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AMENRA: Mass V

Jenseits aller Schmerzgrenzen: AMENRA martern sich selbst und ihre Hörerschaft mit einem unwahrscheinlich brutalen, schweren Album voller Kontraste.

Das Schmerzlichste an Mass V ist sein abruptes Ende, da hätte noch mehr kommen müssen. Die Heaviness, die von AMENRA auf Mass V ausgeht, ist unerträglich, und dann, wenn Nowena | 9.10 schließlich endet, dann ist die folgende Stille der brutalste Moment überhaupt. Die fünf Belgier scheuten nie den Weg des Schmerzes, marterten nicht nur andere, sondern vor allem sich selbst. Mass IIII, das vor viereinhalb langen Jahren der damals passende Soundtrack zur rituellen Selbstgeißelung war, ist nun Geschichte. Und obwohl wir dieses Album nach wie vor heiß und innig lieben, fegt uns Mass V mit einer unvorstellbaren Durchschlagskraft, voller unbarmherziger Gewalt weg. Es mögen nur vier Songs sein, die AMENRA parat haben, es sind nur vierzig Minuten, die wie ein Bleiregen über uns ergehen, aber glaube mir, die Intensität ist kaum zu übertreffen.

Und all das, obwohl Mass V so leise sein kann, wie es AMENRA bisher noch nicht gezeigt haben. Über weite Strecken sind die vier Songs unerträglich ruhig und schüren die Angst – oder vielleicht auch das Verlangen – nach der nächsten Eruption. So nah am Sludge und Doom waren AMENRA außerdem noch nie. Die Kontraste sind auf Mass V teils enorm, manchmal sind die Brüche in den Songs stark, zusammen passen die verschiedenen Puzzleteile doch immer, um ein großes, dunkles Gesamtbild zu formen. Das vierte Full-Length-Album von AMENRA klingt als Ganzes gesehen ganz hermetisch, es ist unwirtlich, kalt, unendlich bedrückend und fatalistisch. Mass V endet nicht, wie sonst so oft bei Bands aus dem langsamen Bereich, dann doch irgendwie versöhnlich, sondern bleibt konsequent negativ. Ich hoffe, dass das Leben der Musiker, der gepeinigten Männer hinter AMENRA, wenigstens ihr persönliches Happy End findet. Den Schmerz, der hier ausgedrückt wird, sollte niemand erfahren müssen.

Matthieu Vanderkerckhoves Riffs sind nach wie vor teils dissonant, teils episch und melodiös. Ob der derbe Sludge-Anteil, der dies umspielt, von seinem neuen Partner an der Gitarre Lennart Bossou stammt, sei dahin gestellt. Fakt ist, dass die Gitarren hervorragend miteinander harmonieren, und dass die Epik gut zu den reduzierten, leisen Stellen und den alles zermalmenden Eruptionen passt – dazu passt, dass Schlagzeuger Bjorn Lebon ebenfalls sehr minimalistisch spielt. Und auch wenn Sänger Colin verhältnismäßig wenige Einsätze hat, sein leiser, melodischer Gesang geht ebenso unter die Haut, wie das markerschütternde, hysterische Geschrei. Dearborn And Buried mit seinem Mittelteil, der ein wenig an MINSK erinnert, das zeremonielle und sich extrem langsam aufbauende und schließlich doch treibende A Mon Ame, und natürlich die unglaublich brutalen Stücke Boden und Nowena | 9.10 explodieren förmlich im Herzen des Hörers und lassen es in tausend Teile zersplittern. Nicht zuletzt durch die Produktion vom Meister Billy Anderson wird der Geist der Musik in all seiner schmutzigen Schönheit eingefangen und sogar ein wenig verstärkt.

AMENRA sind nun da angelangt, wo NEUROSIS von 1992 bis 1996 waren, denken Through Silver In Blood nur noch ein wenig weiter und bleiben letztendlich doch sie selbst. Die Gitarren und der Gesang erleben eine Weiterentwicklung, das unnachahmliche Geschrei und die leidenschaftlichen Riffs zeichnen die Musik der Belgier aber immer noch aus. Verstörend, mitreißend, reinigend, bewusstseinserweiternd sind AMENRA, die wollen, dass wir den Verfall ihrer Seelen spüren. Die Unschuld ist schon lange tot, es klingt so, als habe es sie nie gegeben. Wo andere versuchen, mit billigen Tricks Heaviness und Schmerz zu erzeugen, verlassen sich AMENRA auf das, was in ihnen selbst schlummert. Es müssen furchtbare Albträume sein, die diese Band quälen. Dass wir in düsteren Zeiten leben, ist keine Neuigkeit. AMENRA aber haben noch nie die Sonne gesehen.

Veröffentlichungstermin: 30. November 2012

Spielzeit: 40:38 Min.

Line-Up:
Colin H van Eeckhout – Vocals
Mathieu Vandekerckhove – Guitars
Lennart Bossu – Guitars
Levy Seynaeve – Bass
Bjorn Lebon – Drums

Produziert von Billy Anderson
Label: Neurot Recordings

Homepage: http://www.churchofra.com

Mehr im Netz: http://www.facebook.com/churchofra

Tracklist:
1. Dearborn And Buried
2. Boden
3. A Mon Ame
4. Nowena | 9.10

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