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CELESTE: Animale(s)

Die Pornografie des Geschlechterkampfes: Eine de Sadeske Bestialität, entfesselte Triebhaftigkeit entgegen aller Ratio, konkurrenzlos ambitioniert und authentisch im extremsten Metal- und Hardcore-Bereich.

Oh du Triebhaftigkeit, wie sehr du uns erinnerst, dass wir nicht besser oder schlechter sind als die Vertreter des Tierreichs. Die Arterhaltung als einziges Ziel haben wir längst hinter uns gelassen, aber wehe, wir lassen die Bestie in uns heraus! Wehe, wir vergessen Vernunft und Rationalität! Die Entfesselung trägt oft seltsame, meistens jedoch gefährliche Blüten. Vergessen wir uns selbst, werden wir zu Mördern und Vergewaltigern. Wenn menschliche Grundsätze über Bord geworfen werden, egal ob im Krieg oder im Schlachthaus, wird der Mensch zu einer gefährlicheren Bestie als jedes Raubtier. Begegnen wir einmal bewusst dieser Seite, die in allen von uns schlummert, in ihrer ganzen Schlechtheit, Hässlichkeit und Wildheit. CELESTE machen daraus Kunst. Etwas schauderhaft Wunderschönes.

Triebhaftigkeit ist vielleicht der Grundstein für CELESTE, die mit Animale(s) eine Liebesgeschichte erzählen. Die Mär der Romantik hat dabei allerdings keine Chance. Wir kennen CELESTE nicht erst seit gestern, wir wissen, dass ihr neues Album ein neuerliches Zerreißen bedeutet. Und wenn sich eine Band wie CELESTE es sind weit über drei Jahre Zeit für ein Album nehmen, dann dürfen wir getrost annehmen, dass sie zum Rundumschlag ausholt. In der der Tat: Wie ein wildes Tier, dass sich auf seine Beute stürzt, geben die vier Musiker den Weg zweier Menschen vor, die sich gegenseitig zerfetzen. Zwischen Lust und Raserei porträtiert Animale(s) den schmalen Grat zwischen Mensch und Tier, zwischen Mann und Frau. CELESTE sind so schwer, wie das Herz des Mannes, der seine Frau für eine schönere verlassen wird und so wild wie die Rache der Verratenen. Animale(s) ist dabei ironischerweise das am meisten gezügelte Album der Band aus Lyon. Inwiefern?

Die Dynamik, die langsam in Morte(s) Nee(s) Einzug hielt wird ausgebaut. Ein paar Momente mehr um Luft zu holen. Die rasende brutale, undurchdringlich schwarze Hardcore-Black Metal-Seite der Band wird erweitert durch mehr Doom und Sludge, durch ein paar leisere Momente hier und da. Ein wenig Dramatik, um die ungebremste Gewalt ein wenig erträglicher zu machen. Natürlich haben sich CELESTE nicht verändert. Ihre Musik ist immer noch bitterer als alles andere, sie schwankt zwischen Chaos und Heaviness, die Riffs fressen sich ins Gehirn, das Geschrei gleicht Peitschenhieben und das Schlagzeug treibt den Hörer unbarmherzig vor sich her. Selbstredend entstehen hier keine Songs, die schnell ins Ohr gehen. Viel mehr sind sie ein Martyrium, die erfreulich impulsiv sind und derer man sich nur sehr langsam annähern kann. Aber es gibt auch Stücke, die sofort eine ungeahnte Durchschlagskraft besitzen: Laissé pour compte comme un bâtard, Au pied d´une bicoque peu séduisante, Sans crainte de s´avouer un jour naufragée, Cette silhouette paumée et délabrée qui sanglote et meurt und Empreinte d´érotisme kann man sich beim besten Willen nicht entziehen.

CELESTE entmystifizieren jegliche zwischenmenschliche Romantik in zwei Akten. Die knapp siebzig Minuten, die Animale(s) dauert, hätten locker auf eine CD gepasst. Gut dass dem nicht so ist. Einerseits müssen beide Seiten – die wilde und misanthropische des ersten Albums und die verzweifelte, impulsive des zweiten Albums – für sich stehen. Daneben verstehen CELESTE es immer noch unerbittliche, brutale und bedingungslos schwarze Musik zu schreiben, die in der Länge von über einer Stunde schier unkonsumierbar wird. Ein kurzes Durchschnaufen wirkt hier Wunder, um an dieser entfesselten Boshaftigkeit nicht zugrunde zu gehen. D´errances en inimitiés, das Instrumental (Y) und auch das dramatische, bisweilen sogar zarte Outro spielen hier Schlüsselrollen, ohne jedoch den Gesamteindruck zu verwässern. Was bleibt ist klar: Keiner kommt hier lebend raus. CELESTE verschonen keinen. Das Martyrium dauert einfach nur länger und ist unterm Strich erheblich grausamer.

Auch wenn Animale(s) verglichen mit den Frühwerken von CELESTE noch am bravsten ist, hier wird keine Rücksicht auf Gefühle genommen. Die Konsequenz daraus: Nicht einmal Misanthrope(s) hat so sehr runtergezogen. So wird das vierte Album von CELESTE zum provokanten Gesamtkunstwerk für diejenigen, die sich in diesen pechschwarzen Strudel nicht hinunter ziehen lassen. Es ist eine de Sadeske Bestialität, die CELESTE entfachen, entfesselte Triebhaftigkeit entgegen aller Ratio, konkurrenzlos ambitioniert und authentisch im extremsten Metal- und Hardcore-Bereich. Animale(s) ist ein Sinnbild für die Konfrontation zwischen Mensch und Tier, zwischen den Geschlechtern untereinander. Passend dazu ist das Artwork erneut wunderschön und und hat genügend Potenzial, den Betrachter schaudern zu lassen. Wie üblich verstören CELESTE, dringen in die Komfortzonen des Menschen ein und pervertieren sie. Das hier ist die völlige Bloßstellung einiger der echtesten, tiefsten, fürchterlichsten menschlichen Gefühle. Die Pornografie des Geschlechterkampfes.

Veröffentlichungstermin: 22. November 2013

Spielzeit: 33:00 + 36:12 Min.

Line-Up:
Johan – Vocals, Artwork
Guillaume – Guitar
Antoine – Bass Guitar
Royer – Drums
Label: Denovali Records

Homepage: http://celestes.bandcamp.com

Mehr im Netz: http://www.facebook.com/celesteband

Tracklist:
CD1:
1. Laissé pour compte comme un bâtard
2. Au pied d´une bicoque peu séduisante
3. Sans crainte de s´avouer un jour naufragée
4. (X)
5. Tes âmes soeurs immaculées
6. Dans ta salive, sur sa peau

CD2:
1. D´errances en inimitiés
2. Cette silhouette paumée et délabrée qui sanglote et meurt
3. Empreinte d´érotisme
4. (Y)
5. Serrés comme son coeur lacéré
6. Outro

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