Auch unsere Freunde der Hydrokulturen werden nicht jünger. Seit fast zwanzig Jahren erfreuen sich CEPHALIC CARNAGE an Blast Beats, verrückten Riffs, irren Twists, ausgedehnten Touren und einem guten Zug an der Bong, doch ihr mittlerweile sechstes Album Misled By Certainty ist das deutlich gemäßigste. Das bedeutet nicht, dass hier Easy Listening entsteht, aber dass sich die Jungs aus den Rocky Mountains schon deutlich die Hörner abgestoßen haben. Vorbei die Zeit von unnachvollziehbare Twists und schrägem Gitarrengewichse, das nur entstehen kann durch das vollkommene Übertreiben von Experimenten, die jedem Schützer des Betäubungsmittelschutzgesetzes vor Schock erbleichen lassen würden.
Nein, Misled By Certainty ist eine überraschend erwachsene Scheibe, bei der mehr Wert auf reifes und spannendes Songwriting gelegt wird, als auf Effekte, Jokes oder Ähnliches. Das wird deutlich, da CEPHALIC CARNAGE viele recht lange Songs bieten und ihren Riffs und Parts Zeit zur Entwicklung zugestehen. Das wird gleich beim Eröffnungsdoppel The Incorrigible Flame und Warbots A.M. deutlich, das eher ATHEIST-Riffing bietet, statt voll loszuballern. Raped By An Orb, und das mit einem bekifften Singalong ausgestattete When I Arrive setzen dies fort, Cordyceps Humanis, Dimensional Modulation Transmography gehen sogar noch weiter und bieten dunke, Sludge-orientierte Kost, nicht so extrem wie auf Halls Of Amenti, aber immerhin.
Dennoch gibt es ihn auch auf Misled By Certainty, den CEPHALIC CARNAGE-typischen, abgedrehten Hirnfick. Abraxas Of Filth und Ohrwurm mit seinem irren Saxophon-Solo bieten extreme Frickeleien, die kurzen Nummern Pure Horses, P.G.A.D. und Power And Force zeigen die fünf aus den Rocky Mountains wieder in Chaos-Grind-Action. Als gäbe es hier nicht eh schon genügend Kraut und Rüben, haben CEPHALIC CARNAGE noch einen dicken Trumpf in der Hinterhand: Das knapp zwölfminütige Repangaea ist ein episches Stück, das gleichermaßen dramatisch wie melodisch und anspruchsvoll ist, und alles schlägt, was diese Band bisher gemacht hat, MASTODON-Hommage inklusive. Die Sternstunde des Albums, ganz eindeutig.
CEPHALIC CARNAGE haben mit Misled By Certainty einen großen Schritt nach vorne getätigt, ob es an dem neuen Gitarristen Brian Hopp liegt, oder daran, dass die Band dank der vielen Touren nun etwas gezielter ihre Songs schreibt sei dahin gestellt. Fakt ist, dass die technischen Fähigkeiten der Band ganz und gar nicht eingerostet sind, die Gitarren spielen, wenn es sein muss immer noch auf Überschall, Schlagzeuger John Merryman bietet wieder alle möglichen krummen Rhythmen, gerne auch in Lichtgeschwindigkeit und Sänger Lenzig Leal bietet mit seinem Mix aus Gegrunze, Geschrei und klarem Gesang seine bisher reifste Leistung.
Never change a winning team – deshalb haben die US-Extrem Metaller wieder einmal auf die Dienste von Dave Otero zurück gegriffen, der die Band mittlerweile aus dem Effeff kennt und einen perfekten, maßgeschneiderten Sound bietet. Somit verkommt Misled By Certainty trotz anfänglicher Skepsis zu einem wie immer unglaublich starken Album, das vor Kreativität und Spielfreude übersprudelt, nur dieses Mal eben etwas logischer ist, als Xenosapien und Lucid Interval. Ob es mit Anomalies mithalten kann, wird der Langzeittest zeigen, Fakt ist jedoch, dass Freunde von CEPHALIC CARNAGE hier blind zugreifen können und auch trotz dem nicht ganz schlüssigen Gesamteindruck eine Stunde lang bestens unterhalten und gefordert werden.
Veröffentlichungstermin: 3. September 2010
Spielzeit: 53:36 Min.
Line-Up:
Leonard Leal – Vocals
Steve Goldberg – Guitar
Brian Hopp – Guitar
Nick Schendzielos – Bass, Backing Vocals
John Merryman – Drums
Produziert von Dave Otero
Label: Relapse Records
Homepage: http://www.cephaliccarnage.net
MySpace: http://www.myspace.com/cephaliccarnage
Tracklist:
1. The Incorrigible Flame
2. Warbots A.M.
3. Abraxas Of Filth
4. Pure Horses
5. Cordyceps Humanis
6. Raped By An Orb
7. P.G.A.D.
8. Dimensional Modulation Transmography
9. Ohrwurm
10. When I Arrive
11. Power And Force
12. A King And A Thief
13. Repangaea
14. Aeyeuchg!