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DER WEG EINER FREIHEIT: Unstille

Das gute Gewissen der deutschen Black Metal-Szene reißt wie schon auf dem Debütalbum und "Agonie" in seinen Bann.

Ihr Debütalbum schlug ein wie eine Bombe, mit Agonie bewiesen sie, dass sie keine Eintagsfliege sind. Daher mag Unstille vielleicht ein wenig ideenlos klingen, einfach, weil der Aha-Effekt fehlt. Aber keine Sorge, DER WEG EINER FREIHEIT enttäuschen auf auf ihrem zweiten Album nicht. Unstille ist grimmiger, dramatischer, unzugänglicher und epischer als Agonie, die Grundausrichtung ist aber fast dieselbe. Weniger eine Weiterentwicklung, mehr eine Perfektionierung ihres Stils streben DER WEG EINER FREIHEIT an, somit gefallen auch diese sechs Songs wirklich gut. Eine gewisse Dramatik schleicht sich in die Musik ein. Unstille ist düsterer als die Vorgänger, meistens brutaler, aber manchmal auch sanfter. Als wäre Agonie nicht schon an sich nahezu perfekt gewesen, versuchen DER WEG EINER FREIHEIT das zu übertreffen.

Die eingängigen Momente springen nicht sofort ins Gesicht, Unstille wird aber dennoch nicht kompliziert oder unnahbar, es ist eben sehr impulsiv. Dadurch ist das Gefühl, das durch die Songs vermittelt wird, auch so authentisch. DER WEG EINER FREIHEIT mögen durch den brachialen, modernen Schlagzeugsound, durch die massiven Gitarren und den wuchtigen Bass im ersten Moment etwas kalt klingen, die Leidenschaft kann aber nicht versteckt werden. In der Dreiviertelstunde von Unstille passiert sehr viel, der Spagat zwischen bittersüßer, melodiöser Melancholie und fast tollwütiger Raserei gelingt mit scheinbarer Leichtigkeit, und immer ist Hauptakteur eine starke Emotionalität. Da ist es egal, ob Lichtmensch und Zu Grunde als bisher brutalste und böseste Stücke der Bandgeschichte durchaus schwerverdaulich wirkt oder ob das Instrumental Nachtsam zusammen mit Vergängnis auch mal ruhige Töne anschlägt und nicht selten das Tempo angenehm variiert.

Am meisten Eindruck schinden die beiden Epen Zeichen und Zerfall, die mit über zehn Minuten nie aus dem songschreiberischen Auge gelassen werden und trotz ihrer Länge keine Langeweile aufkommen lassen. Überhaupt haben DER WEG EINER FREIHEIT gerade bei den langen Songs eine innere Ruhe parat, durch die vermieden wird, dass etwas gehetzt oder eintönig wirkt. Der Aufbau der längeren Songs mit ruhigen, steigernden Teilen, mit plötzlichen Eruptionen und Explosionen, das könnte aus dem Post Rock stammen – wobei DER WEG EINER FREIHEIT mit Post Black Metal nur sehr wenig zu tun haben. Diese Aufbauten wirken wie eine Variation des skandinavischen Black Metal, ohne reißerische Effekte, ohne Netz, ohne doppelten Boden. Somit sind DER WEG EINER FREIHEIT auch auf ihrer dritten Veröffentlichung prädestiniert dazu, Zweiflern des Genres vorgespielt zu werden. Quasi als als guter Eindruck für eine oftmals zurecht und manchmal zu Unrecht in Verruf geratene Szene.

Unstille belegt, dass DER WEG EINER FREIHEIT so etwas wie das gute Gewissen der deutschen Black Metal-Szene sind. Anspruchsvolle, intensive und tiefe Songs statt rohem Dilletantismus, angenehme Zurückhaltung statt plakativem Unsinn. Kein Wunder, dass bei so einem Material die Musiker zu Höchstleistungen auflaufen. Gitarrist Nikita Kamprad führt die Band sicher an, hat viele starke Ideen und ist ein selbstbewusster, aber nicht selbstverliebter Songschreiber. Zusammen mit seinem langjährigen Gesangspartner Tobias, der sich auch hier etwas mehr traut, seine Stimme mal so einzusetzen, dass die Musik angeführt, und nicht nur unterstützt wird. Der neue Schlagzeuger, der ebenfalls auf den Namen Tobias hört, scheint für DER WEG EINER FREIHEIT ein Katalysator zu sein, denn er glänzt nicht nur mit einer sicherer Performance – die Blast Beats sind abartig sauber und kraftvoll gespielt – er hat in den weniger heftigen Teilen auch ein Händchen für den richtigen Takt, mal zurückhaltend und eher simpel gehalten, dann wieder verspielt und beeinflusst so die Komplexität der Songs.

Unstille ist objektiv gesehen das bisher Beste, was DER WEG EINER FREIHEIT zu bieten haben, der Überraschungsbonus vom Debütalbum ist natürlich weg, aber dafür scheint das, was diese Band ausmacht nun vollständig ausgereift zu sein. Fans dürfen bedenkenlos zugreifen, sich auf einerseits komplizierteres und weniger eingängiges, andererseits auf wie üblich mitreißende Material freuen. Was danach kommt ist jetzt natürlich noch nicht wichtig, aber ein wenig mehr Experimente wären von nun an ratsam, es wäre eine Schande, würde sich diese wunderbare Band totlaufen. Ob das den Genuss von Unstill ein wenig trübt? Eigentlich nicht. Denn erstens ist das Material so gut, dass es im Hier und Jetzt eine Rolle spielt und nicht an die Zukunft denken lässt, zweitens werden DER WEG EINER FREIHEIT einen Weg finden – nomen est omen -, sich frei zu schwimmen. Freunden von emotionalem, kitschfreien Black Metal ist dieses ausgezeichnet komponierte, wunderbar schlüssige Werk vorbehaltlos ans Herz zu legen.

Veröffentlichungstermin: 29. Juni 2012

Spielzeit: 46:24 Min.

Line-Up:
Nikita K. – Guitars, Bass, Lyrics
Tobias J. – Vocals, Lyrics
Tobias S. – Drums
Label: Viva Hate Records

Homepage: http://www.derwegeinerfreiheit.de/

Mehr im Netz: http://www.facebook.com/derwegeinerfreiheit

Tracklist:
1. Zeichen
2. Lichtmensch
3. Nachtsam
4. Zu Grunde
5. Vergängnis
6. Zerfall

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