BARDENTREFFEN NÜRNBERG 2008: Der Festivalbericht

Das Bardentreffen im Nürnberg 2008 fand vom 1.-3. August mit dem Themenschwerpunkt "Finnland" statt. Darunter Bands wie UUSIKUU, ALAMAAILMAN VASARAT, SVÄNG, La Sega Del Canto und den LENINGRAD COWBOYS.
 
Ein Presseausweis bei einem Umsonst und Draußen-Festival??? – Pinkeln gratis ist die logische Antwort.

Einmal im Jahr gibt die Stadt Nürnberg einen aus, spendiert ihren Bürgerinnen und Bürgern ein Open Air-Festival, das weitaus größer ist als das ebenfalls in der Noris beheimatete Rock im Park-Spektakel. Das Ding nennt sich Bardentreffen und nimmt ein Wochenende lang die komplette Innenstadt der Frankenmetropole in Beschlag.

Was vor über drei Jahrzehnten mit einer Bretterbude, zwei Wandergitarren und einem Häuflein Hippies am Tiergärtnertorplatz begann, mobilisiert längst die Massen. Auch bei der 33. Auflage in diesem Jahr schoben sich wieder zig-tausend Fans, Freaks und Familien durch die dichtgepackte Nürnberger Innenstadt, wo 57 geladene Bands auf sieben offiziellen Bühnen sowie unzählige freie Bands und Barden am Straßenrand und in Häuserecken aufspielten. Der Clou: Der Eintritt ist frei!

Dieses Jahr hatte das Nürnberger Bardentreffen als Länderschwerpunkt Finnland. Mit dabei zwischen bekannten (LENINGRAD COWBOYS, JOAN ARMATRADING, BOBO) und unbekannten Barden (siehe unten) also jede Menge Bands und Musiker aus der reichhaltigen Szene rund um die tausend Seen. Nur AMORPHIS fehlten, hatten aber mit Auftritten beim Kokkola Rock und Ankkarock eine bessere Entschuldigung parat, als die berühmte Mein Hund hat die Hausaufgaben gefressen-Ausrede.

Nachfolgend die subjektiven Erlebnisse von Lexxy, Fierce und dem gnadiator, die das Schicksal wie bestellt bei der göttlichen Säge auf der Insel Schütt zusammenführte …

UUSIKUU

Der Auftritt von UUSIKUU war für 16 Uhr in St. Katharina am Samstag angekündigt. Bereits eine halbe Stunde zuvor ließ die Security am Eingang keine neuen Gäste mehr in die alte Kirchenruine – die Location platzte regelrecht aus allen Nähten. Erst als einige Zuschauer das Gelände wieder verließen, hatten wir das Glück, eingelassen zu werden. In Begleitung meiner zwei finnischen Freundinnen standen UUSIKKU praktisch auf der Pflichtprogramm-Liste, deshalb war ich besonders auf deren Auftritt gespannt.
In einer Besetzung von weiblichem und männlichem Melodiegesang sowie Kontrabass, Violine, Akkordeon und Gitarre präsentiert die Band sowohl Eigenkompositionen, als auch zeitgenössische Interpretationen von zum Beispiel Toivo Kärki und Georg Malmstén. Auch wenn sich zumindest eine meiner beiden Begleiterinnen mit der Musik identifizieren konnte, war mir der monotone und melancholische Sound ihrer Musik zu langweilig. Stilistisch gab es Tango und nochmals Tango um die Ohren (die heimliche Volksmusik Finnlands), was grundsätzlich ja nicht verkehrt ist, mir in dieser Interpretation und Tonlage allerdings viel zu depressiv war.
Möglicherweise braucht man da das finnische Blut in den Adern, um von dem Feuer entfacht zu werden – bei mir ist der Funke jedenfalls nicht übergesprungen. Dennoch werde ich mir den deutschen Film Finnischer Tango ansehen, für den Sängerin Laura Ryhänen zwei Liedtexte geschrieben hat und der Ende August in die Kinos kommt. Vielleicht verstehe ich die Musik im Zusammenhang mit einer Story besser… (lexxy)

