AKERCOCKE: Choronzon

Englische Gentlemen auf dem absteigendem Ast?

In einem großen Underground-Magazin fand ich vor kurzem ein Interview mit einer deutschen Black Metal-Band, deren Mitglieder so böse sind, dass sie niemals Konzerte geben, ihre Gesichter hinter einer meterdicken Schicht aus Schminke begraben und mit ihren Aussagen reif für die Realsatire 2003 sind. Doch die interessieren weder mich noch den Großteil der anderen Metaller, denn Klischeebands gibt es zu genüge. Da haben AKERCOCKE aus dem verregneten England doch viel mehr, über das man schreiben kann, denn die lieben es gentlemanlike mit schönen Frauen, Autos und Fliegen an ihren Anzügen. Ins Klischee des Kirchenanzündlers passt das Quartett rein gar nicht und genau das macht diese Wölfe im Schafspelz so gefährlich.

Ich würde meine Tochter (gesetz dem Fall, dass ich eine hätte) nicht mit denen zusammen auf eine Party lassen, denn ich wäre mir sicher, sie würde dort nach Strich und Faden durchgevögelt werden und müsste anschließend noch den Klängen dieser Band lauschen. Gut, der zweite Punkt ist weniger schlimm, denn AKERCOCKE wissen, wie man Black Metal anspruchsvoll ordentlich darbietet. Gerase an den Instrumenten, wüstes Gekreische, derbe Death Metal-Parts und viele symphonische Versatzstücke eines genialen Tastenmannes machen Chronozon zu einem bösen, sinistren Erlebnis, das die Fleischeslust so derart intensiv propagiert, dass man nach dem Hören direkt Lust auf Schweinkram bekommt.

Aber nicht nur Sodom und Gomorrah wird von den Insulanern gepredigt, auch große songwriterische Fähigkeiten werden dargeboten: So klingt kein Song wie der vorherige, doch eine Linie verlieren die Musiker nie, mannigfaltige Einflüsse hin oder her. Egal ob Leviathan sehr orchestral oder das darauf folgende Enraptured by Evil sehr röchelig-blastig ist, die Scheibe ergibt von vorne bis hinten Sinn. Erstaunlich, denn wenn man die Einflüsse mal auf das wesentliche Reduziert kommt eine Mischung aus EMPEROR, ARCTURUS und CANNIBAL CORPSE dabei raus. Aber gerade Letzteres, das CANNIBAL CORPSE-mäßige Gehacke, lässt ein wenig zu wünschen übrig, denn das Gegrunze ist mir ein bisschen zu charakterlos. Dafür ist der Rest handwerklich im Lot und zeigt, dass eiskalt gespielte, vorwärtsdenkende Musik immer noch die BÖSESTE ist. Das werden auch meine Freunde aus dem oben genannten Interview mal erkennen, sofern sie nicht bereits ihrer eigenen Demenz zum Opfer gefallen sind.

Chronozon ist gerade für Liebhaber schräger, aber dennoch flotter und schwarzer Sounds eine wahre Fundgrube und hat gerade durch die mordsmäßige Produktion von Neil Kernon richtig Tiefgang. In England sind AKERCOCKE bereits jetzt so richtig groß, im Rest Europas wird es hoffentlich bald so weit sein. Und auch wenn hier und da mal wüst Saaaaaaaaaataaaaaaaaaaan gekreischt wird ist diese Band ein ordentlich intellektueller Gegenpol zu Bands die ich jetzt lieber nicht erwähne, da ich sonst wieder vor lauter Lachen Tränen in den Augen habe.

VÖ: 20. Oktober 2003

Spielzeit: 53:58 Min.

Produziert von Neil Kernon
Label: Earache Records

Homepage: http://www.akercocke.com

Tracklist:
1. Praise the Name of Satan

2. Prince of the North

3. Leviathan

4. Enraptured by Evil

5. Chronozon

6. Valley of the Crucified

7. Bathykolpian Avatar

8. Upon Coracious Wings

9. Scapegoat

10. Son of the Morning

11. Becoming the Adversary

12. Goddess Flesh

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