BOB CATLEY: Middle Earth

Die dritte Veröffentlichung, die unter dem Namensbanner der ehemeligen MAGNUM-Stimme erscheint, hinter dem aber vor allem Gary Hughes von TEN steckt. Als Keyboarder, Produzent und Songwriter in Personalunion verläßt sich der blondgelockte Musiker voll und ganz auf die Formel, die auch schon auf den Vorgängern ganz ausgezeichnet funktioniert hat. Und die lautet: M+A+G+N+U+M…

Im Oktober 1999 kam, was kommen musste. Und das schneller als gedacht: Nach nur zwei Alben hat Bob Catley HARD RAIN und seinem langjährigen Weggefährten Tony Clarkin den Rücken gekehrt. Eine weise Entscheidung, mögen jene Hörer denken, die die kraftvolle Stimme des kleinen Mannes schon zu glorreichen MAGNUM-Tagen kennen und lieben gelernt haben. Und zwar zu einer Zeit, als Clarkin noch nicht auf gutgelaunten, instrumental sicherlich überdurchschnittlich inszenierten, aber kompositorisch weitgehend harm- und belanglosen AOR setzte, sondern episch angehauchte Rock- und Hard Rock-Alben vom Schlage eines “On A Storyteller’s Night” oder “Chase The Dragon” schuf.

Alben, deren Songs wie maßgescheidert waren für einen Sänger wie Catley. Keine Frage, einem Routinier wie ihm fiel es nicht schwer, auch beim Quasi-MAGNUM-Nachfolger HARD RAIN zu überzeugen, doch etwas fehlte. Wo war die Inbrunst, das Feuer? Wo waren die großen Gesten der Vergangenheit? Ihnen war kein Raum mehr geblieben. Songwriter und Gitarrist Clarkin hatte die Heldenstimme Catleys in ein Korsett aus radiogerechten Rockstandards gesperrt, das deren Möglichkeiten nicht einen Moment gerecht werden konnte. Unter all den Fans, die den alten Zeiten nachtrauerten, war auch ein britischer Musiker namens Gary Hughes, dessen Band TEN in Japan längst Starstatus innehatte. Ein Musiker, der die Überzeugungskraft besaß, den Sänger zu einer Kooperation zu bewegen. Und der – nicht minder wichtig – das Talent besaß, Catley endlich wieder DEN musikalischen Rahmen bereitzustellen, den ein Interpret wie er benötigt, um sich zu entfalten.

Tolkiens Mittelerde eignet sich  ausgezeichnet für die Inszenierung von Catleys Stimme

“Middle Earth” ist nun die dritte Veröffentlichung, die zwar unter dem Namensbanner der ehemeligen MAGNUM-Stimme erscheint, für deren Ausgestaltung aber vor allem Gary Hughes verantwortlich ist. Als Keyboarder, Produzent und Songwriter in Personalunion verlässt sich der blondgelockte Musiker voll und ganz auf die Formel, die auch schon auf den beiden Vorgängern “The Tower” und “Legends” ganz ausgezeichnet funktioniert hat. Und die lautet: M+A+G+N+U+M, abzüglich allerdings der textlichen Tiefe, die Tony Clarkin trotz theatralischer Musikattitüde stets in seine Texte einzubringen vermochte. Stattdessen muss in Sachen Inspiration mal wieder Mr. Tolkien und seine ausgefeilten Fantasywelten herhalten, der sich – ungeachtet einer gewissen konzeptionellen Abgegriffenheit – ganz ausgezeichnet für die melodisch-heroische Inszenierung Catleys Stimme eignet.

Auf “Middle Earth” lebt also einmal mehr die gute alte Zeit auf, inklusive allem, was dazu gehört. Für großflächige Keyboardbänke sorgt Hughes himself, sein TEN-Kollege Vinny Burns leistet als Tony Franklin-Epigone ganze Arbeit, und das Songmaterial strotzt nur so vor opulenten Musikmärchen und dramatisch inszenierten Pomp-Rockern.