ALAMAAILMAN VASARAT

ALAMAAILMAN VASARAT, deren Namen ich endlich am dritten Tag des Bardentreffens aussprechen konnte, bedeutet auf Deutsch: Die Hämmer der Unterwelt. Dabei handelt es sich dann nicht etwa um eine Death Metal-Band, sondern um instrumentalen Ska-Punk aus Finnland. Den gab es am Freitag auf der Insel Schütt zu hören und zu sehen – vor einer ordentlichen Menschenmenge.
1997 wurden die Hämmer von Klarinettist Jarno Sarkula und Schlagzeuger Teemu Hänninen gegründet. Seither haben die Finnen vier Alben veröffentlicht und ihre Musik ständig weiter entwickelt. Neben Drums und Klarinette gab es am Freitag auch zwei Celli, eine Posaune sowie ein Piano zu hören.
Nach dem ersten Song, der schon mal ganz gut beim Publikum ankam, zeigte Cellist Marko Manninen sich von der härteren Seite. Er hatte sein Cello an einen Verzerrer angeschlossen, so dass der Sound einer fetten Gitarre auf einem Metal Konzert glich – APOCALYPTICA lässt grüßen!
Die rockigen Improvisationen und die Power auf der Bühne sagte mir so zu, dass ich mich nach deren Auftritt mit der aktuellen CD Maahan eindeckte. (lexxy)

SVÄNG

Eine riesige Menschenmenge versammelte sich dann auch zum Auftritt von SVÄNG – ich hatte aus der Erfahrung bei UUSIKUU gelernt und war bereits eine Stunde vor SVÄNGS Stagetime im alten Katharinenkloster in Nürnberg vorstellig. So konnte ich dann auch gemütlich in der zweiten Reihe auf den Auftritt der vier Herren warten. Bereits beim Soundcheck wurde deren hoher Anspruch deutlich: fast eine dreiviertel Stunde testeten die Finnen den Sound ihrer Mundharmonikas.
Die Entstehungsgeschichte der Band ist kurios: Dr. Jouko Kyhälä unterrichtete an der berühmten Sibelius Akademie in Helsinki Mundharmonika und machte mit seinen beiden Studenten, Eero Turkka und Eero Grundström, 2003 eine Band auf. SVÄNG war geboren! Mit zwei Sopran-, einer Bass- und eine Akkord-Mundharmonika konnten die Jungs bereits Finnland überzeugen und erobern jetzt den übrigen Planeten.
Nordische Tanzgrooves, slawische Melancholie, Ragtime, Blues und Balkanrhythmen, schwedische Polkas und samische Joiken vermischen sich in ihren selbst geschriebenen, mehrheitlich melancholischen Songs.
Der bereits angesprochene Perfektionismus spiegelt sich in den progressiven Songstrukturen wider: Da die Mundharmonika das ausschließliche Instrument zur Kommunikation ist und somit auch die Geschichte eines Liedes erzählen muss, bekommt die Melodie und vor allem auch die Tonlage eine besondere Bedeutung. Umso erstaunlicher ist es, dass sich SVÄNG beim Auftritt in Nürnberg keinen musikalischen Fehler erlaubten und die fast anderthalbstündige Live-Performance eine perfekte Inszenierung darstellte.
Die vier Männer hatten sich in Anzüge gekleidet und gingen auf der Bühne besonders höflich miteinander um. Nach einigen Liedern wurde sich voreinander verbeugt oder auch mal die Hand geschüttelt, dem Komponisten des jeweiligen Liedes – bei SVÄNG sind alle gleichermaßen am Songwriting beteiligt – kam bereits in der Ansage besondere Ehre zuteil. Aber auch der besonders trockene finnische Humor durfte nicht fehlen. Diesen lernte das Publikum bei den Ansagen von Dr. Kyhälä kennen.
Ein gelungener Auftritt für die musikalisch etwas anspruchsvollere Klientel! (lexxy)

LA SEGA DEL CANTO

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The Saw Is The Law! – LA SEGA DEL CANTO

