Mit Peter Maffay macht man keine Scherze

Dieser unüberlegte, gleichwohl weise Ausspruch kam aus dem Munde eines Freundes, der, obgleich bekifft, damit den Nagel auf den Kopf traf.

Wiglaf Droste hat einmal Scherze gemacht über Peter Maffay; ich tue das nicht, denn: „Mit Peter Maffay macht man keine Scherze“. Dieser unüberlegte, gleichwohl weise Ausspruch kam aus dem Munde eines Freundes, der, obgleich bekifft, damit den Nagel auf den Kopf traf. Ich, ebenfalls mit leichten THC-Konzentrationen im Blute, reagierte gleich und lachte. Dann spielten wir wieder Tetris. Das ist wie im Sommer im Stadtpark sitzen und ein Buch lesen, während drei offensichtlich afrikanisch-stämmige Exemplare der Gattung Mensch von zwei Polizeiwagen – der eine grau-silbern, der andere weiß wie die Herrenrasse – kontrolliert werden. Die Absurdität der Situation, nein, der ganzen Welt, wurde mir einmal mehr bewußt, als ich die Augen wieder auf mein Buch richtete, „Die Angst des Tormannes beim Elfmeter“ von Peter Handke, ein Peter, mit dem man sehr wohl Scherze machen darf, weil er brillante Bücher – zumindest dieses – schreibt. Daß darin Realität abgebildet wird, weiß, wer im Sommer im Stadtpark sitzt. In dieser Hinsicht sind Obdachlose ein Segen für die Gesellschaft.

Ein Segen für die Gesellschaft ist gleichfalls Gift. Stoff, der nach der Aufnahme durch die Magenschleimhaut zügig ins Hirn gelangt und Gift darstellt, ist bei uns Luxus und Spaß. Wenn sich sieben Menschen in ein Haus einschließen, sich vergiften und vier sich übergeben müssen, weil sie „keinen Körper mehr“ haben oder „auf einer Klippe“ stehen, ist aller Witze Abend – aber nicht aller Tage, denn „Das Große Fressen“ ist ein alter Film, was beweist, daß altes ziemlich lange währen kann. Die Unvernunft der Jugend? Nein: woanders heißt der Stoff „Champagner“, „Benz“ oder „Sektempfang“ und ist mindestens genauso widerlich. Also, ist die Menschheit am Ende?

Sicherlich nicht, denn es gibt noch Menschen, die die Fahne der Weisheit hochhalten, weil sie sonst nichts hochzuhalten haben – Menschen wie die von der „Sonnenwacht“, einer neuheidnischen Esoterik-Versammlung, die es als verwerflich ansieht, wenn Deutsche ihre Internet-Präsentation so benennen, wie sie heißt, nämlich „Homepage“. Bei denen heißt das dann „Heimseite“ und klingt auch sonst bescheuert. Man findet dort Dokumente, in denen Geschichte als materiell und damit als bedeutungslos abgetan wird, damit man behaupten kann, man sei (wie gewisse andere große deutsche Geister) auf dem direkten Weg zu Gottes Himmelreich. Nun gut, das ist interessant und witzig, denn wenn der Mensch eines nicht ist, dann doch wohl auf dem Weg, den Millionen Menschen regelmäßig sich selbst vorbeten: „dein Reich komme“ heißt das dann und ist im Grunde schön; in den Mündern verlogener Freizeitchristen aber ist es noch heuchlerischer und dümmer als die Verrenkungen der modernen Nachbeter der konservativen Revolutionäre von anno dazumal, zumal diese wenigstens noch nachdenken bei ihrem Unfug. Dabei kommt neben vieler schöner langer Sätze nicht viel rum, erst recht nicht das, was moderne Antifa-Recken in ihnen zu entdecken glauben: faschistische Umtriebe, Gefahren für Leib und Leben, die Wiederkehr des typisch deutschen Österreichers Adolf Hitler. Nein: dafür hätte der Neue Rechte von heute gar keine Zeit, da er lesen und schreiben muß, den ganzen Tag lang, um den Geist wach und das Blut frisch zu halten. Das ist ein schönes Hobby, mehr nicht, und es sollte dann auch so behandelt werden. Da aber, wo aus Hobby Propaganda wird, gilt es aufzuhorchen, wenngleich es da nun auch nichts zu hoffen gibt: aufgehorcht wird in Deutschland schon lange nur noch, wenn die „Bild“-Zeitung teurer wird.

Also doch lieber das Reich des freien Geistes, warum denn auch nicht. Es war immer schon mein Wunsch, mit Goethe oder Hölderlin in einer Reihe zu stehen. Und mit Peter Maffay. Der hatte früher einen richtig widerlichen Bart; heute ist er nur noch widerlich. Ein Glück, daß Droste hinter mir aus Lautsprechern klingt und die Seele streichelt, denn sie hat es nötig. Ich mache damit keine Scherze; und das ist gut so.

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