donnernden Trommelschlägen, die A Fortune In Lies einläuten, bis zum fulminanten Crescendo am Ende von Only A Matter Of Time jagt ein Gänsehautmoment den nächsten. Die Flamme brennt wieder! Die Produktion klingt natürlich fetter und zeitgemäßer als die des Studioalbums. Als leidenschaftlicher Anhänger von letzterem hatte ich hier so meine Bedenken. Von der modernen Ausrichtung der neueren Studiowerke ist jedoch nichts zu hören. Denn im Endeffekt stehen die Lieder im Vordergrund und die (ungebrochen atemberaubende) Spieltechnik der Herren Portnoy, Petrucci und Myung trägt zusätzlich dazu bei, dass ich mich zu Hause fühle. Am authentischsten ist sicherlich die Umsetzung des Ytse Jam, der im Laufe der Jahre nichts von seiner Magie verloren hat. The Killing Hand weist dagegen als einziger Song deutliche Modifikationen auf: Im letzten Drittel wurden einige hörenswerte neue Teile eingebaut, so dass es das Epos auf eine Spielzeit von über 12 Minuten bringt.

Die Leistung von Sänger James LaBrie ist solide, letztlich aber an vielen Stellen der Musik einfach nicht angemessen. Sein Vorgänger Charlie Dominici war seinerzeit auch alles andere als perfekt, keine Frage. Inzwischen haben DREAM THEATER jedoch einen Status, mit dem sie mühelos einen Sänger vom Kaliber Zak Stevens oder John Arch (!) an Bord holen könnten.

Keyboarder Jordan Rudess macht dagegen eine gute Figur. Er orientiert sich sehr stark am jeweiligen Original, wobei er stellenweise leicht unterfordert wirkt. Sporadisch setzt er geschmackssicher eigene Akzente. Dass sein Blick meist auf die Noten vor ihm gerichtet ist, fällt wenig ins Gewicht. Er wirkt immer noch agiler als Ruhepol John Myung. John Petrucci macht einen sehr konzentrierten Eindruck, während Bandkopf Mike Portnoy hinter seinem Schlagzeug einen Heidenspaß hat. Mit traumwandlerischer Sicherheit trommelt dieser sich durch die Lieder und strahlt dabei eine enorme Spielfreude aus.

Nach insgesamt einer Stunde im Progressive Metal-Himmel kann eigentlich nur Ernüchterung folgen. Dem ist auch so, denn die erste Zugabe To Live Forever ist und bleibt ein harmloses Liedchen. Da kann selbst der Gastauftritt von Charlie Dominici nicht die Langeweile vertreiben. Beim anschließenden Finale stehen die Zeichen allerdings wieder auf Sturm. Während das Intro zu Metropolis ertönt, werden am rechten Bühnenrand zwei weitere Keyboards für den ehemaligen Bandkollegen Derek Sherinian (PLANET X) aufgefahren. In der ersten Hälfte des Stücks stehen klar die beiden Sänger im Mittelpunkt. Obwohl einige wackelige Töne zu hören sind, liegt Magie in der Luft, besonders wenn sie zweistimmig singen. Im Mittelteil liefern sich anschließend die Herren Sherinian, Petrucci und Rudess ein Duell (Triell?), bei dem meine Kinnlade ungebremst auf den Fußboden knallt. Wahnsinn! Einfach nur Wahnsinn. Obwohl ich den Song schon unzählige Male gehört habe, reißt er mich mit, fasziniert er mich, regiert er ungebrochen!

