AMORAL: Wound Creations

Musikalisch versiert, technisch veredelt – melodischer Death Metal für Klangästheten.

„Wound Creations kann man eigentlich schon als zweiten Versuch bezeichnen, auch wenn es das Debüt der Finnen AMORAL ist. Denn Spikefarm Records ist das zweite Label auf dem das Album veröffentlicht wird. Zuvor hatte die Band schon einen Deal mit dem kleinen Label Rage of Achilles, den man aber aufgrund von finanziellen Problemen auflöste.

Spikefarm kann über diese Fügung mehr als glücklich sein, denn mit AMORAL hat nun eine durchaus attraktive Band den Weg auf das Label gefunden. AMORAL verstehen von ihrem Handwerk einiges. Der melodische wie technische Death Metal, der öfter an DEATH mit alter IN FLAMES Harmonik erinnert, ist technisch gesehen nicht nur einwandfrei, sondern bemerkenswert. Präzise und mit einem griffigen Gitarren-Sound, der auch nicht ausdünnt, wenn man sich mal von den ganz Tiefen Saiten aufwärts bewegt, ist bereits das Intro The Verge eingespielt. Auch die Blastbeat-Philosophie ist für Musik Ästheten akzeptabel: wenn, dann präzise.

Die Band versteht es zur richtigen Zeit die richtigen Akzente zu setzen. So wird die Musik mal eher durch Riffing, zu dem man bei den ganzen kleinen Fills nicht straight sagen kann, oder auch durch gelöste harmonische Strukturen bestimmt. Weil die Band dabei nicht einfach zwischen diesen beiden Modi hin und her schaltet, sondern fließende Übergänge kreiert und auch etwas mit ihren technischen Möglichkeiten, spielerisch wie elektronisch, anzufangen weiß, entsteht ein wunderbar hörbares Album, das anspruchsvoll und überraschend ist. Überraschend, weil auf fiese, binäre Rhythmik mal vielschichtige, verschachtelte Passagen mit massig Details, mal Blastbeats oder auch harmonische Entspannung folgt. Das Erscheinungsbild und die Reihenfolge variiert dabei oft. Zu manchen Bildern kann man sogar sagen: smooth angejazzt. Sänger Niko Kalliojärvi integriert sich, egal wie die Musik aussieht, zu jeder Zeit mit seinen tiefen Growls perfekt in das Gesamtbild.

Der 8-Minuten-Track The Last Round nutzt die Spielzeit und gleitet vom einen Thema ins nächste, anstatt mit ständigen Wiederholungen, überspannten Spannungsbögen und mit Spur für Spur aufgebauten Grooves – Stichwort Musikmaker – zu nerven. Vielleicht kommt dadurch die Dramaturgie etwas zu kurz, aber hier stimmt die These: Der Track ist so gut wie die Summe seiner Töne.

Als Beispiel für die bereits angesprochene, geschmackvolle Effekt-Benutzung sei Distract angeführt. Besser kann man einen Flanger-Effekt kaum anwenden. Es klingt einfach klasse, wie sich die Gitarre mit dem Effekt gegen die Rhythmussektion stellt. In dieser Form sind Effekte als elektronische Hilfsmittel eine Bereicherung für die Musik.

Ein Höhepunkt des Albums ist der Bonustrack Metamorphosis, der die stärkste Dramaturgie auf Wound Creations aufweist und dabei keineswegs die anderen positiven Elemente von AMORAL unter den Teppich kehrt. Interessant sind vor allem die vielen unauffälligen Klänge, die die Band beimischt, um die starke Wirkung des atmosphärischen Intros zu verstärken. Diese Herangehensweise zeichnet das gesamte Album aus und zeigt, dass sich Technik und Gefühl musikalisch gesehen keineswegs ausschließen müssen, denn das Resultat der Akribie spricht für sich.

Anzumerken ist, dass man Wound Creations eigentlich nicht Song-by-Song hört, sondern jeder Track irgendwo seinen Beitrag zum Sound und damit dem Gesamtbild von AMORAL liefert. Würde man nicht das komplette Album hören, so würde mindestens ein Puzzleteil fehlen. Deshalb sei es an dieser Stelle absolut empfohlen, die ganze Platte mal anzuhören. Es sei denn, man hegt eine absolute Aversion gegen progressive Ansätze und schreckt vor schnellen Gedankengängen zurück. Wound Creations ist trotz oder gerade wegen der hervorragenden musikalischen und technischen Präsentation ein herausragendes Album. Musikalisch versiert, technisch veredelt – melodischer Death Metal für Klangästheten.

Veröffentlichungstermin: 25.10.2004

Spielzeit: 52:31 Min.

Line-Up:
Niko Kalliojärvi – Vocals

Ben Varon – Guitar

Silver Ots – Guitar

Erkki Silvennionen – Bass

Juhana Karlsson – Drums
Label: Spikefarm Records

Homepage: http://www.amoralweb.com/

Email: ben.amoral@mail.com

Tracklist:
1. The Verge

2. Atrocity Evolution

3. Silent Renewal

4. Solvent

5. The Last Round

6. Other Flesh

7. Distract

8. Nothing Daunted (Gallows Pole Rock `n Roll)

9. Languor Passage

— Bonus Track —

10. Metamorphosis

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