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BORIS: Attention Please & Heavy Rocks

Man braucht schon einen offenen und schrägen Geschmack, um Fan dieser Band zu sein. Diese bekommen mit "Heavy Rocks" das, was sie von den Japanern kennen und mögen, und mit "Attention Please" mal ganz neue Klänge, die ihren ganz eigenen schrägen Charme haben.

BORIS ist eine dieser Bands, bei der man als normaler Metaller eher abwinkt, und die trotzdem einen unumstößlichen Kultfaktor und eine treue Fangemeinde hat. Nun ja, zu letzterer gehöre ich nicht, aber wer auf schräge und derbe japanische Musik (oder gern auch entsprechende Filme) steht und den Sinn dahinter versteht, der kennt und mag wahrscheinlich auch einige der zahllosen Alben, Splits und Samplerbeiträgen der Band aus Tokio, die auch schon fast 20 Jahre aktiv ist. Nun stehen gleich zwei neue Alben an, wobei Heavy Rocks in die eher vertraute Richtung geht, Attention Please dagegen neue Wege geht, was bei dem eh schon bunten Treiben der Band noch mal einen neuen Farbtupfer in der Bandgeschichte gibt.

So zeigt sich die Band mit Attention Please von einer überraschend poppigen, ruhigen und fast einfühlsamen Seite. Da klingt der Opener fast nach Lounge-Musik, man fühlt sich in einem Chromglänzenden In-Schuppen irgendwo im bunt schillernden Tokio. Wie auf dem ganzen Album darf  hier endlich mal Wata nahezu durchgehend ihre Stimme erklingen lassen, bisher hatte man das Vergnügen eher nur als Backgroundsängerin. Für Europäische Ohren klingt ihre Stimme natürlich schief, komisch, vielleicht auch nervig, aber einen gewissen Charme kann man ihr nicht absprechen. Wer wirklich guten Gesang will, der liegt hier voll daneben, aber solche Leute hören ja auch nicht BORIS. Hope wird dann sogar etwas treibender, aufgepeppt mit kurzem Heavy-Riff, auch Party Boy pumpt kräftig, bekommt ebenso ein Heavy-Riff verpasst, das sich mit nöligem Gesang und Nintendo-mäßigen Synthie-Spielchen paart. Es folgen zwei Songs, die einem eiskalte Schauer über den Rücken jagen, wie ein Soundtrack zu typischen japanischen Gruseldämonenfilme klingen, wobei Tokio Wonder Land richtig fies daher kommt und den Besuch beim Psychotherapeuten unumgänglich macht. Dagegen überrascht das wirklich schöne und mit betörendem Gesang geschmückte You geradezu, erinnert an typische japanische Fantasyfilme, wo die zarte mystische Lady den Helden umgarnt und zum Ende hin die diabolischen Krallen ausfährt – so tut es auch dieser Song. Ebenso überrascht Aileron mit schönen akustischen Klängen, das ist fast normale Musik und fast zu schön, um wahr zu sein. Ist es aber, denn es steht auch noch mal auf dem Heavy Rocks-Album. Zum Ende des Albums wird alles noch mal etwas lauter, krachiger und ungemütlicher, abgesehen vom ruhigen Schlusstrack Hand In Hand. Die ruhigen Töne auf Attention Please werden die Fans überraschen und die Band für neue Leute interessant machen. Auch die allzu schrägen oder derbe brachialen und krachigen Elemente, für die die Band steht, finden hier kaum statt. Zudem verleiht der Gesang von Wata den Songs immer etwas eigenes, besonderes, dem man sich nicht wirklich entziehen kann. Nicht schön, aber irgendwie doch, nicht gut, aber doch fesselnd, und eben vor allem total uneuropäisch kriegt man hier ein durchaus interessantes Gesamtpaket, das seine Faszination eben aus diesem Anderssein gewinnt. Wer die Japaner mag, der findet sie trotz der fast poppigen Ausrichtung auch hier wieder und wird die neue Variante sicher mögen. Und wer schon mal ´ne Kuschelrunde mit einer Japanerin hatte, der weiß, dass dies genau der richtige Soundtrack dafür ist.

