He, weißt du, wann die Hauptband spielt?

Oder: Warum ich keinen Bericht zum OPETH-Konzert schreiben konnte…

Dezember. Es wird früh dunkel. Dann und wann schneit es mal. Oder es regnet, dank dem Klimawandel. Eher das letztere in diesen Breitengraden. Da braucht man schon mal etwas mehr zu essen, was von sämtlichen Arbeitgebern prompt berücksichtigt wird. Weihnachtsessen sind auf der Jahresplanung fest gesetzt, und da kann es dann schon mal passieren, dass man eine Band wie CYNIC verpasst und dies trotz vorherigem Festessen mit einem Zähneknirschen zur Kenntnis nimmt.

Immerhin, die Hauptband des Abends spielt ja noch. Und OPETH lassen einen sogar vergessen, dass es sich bei der Lokalität um einen trendigen Club handelt, in dem sich an anderen Abenden gern mal Technotussen mit pinken Krallen die Nase pudern und herausgeputzte Metrosexuelle in zartrosa Oberteilen auf ihren Gelhaaren zum Pissoir gleiten. Aber OPETH sind Genies. OPETH haben mit Watershed das Album des Jahres geschaffen. Und so tut man sich diesen Club – nennen wir ihn Aufbewahrungsstätte für nicht verarbeitetes Material – halt an. Da man um die enorme Beliebtheit der Schweden weiß, beschafft man sich auch das Ticket für rund 32 Euro im Vornherein.

Gleich hier beginnt jedoch der leidige Teil des Ganzen. Just am selben Abend spielen nämlich auch MARDUK, KEEP OF KALESSIN und MORBID ANGEL. Da der OPETH-Gig ausverkauft ist und da man sich schon zum x-ten Mal Watershed reingezogen hat, fühlt man sich dennoch gut. Irgendwie dürfte es musikalisch ein spezieller Abend werden. Aber ein gewisser Groll gegen die Veranstalter kommt schon auf – warum muss es genau dieser Freitagabend sein? Kann man das nicht besser koordinieren?

Solche Gedanken sind rasch verschwunden, sobald man die Aufbewahrungsstätte für unverarbeitetes Material betritt. Die ist nämlich übervoll. So voll, dass man im Inneren des Konzertsaals nicht mehr stehen kann, ohne akute Platzangst zu kriegen. Überall schweissige Leiber. Einige Metalkumpels. Aber auch viel gewöhnliches Volk aus der Ich-höre-seit-zwei-Tagen-Metal Fraktion. Kaum auszuhalten. Die Flucht aufs Klo beweist, dass ein In-Schuppen offenbar nicht genug Geld hat für Klopapier in allen Häuschen.

Da es kein Reinkommen mehr gibt in den überfüllten Saal, setzt man sich entnervt in den Barraum. Ebenfalls dort: Einige altbekannte Gesichter. Menschen, die schon lange dem Metal anhängen, die OPETH seit Blackwater Park oder noch länger zu ihren Favoriten zählen. Metaller, die ohne SLIPKNOT und Mp3s zum Metal gekommen sind. Denen es eben auch zu voll ist. Bei einigen mag es mit schwarzmetallischem Misanthropentum zu tun haben. Bei anderen regiert jedoch der Pragmatismus: Das tut man sich einfach nicht an. Genialität von OPETH hin oder her. Vor einigen Jahren – etwa als die Ausnahmeband mit KATATONIA unterwegs war – ging es wesentlich gediegener zu und her. Da waren eben auch alle im Publikum wegen der Musik dort.

Doch damit ist dieser Tage Schluss. Mitten in die leicht wehmütige Unterhaltung mit einem Mitnostalgiker platzt ein schmieriger Ich-höre-seit-zwei-Tagen-Metal-weil-es-cool-sein-soll-Typ Anfang 20: He, weißt du, wann die Hauptband spielt?. Und das, während OPETH schon ein gutes Drittel ihres Sets in hervorragender Qualität zum Besten gegeben haben. Ist das Konzert tatsächlich wegen solchen Trendsurfern ausverkauft? Beziehungsweise: Wurden Stehplätze an solche Taubenichtse verschwendet? Braucht es also in Zukunft Metal-bezogene Quizfragen bei der Ticketverkaufsstelle, damit man von solchen unterbelichteten Zeitgenossen verschont bleibt? Oder ist es im Metal okay, Perlen vor die Säue zu werfen?

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