Auf “Middle Earth” gibt es Bombast genauso wie erhabene Melodielinien

Der Opener “The Wraith Of The Ring” und das folgende “The Fields Recall” gehören eindeutig zu dieser Gattung, und hätten mit ihren hymnischen Refrains insbesondere auf den MAGNUM-Frühwerken eine ausgezeichnete Figur gemacht. Das beschwingt-melodische “Emissary” schließt dann zur etwas geradlinigeren “On A Storyteller’s Night”-Ära auf, erinnert im Einstieg allerdings auch an die frühen Bombast-Orgien eines Jim Steinman, die dieser einst mit einem noch jungen, leicht übergewichtigen Herren namens MEAT LOAF und auf einem Album namens “Bat Out Of Hell” veranstaltet hat.

Auf “Against The Wind” stößt die britische Art Rock-Lady Tracy Hitchings zum illustren Musiker-Kreis hinzu, mit der Catley auch schon beim Jabberwocky-Projekt Clive Nolans (u.a. ARENA) und Oliver Wakeman zusammengearbeitet hat (und das – am Rande bemerkt – demnächst wieder gen Studio ziehen wird). Der Song entpuppt sich dennoch als Schwachpunkt auf “Middle Earth”, plätschert er doch allzu harmlos vor sich hin. Ganz anders das dreiteilige “Where You Lead I`ll Follow”: zurückhaltend, aber majestätisch rockend und mit erhabenen Melodielinien und einem noch erhabenerem Refrain versehen. Fraglos der Höhepunkt des Albums – und seinen Protagonisten angemessen, handelt er doch von Gandalf und Aragon, den zwei wohl interessantesten Charakteren der “Herr der Ringe”-Trilogie.

“Middle Earth” bewegt sich nahe am grenzenlosen Kitsch

“Return Of The Mountain King” hält die feierliche Stimmung aufrecht und wächst rasch zu einem typischen MAGNUM-Rocker mit Mitsing-Appeal an, während die Opulenz-Ballade “The End Of Summer” Elfen-Lady Galadriel huldigt und leicht melancholische, aber alles andere als weinerliche Töne anschlägt. Ein weiterer Höhepunkt, dessen Refrain das Prädikat ergreifend verdient. Mit “This Gallant Band Of Manic Strangers” folgt der rasanteste Song des Albums, und man sieht die heldenhaften Ring-Gefährten förmlich in die große Schlacht gegen die finsteren Horden Mordors ziehen. “The Fellowship” lässt das Album schließlich besinnlich, aber gewohnt orchestral ausklingen.

Sicher, “Middle Earth” bewegt sich so nahe am grenzenlosen Kitsch, wie es Rock nur tun kann. Hughes und Catley haben wahrlich nichts ausgelassen, um dem Wörtchen pompös eine angemessene musikalische Bedeutung zu geben, und der moderne Hörer mag sich von dieser geballten Ansammlung pathosschwangerer Gesten, die – ohne jeden Anflug eines wahrhaften emotionalen Ausdruckes – Fantasy-Theater-Musik in Reinkultur zelebrieren, angewidert abwenden.

“Middle Earth” ist ein Album für Tagträumer

Aber verdammt, ich mochte MAGNUM schon immer, und ich mag auch dieses Album! Und wer – ebenso wie ich – zu jener Sorte unverbesserlicher Tagträumer gehört, die sich in manch’ alters-infantiler Stunde immer noch mitsamt Schwert und Mithril-Gewand gen Mittelerde träumen und dort Seite an Seite mit Elfen, Zwergen und Hobbits den Schergen Saurons eins auf den hässlichen Deckel geben, die werden mich verstehen. Und die werden den beiden Herren ihre anachronistischen Klangschwärmereien ebenso verzeihen wie den leicht angestaubt wirkenden Sound dieses Albums…

Veröffentlichungstermin: 26.03.2001

Line-Up:

Bob Catley – vocals
Gary Hughes – keyboards and backing vocals
Vinny Burns – guitar
Jon Cooksey – drums
Steve McKenna – bass

Produziert von Gary Hughes
Label: Frontiers

BOB CATLEY “Middle Earth” Tracklist

1.The Wraith Of the Rings
2.(i)The Fields That I Recall (ii) Emissary (iii) The Fields That I Recall (Reprise)
3.City Walls
4.Against The Wind
5. (i) Where You Lead I`ll Follow (ii) Stormcrow And Pilgrim (iii) Where You Lead I`ll Follow (Reprise)
6.Return Of The Mountain King
7.The End Of Summer (Galadriel`s Theme)
8.This Gallant Band Of Manic Strangers
9.The Fellowship

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