Mit Heavy Rocks hingegen bewegen sich BORIS wieder in vertrauten Lärmgebilden. 2002 gab es bereits ein Album mit dem gleichen Titel, aber anderen Songs, wieso weshalb warum das neue Album ebenso heißt, das weiß man wohl nur in Japan. Selbst das Cover ist dem alten Album angepasst und zeigt sich diesmal statt im grellen Orange im quitschigen Lila. Der Titel passt aber auch hier, denn schon zu Anfang wird man mit fetten Heavy-Riffs  zugedröhnt. Das Album wandert wieder bunt durch Sludge, Drone, Noise und allerlei simplen Metal. Leak – Truth.yesnoyesnoyes klingt so unschlüssig wie das typische JaNein, das Mann so oft von den Frauen hört. Was hier melodisch sein soll, das sind unzählige schräge Leads, die niemand mit normalem Musikverstand so auf ein Album packen würde. Außer eben, man heißt BORIS! Galaxians klingt wie ein punkiger Besuch auf einem japanischen Rummelplatz, Jackson Head klingt wie ein Classic Rocker, wie ein – die KISS-Army möge mir verzeihen – ausgeflippter ACE FEHLEY nach wieder mal zu viel Sake. Es gibt eine verträumte, fast  psychedelische 70ies Ballade und zum Abschluss gar einen kurzen Oldschool-Thrasher Marke KREATOR im Proberaum VOR dem allerersten Blitzkrieg-Demotape. Aber auch sie gibt es: die 12-Minuten Sludge-Walze, Doom, der selbst Godzilla zerbersten lassen würde, genau da zeigen die Japaner ihre wirkliche Macht. Denn eigentlich bieten sie nicht viel, zu unsauber und unspannend kommen die Instrumente, die Vocals der Herren und Dame klingen nie gut, das Songwriting würde hier bei uns kaum reichen, um eine Demo-Band auf das nächste Level zu bringen. Und doch schaffen es BORIS, dass man sich diesem bunten, uneinigen Mischmasch aus harten Klängen hingibt – sofern man denn den Sinn in dieser typisch japanischen Ausdrucksform erkennt, was sicher nicht jedem gegönnt ist.
 
Wer auf laute Musik und die (für uns) sonderbare japanische Ausdrucksform steht, der kommt nun mal an BORIS nicht vorbei. Man braucht schon einen offenen und schrägen Geschmack, um Fan dieser Band zu sein. Diese bekommen mit Heavy Rocks das, was sie von den Japanern kennen und mögen, und mit Attention Please mal ganz neue Klänge, die ihren ganz eigenen schrägen Charme haben. Da kann man sich auch ran wagen, wenn man BORIS noch nicht kennt, und auf diesem Umweg die Band vielleicht für sich entdecken möchte. Nun ja, die Fans müssen natürlich bei beiden Alben zugreifen.

Veröffentlichungstermin: 17.06.2011

Spielzeit: 41:20 / 52:06 Min.

Line-Up:
Takeshi – Bass, Vocals
Wata – Guitar, Vocals
Atsuo – Drums, Vocals

Label: Sargent House

Homepage: http://homepage1.nifty.com/boris

Mehr im Netz: http://www.myspace.com/borisdronevil

Tracklist:
Attention Please:
1. Attention Please
2. Hope
3. Party Boy
4. See You Next Week
5. Tokyo Wonder Land
6. You
7. Aileron
8. Les Paul Custom ´86
9. Spoon
10. Hand in Hand

Heavy Rocks:
1. Riot Sugar
2. Leak – Truth.yesnoyesno
3. GALAXIANS
4. Jackson Heads
5. Missing Pieces
6. Key
7. Window Shopping
8. Tu, la la
9. Aileron
10. Czechoslovakai

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