ELECTRO BABY: Speye

Ein Album, das in jede Sammlung gehört, wo Schubladenfrei auf Qualität, Abwechslung und Langzeitwirkung geachtet wird.

Es gibt sie einfach, diese CDs, die man bis zum Abwinken hört, und doch findet man nicht die passenden Worte, um sie angemessen zu beschreiben. Diesmal erwischt es Speye, das nunmehr dritte Album der Karlsruher Band ELECTRO BABY. Das letzte Album kenne ich leider nicht, das Debüt Electro Baby Land fand ich größtenteils recht gut. Nun also ohne sexy Mieze auf dem Cover, schade eigentlich, dafür mit einer musikalisch bunten CD, die ich so kaum erwartet hatte.

Das Album ist dermaßen abwechslungsreich, dass man erst mal eine Weile braucht, um es ins Herz zu schließen. Da bleibt es dann aber auch, wer die Scheibe bequem als Stoner-Rock eintütet (da haben die Jungs auch etwas mit Schuld), der hat sie schlichtweg nur kurz mal gehört. Klar sind die Karlsruher immer noch in diesem Sound verwurzelt, aber was sie sonst noch mit drauf packen, die Mischung ist schlicht umwerfend. Schon auf Electro Baby Land hatten sie ja verschiedene Anleihen an andere Sounds einfließen lassen, was damals aber teils noch nicht ganz schlüssig war, haben sie hier perfekt umgesetzt. Nimmt man einfach den Opener, passend The Arrival genannt, der erzählerisch noch gar nicht zeigt, wohin die Reise geht, eine kurze hochmelodische Bridge, und schon wird man breitbeinig an die Wand gerockt – nur um dann mit einem sperrigen Groove aus dem 90er Crossover zum rhythmischen Zucken gebracht zu werden, bevor man vom bösen Wolf angebellt wird. Das passt eigentlich alles gar nicht zusammen, und doch entsteht daraus ein echter Song, bei dem alle absolut bunten Elemente perfekt ineinandergreifen. Stoner-Rock hin oder her, das hier ist mehr Crossover, als es viele Bands zur Hochzeit dieses Stils geboten haben. Auch das folgende The Man With The Black Cat rockt Popo-tretend nach vorn, um dann mit einem Beineverwirbelnden Groove die Bremse anzuziehen, wie die sicher zahlreichen weiblichen Fans hierzu tanzen, das möcht ich zu gern sehen. Und auch hier wird man wieder trotz Wohlfühlbeat  wütend angezickt im Stile von RAGE AGAINST THE MACHINE. Halt machen ELECTRO BABY anscheinend vor nichts, Regeln kennen sie nicht, das doch recht steinig-staubig rockende How Far bekommt einen dingelnden Anfang mit Synthies verpasst, bei dem man sofort an die Neue Deutsche Welle denkt. Demon Eyes hingegen, als wollten sie sich bei mir einschmeicheln, klingt anfangs schwebend-verträumt nach BLACK SABBATHs Planet Caravan, um dann drückend nach vorn zu schieben. Auch hier werden die Jungs wieder unfreundlich. Ach so, das machen die ja immer. Aber eben immer anders, cool!

Es fällt schwer, nicht auf jeden Song einzugehen, weil eben jeder ein kleines Juwel ist. Home als eine Mischung aus KYUSS, ALICE IN CHAINS/SOUNDGARDEN-Grunge und einem herrlich doomigen Part – also doch BLACK SABBATH-Fans – klasse. Dann die cool swingende Quasi-Liebeserklärung She´s Hellfire, kann man die Dame mal kennen lernen? Aber lassen wir das, diese kunterbunte Mischung funktioniert einfach, obwohl sie nicht aus nur unterschiedlichen Songs besteht, sondern jeder Song ein bunter Potpourri aus verschiedensten Elementen ist. Wenn im verärgerten Love Me, Love My Dog im rockenden Soundgerüst ein Basslauf auftaucht, den man so in einem Reggae-Song erwarten würde, das ist schräg. Ja, die musikalische Umsetzung: hier kann man jedem Instrument zuhören, es gibt unzählbare Kleinigkeiten zu entdecken, der Bass, mal verspielt, mal fordernd, brummelt einem direkt ins Gesicht, die Drums treten selbst in den gelungenen ruhigen Momenten immer noch Arsch, die Gitarren sind zündend wie von mir aus eine rotzige Stoner-Ladung, schräg wie 90er Crossover und zart wie die Hände der Hellfire-Lady – wenn sie nicht gerade die Krallen ausfährt. War da noch was, der Gesang vielleicht? Keine Ahnung, wie viele Persönlichkeiten El Matador so in sich trägt, aber so unterschiedliche Klangfarben und Ausdrücke, wie der Mann in seine Vocals fließen lässt, wohliger Gesang, rotziges Röhren, bellend, keifend, grunzend, das ist krank, beeindruckend, cool wie die ganze Scheibe.   

Bevor ich mich hier weiter überschlage: Speye ist eine riesen Überraschung, ein Album, das in jede Sammlung gehört, wo Schubladenfrei auf Qualität, Abwechslung und Langzeitwirkung geachtet wird. Ganz klar eine Scheibe, die ich auch in vielen Jahren noch gerne rausziehen werde, und die mich dann immer noch begeistern wird, da bin ich sicher. Schon grob im Oktober steht die nächste ELECTRO BABY-Scheibe an, um das 10-jährige Jubiläum der Band zu feiern, ich bin gespannt. Vorher aber unbedingt Speye eintüten, öfters hören, richtig hören, und lieb haben!

Wer mag, der kann/sollte sich auch bei Last.FM die Songs der EP Grrr…! kostenlos herunterladen.

Veröffentlichungstermin: 18.05.2010

Spielzeit: 67:37 Min.

Line-Up:
El Matador – Vocals
Robmaster Flash – Gitarre
The Neighbour – Gitarre
Mr. Olli Buster – Bass
Drumgod – Schlagzeug

Gast:
Carmen Grossmann – Vocals (7)
Label: Eucalypdisc Records

Homepage: http://www.electrobaby.de

MySpace-Seite: http://www.myspace.com/electrobabies

Tracklist:
1. The Arrival
2. The Man With The Black Cat
3. How Far
4. Demon Eyes
5. Home
6. She´s Hellfire
7. Traveller In Time
8. Let Me Rock
9. Children Of A New Believe
10. Love Me, Love My Dog
11. Dog
12. In The Shadows

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