AGORAPHOBIC NOSEBLEED: Agorapocalypse

Vergleichsweise gemäßigter Maschinengewehr-Grindcore, aber natürlich immer noch Fresse grün und blau.

So ein kleines Spaßprojekt braucht doch jeder. Und warum auch nicht, wenn du Spaß daran hast jugendliche Ausreißer in einen Keller zu sperren und jeden Tag eine andere Extremität zu häuten, dann hast du eben dein eigenes Spaßprojekt, aber so was hat einen Josef Fritzl erst in die Psychatrische gebracht. Also such dir lieber ein Spaßprojekt, für das man dich nicht mit Backsteinen bewirft und anspuckt. So wie Scott Hull, der in seiner Freizeit, wenn er nicht gerade mit PIG DESTROYER intellektuelle Soundpornografie betreibt oder Ennio Morricone nachäfft, sich ein paar Kumpels in den Keller kommen lässt und mit denen eine ziemlich ätzende Mischung vorbereitet, die du bald im CD-Player haben wirst.

Ganz klar, seit den hundert Songs in zwanzig Minuten namens Altered States of America sind sechs Jahre vergangen und auf eine frische Dosis politischer Unkorrektheit warten ja gerade wir Deutsche sehnsüchtig, weil nichts ist schlimmer, als langweiliges Fernsehprogramm und Waschmittelwerbung, bis mal wieder wer durchdreht und alle niederschießt. Hätte dieser hypothetische Ego-Shooter-Fan übrigens Agorapocalypse gehört, wäre es bestimmt nicht so weit gekommen, weil dann wäre er so lange gegen die Zimmerwand gelaufen, bis es ihm vergangen wäre. Darum sage ich ja, dass Grindcore die eigentlich friedlichste Musik überhaupt ist. Aber lassen wir diesen Exkurs mal beiseite, weil der Titel Agorapocalypse klingt vielversprechend und das Artwork sieht so geil aus, als gäbe es hier die Vollbedienung, von der du immer geträumt hast, weil ja Frozen Corpse Stuffed With Dope doch eher was für die Mädchen aus der 7a ist.

Aber wenn du so denkst, dann wirst du mit Agorapocalypse nicht glücklich werden, das sage ich dir gleich. Denn Instrumentalist und Songschreiber Scott Hull und seine Sänger J. Randall, Richard Johnson und die Schreihälsin KAT zerlegen zwar alles, was du liebst, aber im Vergleich zu den Werken, die zuletzt rauskamen ist Album Nummer drei doch sehr traditionelle Kost. Heißt, Einflüsse von Electro und Techno gibt es gar nicht mehr, auch keine Songs, die so kurz sind, dass sie eher als kleines Störgeräusch auffallen. Stattdessen grinden AGORAPHOBIC NOSEBLEED altmodisch durch die Diskografie der alten EARACHE-Scheiben und durch ein wenig wilderen Achtziger-Jahre Thrash Metal. Platz für Spielereien ist hier keiner, stattdessen wird sorgfältiger an den einzelnen Songs gearbeitet.

Aber das heißt natürlich nicht, dass es hier progressiven, anspruchsvollen Rock mit großer Theatralik zu hören gibt. Es geht sehr direkt zu, auch wenn, wie in First National Stem Cell and Clone, ein paar technischere Elemente zu hören sind. Aber am besten ist Agorapocalypse immer dann, wenn die Band voll auf die Scheiße haut. Aber so übertrieben wie in der Vergangenheit sind sie eben nicht und genau das hat viel von der Sympathie von AGORAPHOBIC NOSEBLEED ausgemacht. Im Vergleich zu ihren Genrekollegen ist das natürlich trotzdem eine Attacke, die den Bauch aufschlitzt, man höre nur Agorapocalypse Now, Dick to Mouth Resiscitation, Hung from the Rising Sun und White on White Crime.

Okay, also auch wenn dir das Material ein bisschen zu brav ist, die Songs an sich sind gelungen. Und wenn sie noch verfeinert werden mit den drei unterschiedlichen Stimmakrobaten ist alles aus, gerade Sängerin KAT ist die wildeste Braut unter der Sonne, mit so einer willst du dich nicht anlegen, die hat eine abgesägte Schrotflinter unter dem Kopfkissen, garantiert. Auch das Drumkit from Hell klingt nicht übertrieben, obwohl ein Schlagzeugsolo von einem Drumcomputer schon frech ist. Aber auch die Riffs zünden, die Soli sind altmodisch, sehr kultig und machen viel Spaß. Daraus ergeben sich lauter Killersongs, gar keine Frage. Also nüchtern betrachtet ist Agorapocalypse das bisher beste Album von AGORAPHOBIC NOSEBLEED. Aber da die politische Korrektheit ein wenig zu sehr Einzug gehalten hat und musikalisch zu geradlinig vorgegangen wird, ist das jetzt doch eine andere Baustelle. Und hinterlässt auch nicht so einen bleibenden Eindruck wie in der Vergangenheit. Aber, da musst du mir zustimmen, auch musikalische Amokläufer werden mal erwachsen.

Veröffentlichungstermin: 17. April 2009

Spielzeit: 28:37 Min.

Line-Up:
Scott Hull – Guitar, Bass, Drums from Hell
KAT – Vocals
J. Randall – Vocals
Richard Johnson – Vocals

Produziert von Scott Hull
Label: Relapse Records

Homepage: http://www.agoraphobicnosebleed.com

MySpace: http://www.myspace.com/agoraphobicnb

Tracklist:
0. Timelord Zero (Chronovore)
1. Agorapocalypse Now
2. Timelord One (Loneliness of the Long Distance Runner)
3. Dick to Mouth Resuscitation
4. Moral Distortion
5. Hung from the Rising Sun
6. First National Stem Cell and Clone
7. Question of Integrity
8. Timelord Two (Paradoxical Reaction)
9. Trauma Queen
10. White on White Crime
11. Druggernaut Jug Fuck
12. Ex-Cop
13. Flamingo Snuff

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