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FANTOMAS: Delirium Cordia

Purer Horror, in mehrfacher Hinsicht.

Stellt euch diesen Horror vor: Ihr seid Samstag Abend allein zu Hause, eure Freundin ist auf einer Geburtstagsfeier, ihr liegt mit Fieber im Bett, im Fernsehen kommt nichts und alle eure Videos wollt ihr nicht zum fünfzehnten Mal anschauen. Ihr braucht einen neuen Kick, etwas, das euch verstört, das euch endlich mal wieder bis ins Mark erschüttert. Und am besten etwas, das ihr nach euren Vorstellungen gestalten könnt. Nein, ihr sollt nicht anfangen ein Buch zu schreiben, ihr sollt froh sein, dass es Delirium Cordia von FANTOMAS gibt.

Der dritte Anlauf von Mike Patton und seinen Sicko-Freunden Antimusik so verstörend und widerlich wie möglich an den Hörer zu bringen ist ihm ein weiteres Mal gelungen – und ein weiteres Mal bricht Patton mit sämtlichen Konventionen. Dennoch – Delirium Cordia ist wieder ein Schritt in Richtung des Debüts Amenaza al Mundo, sowohl von musikalischer als auch von – für den Hörer – kreativer Seite her. Denn Delirium Cordia unterwirft sich nicht einem eng gestricktem Korsett wie der Vorgänger The Director´s Cut, sondern bietet Geräusche, die den vier Protagonisten gerade so eingefallen sind. Lustig, nicht?

War für das Verständnis der 33 Songs auf dem Debüt die Tatsache wichtig, dass man sich im inneren Auge einen Cartoon oder einen Comic vorstellte, so ist es nun unabdingbar, dass man – und jetzt wären wir wieder bei der Einleitung – hier wieder die grauen Zellen anstrengt. Delirium Cordia ist allerdings kein Comic, sondern ein Horrorfilm und Mike Pattons Vorstellung davon scheint ziemlich konkret. Alles ist dicht arrangiert, sogar die Pausen in denen nur seltsame Geräusche vorkommen haben ihren Sinn und wenn Dave Lombardo – der auf diesem Album nicht wirklich viel zu tun hat – mal auf seinen Becken rumspielt, so hat auch jede Betonung seine Bedeutung. Lärmausbrüche schleichen sich immer wieder zwischen gregorianische Chöre, psychedelischen Soundscapes und Geräuschen ein und nehmen diesem einzigen langen Song auch den Rest von Struktur.

Ist Delirium Cordia nun hausgemachter Blödsinn oder eine geniale Scheibe, die über allem steht? Das liegt im Falle FANTOMAS nicht zum ersten Mal im Auge des Betrachters, Otto-Normalhörer wird darin eine Zumutung sehen, für die er nie Geld ausgeben würde, doch wem das Debüt gefallen hat und es noch eine deutliche Ecke wirrer mag, sollte nicht warten, sondern sich dieses etwas, das sich Musik nennt zulegen. Ach ja, wenn ihr euch Delirium Cordia anhört, steht auch die 20 Minuten Plattennadel am Schluss durch und wundert euch bitte über gar nichts, bei Mike Patton und seinen Wahnsinnigen, ist alles normal und ich find´s gut.

23. Januar 2004

Spielzeit: 74:19 Min.

Line-Up:
Mike Patton – Vocals, Synthis, Samples

Buzz Osbourne – Guitar

Trevor Dunn – Bass

Dave Lombardo – Drums

Produziert von Mike Patton
Label: Ipecac Records

Tracklist:
1. Delirium Cordia

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