Schon alleine diese zehn Lieder rechtfertigen den Erwerb der DVD. Einmal mehr präsentieren sich DREAM THEATER jedoch als ausgesprochen fanfreundliche Band und geizen nicht mit Bonusmaterial. So gibt es zunächst einen Audiokommentar über die gesamte Länge des Mitschnitts, bei dem alle Bandmitglieder zu Wort kommen. Selbst John Myung macht den Mund auf. Natürlich reden John Petrucci und Mike Portnoy am meisten, erzählen Anekdoten aus der Anfangszeit der Band und erläutern, wie sie das Album und die Lieder 15 Jahre nach ihrem Entstehen sehen. Jordan Rudess steuert immer wieder auflockernde Zwischenbemerkungen bei, während James LaBrie relativ wenig sagt. Sehr amüsant ist freilich die Geschichte, wie bzw. wo er zum ersten Mal Status Seeker hörte. Das musikalische Fachgesimpel beschränkt sich auf ein Minimum. Stattdessen werden die Umstände dieses einmaligen Konzertereignisses erläutert (z.B. das Fehlen von Kevin Moore) und Erinnerungen aus den Anfangsjahren ausgegraben. Weiterhin gibt es ein paar Minuten Videoausschnitte von den Aufnahmen der Kommentarspur. Sehr witzig ist hierbei das Ende, als Rudess anmerkt, dass ihm bei solchen Gelegenheit immer erst auffallen würde, wie wenig sie innerhalb der Band miteinander reden.

Die Soundcheck-Ausschnitte sind weniger interessant, zumal Bild- und Tonqualität hier eher bescheiden ausgefallen sind. Einzig die kurze Sequenz, die LaBrie und Dominici beim Ausarbeiten des Gesangs zeigt, ist hier sehenswert. Ganz anders sieht es bei der gut 70-minütigen Dokumentation I Can Remember When… aus. Die Aufnahmen aus dem Jahr 1989 waren ursprünglich für ein Fanclub-Video gedacht, das aber nie das Licht der Welt erblickte. Die Lieder werden der Reihe nach ausführlich kommentiert. (Endlich erfahre ich, worum es im Text von The Killing Hand geht.) Dazu gibt es jeweils Ausschnitte von Konzerten aus den Jahren 1988 und 1989. Die Aufnahmequalität ist nicht die beste. Angesichts der Einmaligkeit des Materials fällt das aber kaum ins Gewicht. Beim Anschauen wird einmal mehr deutlich, wie unglaublich jung die vier Instrumentalisten seinerzeit waren. Der unverbrauchte Geist des damals noch jungen Genres Progressive Metal ist allgegenwärtig. Zum Abschluss werden noch die einzelnen Mitglieder von ihren Bandkollegen charakterisiert. Mit dem Wissen um die weitere Entwicklung von DREAM THEATER entwickelt sich beim Anschauen eine nostalgische Atmosphäre. Gleichzeitig steigt die ohnehin vorhandene Bewunderung für die Band angesichts ihres Talents und ihres Durchhaltevermögens.

When Dream And Day Reunite ist ein Pflichtkauf für alle, die das Originalalbum verehren, da eben nicht nur die aktuelle Liveumsetzung zu hören ist, sondern eine Reise in die Vergangenheit inbegriffen ist.

Veröffentlichungstermin: 05.02.2005

Spielzeit: 176:25 Min.

Line-Up:
James LaBrie: Gesang
John Petrucci: Gitarre
Jordan Rudess: Keyboard
John Myung: Bass
Mike Portnoy: Schlagzeug

Charlie Dominici: Gesang (To Live Forever, Metropolis, I Can Remember When…)
Derek Sherinian: Keyboard (Metropolis)
Kevin Moore: Keyboard (I Can Remember When…)

Produziert von Mike Portnoy und John Petrucci
Label: Ytsejam Records

Homepage: http://www.dreamtheater.net

Tracklist:
1. A Fortune In Lies
2. Status Seeker
3. Ytse Jam
4. The Killing Hand
5. Light Fuse And Get Away
6. Afterlife
7. The Ones Who Helped To Set The Sun
8. Only A Matter Of Time
9. To Live Forever
10. Metropolis

Bonusmaterial:
Audiokommentar der Band
Making of Audiokommentar
Soundcheck-Ausschnitte
I Can Remember When… (Dokumentation)

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