HACRIDE: Lazarus

Über große Strecken leider ein überambitioniertes, konfuses Album der französischen Polyrhythmus-Metaller.

Der alte Darwin wäre begeistert! Wenn eine Band von sich behaupten kann, einen Evolutionssprung getätigt zu haben, dann HACRIDE. Die fleißigen Franzosen haben ihr drittes Album parat, das sich von dem Vorgänger Amoeba deutlich abhebt. Und doch immer wieder in altbekannte Muster verfällt. Es ist ein fast schizophrenes Dilemma mit Lazarus, denn einerseits fällt positiv auf, wie HACRIDE sich immer weiter und weiter vom typischen Polyrhythmus-Cyber-Metal entwickeln und eine eigene Nische erschaffen. Andererseits klauen sie nach wie vor bei ihren Helden und auch ein wenig bei sich selbst.

Was HACRIDE aber locker schaffen, ist unzumutbare Songs zu schreiben. Hier ist nichts mit eingängigen Refrains, treibenden Strophen und Spannung aufbauenden Bridges. Hier ist der totale Songwriting-Wahnsinn angesagt und das belegen sie selbstbewusst mit dem fünfzehnminütigen Opener To Walk Among Them. Hier schließt der Hörer Bekanntschaft mit den üblichen Verdächtigen, MESHUGGAH müssen ebenso als Referenz herhalten, wie auch ein wenig GOJIRA, gerechterweise bemerken wir, dass dies nicht ganz so stark wie früher auffällt. Dafür fällt besonders die aufgeflammte Liebe zu TOOL auf, denn über die ganze Strecke des Albums kommen immer wieder Stellen, die eigentlich auf Lateralus oder 10.000 Days hätten stehen können. Das fügt sich zwar gut ins Gesamtbild ein, hat aber zur Folge, dass die einzelnen Songs recht zerfahren wirken.

Und doch haben HACRIDE auf Lazarus einige große Momente: Das Titelstück spielt geschickt mit Stimmungen, Phenomenon hat einen tollen, spannenden Aufbau parat, Awakening ist zu Beginn geradezu episch veranlagt und My Enemy fängt sich nach einem verpatzten Start im letzten Drittel hervorragend. Das hilft jedoch nicht über die Tatsache hinweg, dass die Songs als Solches und das Album als Ganzes einfach nicht in den Kopf wollen. Immer wieder wollen einige Fetzen ins Gedächtnis und versuchen hängen zu bleiben, Lazarus ist an sich aber zu wenig homogen, damit dies funktioniert. Da hilft auch die großartige instrumentale Abteilung, das herbe Gebrüll und der überraschend gute Klargesang nicht wirklich weiter, im Gegenteil. Die Musiker wollen zu viel und verzetteln sich recht häufig. Überambition in Reinform.

Lazarus ist natürlich dennoch nicht wirklich schlecht, es ist ein spannendes, facettenreiches Album, das HACRIDE zumindest konsequent wirken lässt. Es ist bestens für diejenigen geeignet, die The Way of All Flesh von GOJIRA zu fad fanden und für die moderner Metal nicht unnahbar genug sein kann. Dennoch ist Lazarus auf der einen Seite emotionslos und kalt, berechnend und bisweilen arrogant. Auf der anderen Seite finden sich zum Glück immer wieder packende Momente, geschickte Arrangements und mitreißender Wahnsinn. Aber diese Seite kommt eben viel zu kurz. Freunde von Amoeba dürfen reinhören, aber mit der nötigen Vorsicht. Hoffentlich geht der Trip in Richtung Unhörbarkeit nicht so konsequent weiter und HACRIDE finden Boden unter ihren Füßen.

Veröffentlichungstermin: 24. April 2009

Spielzeit: 59:21 Min.

Line-Up:
Samuel Bourreau – Vocals
Adrien Grousset – Guitar
Benoist Danneville – Bass
Olivier Lanford – Drums

Produziert von Franck Hueso und Marc Casanova
Label: Listenable Records

Homepage: http://www.hacride.com

MySpace: http://www.myspace.com/hacridev2

Tracklist:
1. To Walk Among Them
2. Act of God
3. Lazarus
4. Phenomenon
5. A World of Lies
6. Awakening
7. My Enemy

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