DORO: Calling the Wild

Letztendlich ist "Calling the Wild" ein solides und abwechslungsreiches Rock-Album, das zwischen Durchschnitt, guten und sehr guten Songs schwankt und nicht zuletzt ist es die Stimme von DORO, die die Kohlen bei einzelnen Songs aus dem Feuer holt.

WARNUNG: Die nachfolgenden Zeilen sind zutiefst subjektiv und DORO-Fans könnten sich in ihrem musikalischen Ehrempfinden beleidigt sehen. Hierzu sei vorangestellt, dass dieses Review durchaus gewollt satirische Ansätze enthalten und nicht alles zu bierernst gesehen werden soll. Leider muss man auf so was ja inzwischen auch in der Metal-Szene hinweisen, da sich Fans einzelner Richtungen/Bands ja wegen jeder Kleinigkeit persönlich angegriffen fühlen. In diesem Sinne…

Ja ja…unsere Dori DORO…eigentlich frage ich mich ja schon seit Jahren, wer sich eigentlich überhaupt noch für die nette Blondine, die heutzutage nicht wie in alten Bravo-Zeiten mit Pferden, sondern mit Schlangen posiert, interessiert. Musikalisch konnte DORO jedenfalls in den letzten Jahren kaum mehr Aufsehen erregen und doch begegnet sie einem immer mal wieder und zwar hauptsächlich auf der Mattscheibe. Überrascht war ich, als ich sie plötzlich als Gast bei unserem Lieblings-Alles-Gut-Finder Alfred Biolek in dessen Sendung Boulevard Bio entdeckte, aber noch mehr, als sie in einem dieser RTL-Promi-Magazinen auf irgendeinem Geburtstag eines dieser furchtbaren Schicki-Micki-Millionäre interviewt wurde. Da sieht man’s mal wieder, so gute Musik muss man auch im Metal-Bereich nicht machen, ein paar Kontakte helfen schon, damit man im Gespräch bleibt. Aber jetzt ist alles anders.

“Calling The Wild” ist grundsätzlich ziemlich vielfältig ausgefallen

Seit ich das neue DORO-Album “Calling the Wild” gehört habe, bin ich mir fast sicher, die Zielgruppe der Musik von DORO zu kennen. Es sind wohl in erster Linie die in die Jahre gekommenen und immer noch ledigen oder schon wieder geschiedenen Rock-Disco-Gänger, die auch nach Jahren der Suche immer noch hoffen, irgendwann den Traumprinzen oder die Traumprinzessin zu finden. Dabei übersieht man schon gerne mal den Bierbauch, den das offen getragene Hemd einfach nicht verbergen kann oder die dicke Schminkschicht, die das verlebte Gesicht unter den toupierten Haaren verdecken soll. Doch, das kann ich mir gut vorstellen, ein dickes, schnelles Auto, ein Mädel mit kurzem und engen Mini-Kleid auf der Beifahrerseite und dazu die neue DORO im CD-Wechsler….

Aber genug der Bosheiten, denn schließlich wollt ihr ja wissen, wie sich die neue DORO so anhört. Sie hört sich ziemlich vielfältig an und deckt ein ziemlich breites Spektrum harter Rockmusik ab. Dabei kann das Album mit seinen 15 Songs in verschiedene Sparten eingeteilt werden. Zum einen wären da mal die Coverversionen. Nun, die sind gleich mal wenig gelungen. “White Wedding” ist so was von lahm und einfallslos gespielt, dass das große Gähnen nicht lange auf sich warten lässt und vor allem DORO
selbst, deren Stimme das große Plus dieses Albums ist, enttäuscht hier ziemlich. Ähnliches gilt für den MOTÖRHEAD-Song “Love me forever” (einer meiner MOTÖRHEAD-Lieblinge), dem trotz des Mitwirkens von Lemmy Kilmister persönlich im gesanglichen, als auch im instrumentalen Bereich, der Biss und die düstere Härte, die das Original ausmachen, fehlt.

Nicht alle Songs auf “Calling The Wild” sind so gelungen wie die Ballade “Danke”

Die zweite Sparte sind die einigen Balladen auf “Calling the Wild”. Tja, Balladen kann die DORO halt machen, wobei sie auch hier immer wieder zwischen sehr und weniger guten Stücken schwankt. Zumindest stimmt hier das Gefühl, wenngleich sich für mich “Give me a Reason” oder “Black Rose” (könnte mit etwas mehr Schreigehalt fast als JENNIFER RUSH-Song durchgehen) eher als Kompositionen im Stile eines Jack White (so heißt der Mann doch, oder?) anstatt prädestinierter Metal-Ballads-Beiträge darstellen. Aber dann gibt es ja zum Glück noch “Danke” und spätestens damit befriedigt DORO das Verlangen jedes Fans, der sich schon früher bei “Für immer” eine Träne verdrücken musste. Schön, aber die Lyrics waren früher ergreifender.

