DARK TRANQUILLITY: The Gallery

Wild und ungestüm, melodisch und mitreißend, aggressiv und gefühlvoll. "The Gallery" ist heute noch genauso grandios wie 1995. Ein Meisterstück des Melodic Death Metal und ein definitiv zeitloses Album.

Gibt es das perfekte Album? Höchstwahrscheinlich nicht, gibt es doch meist immer zumindest winzige Flecken auf dem sonst weißen, respektive schwarzen Hemd. Eines, das diesem utopischen Attribut etwaiger Schönheitsfehler zum Trotz in seinem Genre sehr nahe kommt, ist nach Meinung nicht weniger und völlig zu Recht DARK TRANQUILLITYs “The Gallery”. Gerade im Vergleich zum noch soliden “Skydancer” gelang den Göteborgern mit ihrem zweiten Full Length-Album ein Quantensprung in Sachen Songwriting und Gespür für sinnvolle Harmonien, ohne die rotzige wie unbedarfte Wildheit der Jugend abzulegen.

Klar, von der songschreiberischen Versiertheit und Abgebrühtheit, wie sie DARK TRANQUILLITY heute an den Tag legen, war man anno 1995 noch weit entfernt, weshalb nicht jedes Lead und jedes Riff auf Anhieb gleich effektiv arbeitet. Aber das tut im Gesamten nur wenig zur Sache, sind doch “Punish My Heaven”, “Silence, And The Firmament Withdrew” sowie “Edenspring” ein dermaßen starker Auftakt, dass man selbst heute noch beim Hören vor Ehrfurcht erzittert. Während Ersterer mit seinen furiosen Leadgitarren und einer unvergleichlichen Aggressivität schon lange zum Fundament eines DARK TRANQUILLITY-Konzerts gehört, findet man in Letztgenanntem nicht nur die charakteristischen, von IRON MAIDEN entlehnten, doppelten Leadgitarren, sondern auch wunderbare Dynamik zwischen ruhigen, akustischen Momenten und aggressiven Ausbrüchen, welche Mikae Stanne mit seinem harschen und klar verständlichen Organ nicht besser ausgestalten könnte. Selbst in jungen Jahren gehörten seine Screams schon zum festen Inventar DARK TRANQUILLITYs – auch wenn “The Gallery” erst seinen zweiten Auftritt als Sänger verkörpert. Beim Debüt “Skydancer” spielte er noch die Gitarre, bevor er auf der EP “Of Chaos And Eternal Night” Anders Fridén am Mikro ablöste, welcher anschließend den vakanten Posten bei IN FLAMES übernahm und bis heute noch ausfüllt.

Variabler und vielschichtiger kann klassischer Melodic Death Metal nicht interpretiert werden

Eine der größten Stärken der Schweden war seit jeher die unverkennbare Note, die sich stets wie ein roter Faden durch ihr Schaffen zog. Das trifft auf ein “The Emptiness From Which I Fed” ebenso zu wie auf den interessanten Titeltrack, der mit seinen omnipräsenten Akustikgitarren nicht nur sehr zurückgenommen ist, sondern gleichzeitig mit dem weiblichen Gastgesang von Eva-Marie Larsson eine interessante Facette zum Gesamtpaket hinzuaddiert.

Variabler und vielschichtiger kann klassischer Melodic Death Metal nicht interpretiert werden, was es umso erstaunlicher macht, dass “The Gallery” von Anfang bis Ende wie aus einem Guss wirkt. Ausschlaggebend ist hierfür nur zum Teil das standfeste Rhythmusgerüst aus sattem Schlagzeug und warmem Bass. Vielmehr sind es die beiden Gitarristen Fredrik Johansson und Niklas Sundin, welche mit ihrem akzentuierten Riffing und den prägnanten Soli eine universal einzigartige Atmosphäre kreieren – sei es nun bei dem verhaltenen bis verzweifelten “Lethe”, oder einer Vollgas-Nummer vom Schlage eines “Midway Through Infinity”.

Die Ecken und Kanten auf DARK TRANQUILLITYS Zweitwerk sind erfrischend

Und die eingangs erwähnten Schönheitsfehler? Nun, die fallen eigentlich nicht wirklich ins Gewicht, sind sie doch keine Schwachpunkte im eigentlichen Sinn, sondern höchstens Erinnerungen daran, dass auf “The Gallery” eine Band zu hören ist, die damals noch am Anfang ihres Schaffens stand und gerade erst das ihr inhärente Potenzial zu nutzen begann. Ehrlich gesagt sind die dadurch enthaltenen Ecken und Kanten ungemein erfrischend, denn gerade diese nicht glatt gestriegelte und auf perfekt getrimmte Unbekümmertheit, die mit diesen seltenen Augenblicken einhergeht, lässt “The Gallery” nur greifbarer werden. Deshalb darf das eine oder andere Riff auf diesem, dank sattem Schlagzeugsound zeitlos produzierten, Album ruhig seine Zeit brauchen. Schließlich sind es am Ende doch gerade die kleinen Stolpersteinchen, die ein Album selbst über Jahre hinweg interessant halten. Und vielleicht ist es genau das, was das perfekte Album letzten Endes auszeichnet…

Veröffentlichungstermin: 27.11.1995

Spielzeit: 47:54 Min.

Line-Up:

Mikael Stanne – Vocals
Niklas Sundin – Guitars
Fredrik Johansson – Gitarre
Martin Henriksson – Bass
Anders Jivarp – Drums

Produziert von Fredrik Nordström
Label: Osmose Productions

Homepage: http://www.darktranquillity.com

DARK TRANQUILLITY “The Gallery” Tracklist

01. Punish My Heaven
02. Silence, And The Firmament Withdrew
03. Edenspring
04. The Dividing Line
05. The Gallery
06. The One Brooding Warning
07. Midway Through Infinity
08. Lethe
09. The Emptiness From Which I Fed
10. Mine Is The Grandeur…
11. …Of Melancholy Burning

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