Die nächste Sparte wären dann die Unsäglichen. Die Songs, die ich nie begreifen werden. Typische Studiomusiker/Produzenten-Musik. Songs, die sauber komponiert, arrangiert und eingespielt sind, dafür aber überhaupt keine Seele besitzen. Uargh, wie kann man heute noch Langweiler wie “Dedication” oder “Let me live” auf Platte pressen / CD brennen? Diese ausgelutschten Riffs, die man so sicher in jedem Anfängerkursbuch für Metal-Gitarristen findet. Meiner Meinung nach sollte auf diesen Dingern vorne ganz groß als Warnung stehen: “Wenn Sie diese Riffs einmal in Ihrer Band verwenden wollen, sollten Sie sich damit abfinden, von niemandem als Musiker ernst genommen zu werden!” Das Schlimme daran: Solche Musiker werden ja anscheinend noch ernst genommen und die Musik verkauft sich! Very unmetal!

Streckenweise verpasst DORO ihren Songs einen modernen Anstrich

Und damit sind wir schon bei Sparte vier angelangt. Darin fasse ich einfach mal die Songs zusammen, denen bewusst ein gewisser moderner Anstrich verpasst wurde, um vermutlich auch das jüngere Publikum anzusprechen. Beim Opener “Kiss me like a Cobra” ist dieser durch ein paar verzerrte Vocals noch recht dezent eingesetzt und bei der Ballade “Scarred” läuft das Ganze eher in eine entspannte “Host”-Richtung. Den Knaller gibt es aber dann mit “Ich will alles”, bei dem DORO zeigt, dass sie noch gut mit den Jungspunden der Musikszene konkurrieren kann. So schrecklich einfältig wie Tic-Tac-Toe kann DORO schon lange rappen und durch die Tatsache, dass es sich hier eigentlich um eine Rocksong handelt, ist mir dieser Song doch um einiges lieber als das Gegackere der drei Superdumpfbacken.

Hab ich noch eine Sparte vergessen? Achja, die Sparte der Songs, die in erster Linie vom Nostalgiefaktor leben und ein ähnliches Feeling erzeugen wie die Songs der ersten beiden DORO-Alben. Ja und mit “Burn it Up” will DORO sogar noch mal an alte WARLOCK-Tage anknüpfen und einen ähnlichen Hit landen, wie ihre Ex-Band mit “All we are”. Klappt eigentlich auch nicht schlecht und das stets im Hintergrund präsente Publikum gibt dem Song auch die gewisse Power. Doch mal ehrlich, wenn das nicht wäre, würde der Song
musikalisch nicht allzu viel hergeben und recht leer wirken, oder?

“Calling The Wild” ist ein solides Rock-Album, bei dem im Fall der Fälle DORO selbst die Kohlen aus dem Feuer holt

So, und damit will ich es auch gut sein lassen, bevor ich noch ernsthafte Drohbriefe von beleidigten DORO-Fans bekomme. Letztendlich ist “Calling the Wild” ein solides und abwechslungsreiches Rock-Album, das zwischen Durchschnitt, guten und sehr guten Songs schwankt, und nicht zuletzt ist es die Stimme von DORO, die die Kohlen bei einzelnen Songs aus dem Feuer holt. DORO mag ich ja nach wie vor irgendwie, die Frau hat das Herz bestimmt am richtigen Fleck und eine hervorragende Stimme, aber das ganze Drumherum stört mich bei ihr einfach ein bisschen. Durch die Heerscharen an prominenten Gastmusikern wie Bob Kulick, Eric Singer oder Slash verdichtet sich bei mir letztendlich der Eindruck, dass “Calling the Wild” eher ein Album für Leute ist, die den Glamour im Rock lieben oder bewundern und diesen gerne über die Musik selbst stellen. Und damit geht für mich vieles verloren.

Die Erbsen für dieses Review hat gezählt: Count Count

Spielzeit: 56:03 Min.
Label: Steamhammer

DORO “Calling The Wild” Tracklist

1. Kiss me like a Cobra
2. Dedication
3. Burn it Up
4. Give me a Reason
5. Who you Love
6. Scarred
7. Ich will alles
8. White Wedding
9. I wanna live
10. Love me forever
11. Fuel
12. Constant Danger
13. Now or Never
14. Danke

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