Schrullig wie das Klischee, das den Finnen vorauseilt (und das übrigens jede und jeder, die/der schon mal dort war, sofort bestätigt – vorneweg die Finnen selbst!), präsentiert sich das kauzige Duo LA SEGA DEL CANTO gleich zweimal am langen Bardenwochenende. Mit Suppenlöffeln und Schuhwerk, Pump-Orgel, Schifferklavier und nicht zuletzt natürlich der namensgebenden singenden Säge (mit der zwischendrin auch tatsächlich gesägt wird) lädt das Duo zur Entdeckungsreise durch die wundersame Welt der Pop-Musik.
Stevie Wonders I Just Call To Say I Love You erfährt hier endlich die Version, die diese unsägliche Nummer (remember High Fidelity?!) schon immer verdient hat: Zur Instrumentalversion in der Endlosschleife ruft Bandchef und Helge Schneider-Lookalike Jouni Salo via Handy seine Mama zu Hause an, erzählt ihr von seinem Auftritt auf einem Festival in Österreich(!) und versichert ihr, keine Drogen zu nehmen und auch nichts mit den Mädchen hinter der Bühne anzufangen. Der Typ soll im wirklichen Leben Schauspieler sein – man glaubt es ungeseh’n.
EUROPEs Final Countdown auf der Blockflöte, ein Auszug aus Camille Saint-Saëns Karneval der Tiere, ein oller Kracher von ZZ Top oder eine todernste Version von Stille Nacht auf deutsch – im Fall von LA SEGA DEL CANTO (Ihr könnt uns auch einfach nur LSD CANTO nennen) findet sich nichts, was nicht genüsslich zersägt wird. Ob Country oder Musical, Klassik oder Heavy Metal: The Saw Is The Law!
Einziger Kritikpunkt einer rundum originellen Show: Es wird halt wieder nur gecovert. Zwar hat LA SEGA DEL CANTO durchaus eigene Lieder im Gepäck. Live beim Bardentreffen beschränkt man sich jedoch auf die Neuinterpretationen bekannter Stimmungshits aus fremder Feder. Was wahrscheinlich die bessere Wahl ist angesichts des kunterbunten, alle Generationen beinhaltende Festivalpublikums. (gnadiator)

LENINGRAD COWBOYS

Wie viele Leute mag man wohl bei einem Konzert einer regulären LENINGRAD COWBOYS-Tour antreffen? Beim Bardentreffen auf der großen Bühne auf dem Marktplatz waren es gefühlte 100.000. Um was geht es hier eigentlich? Vermutlich um viel Spaß an einem gemeinsamen Event – vielleicht tatsächlich ja auch ein bisschen um die Band. Die wird mit jeder Situation fertig und schafft es ohne Probleme, auch ein großes Publikum zu begeistern, selbst wenn dem Großteil der Leute LENINGRAD COWBOYS lediglich als die Band mit den großen Schuhen und den spitzen Frisuren bekannt ist. Mit Space Tractor setzt die Band zum großen Feuerwerk neuer und alter Hits an, natürlich bestehend aus einem großen Sammelsurium von Coverversionen aus allen Bereichen der Pop- und Rock-Geschichte, gepaart mit der typischen COWBOYS-Verrücktheit. Ein fetter Elvis Presley gab erneut den Jailhouse-Rock – viel gesehen hat man von unserer Position aus allerdings nicht, dazu war einfach viel zu viel los vor der Bühne und unser Kampfgeist, in die vorderen Reihen zu gelangen, zu gering. Mit You´re my Heart, you´re my Soul eröffnete man den Konzertteil zum aktuellen Album Zombies Paradise, mit dem die Band einen neuen Weg beschreitet, an den man sich erst gewöhnen muss, der aber im Vergleich zu den alten Sachen nach kurzer Zeit nicht weniger Spaß macht. Es folgen Goldfinger und Ring of Fire, beide mit entsprechendem Bläsereinsatz – prima! Zur Hochform laufen die COWBOYS allerdings bei Prety fly (for a white Guy) von THE OFFSPRING auf, bei dem die sonst hauptsächlich Tanzeinlagen beisteuernden LENINGRAD COWGIRLS sich die Seele aus dem Leib schreien und stöhnen – da wird nicht nur mit Anzügen und Kostümen dick aufgetragen. Die LENINGRAD COWBOYS passen super in eine musikalisch derart breitgefächerte Veranstaltung wie dem Bardentreffen, und für das Finnland-Motto sind sie zudem die perfekten Headliner, um die Massen zu bewegen. Schade, dass wir nicht nah genug am Geschehen waren, um uns von der Band richtig verzaubern lassen zu können, aber der Eindruck eines prima Konzerterlebnisses blieb auch so. (fierce)

PS.: Wer sich über das Bardentreffen hinaus für finnische Musik interessiert, sei an Martti Trillitzsch verwiesen. Der Halbfinne mit Geburtsort Papua-Neuguinea betreibt in Fürth das Kioski, laut Eigenwerbung der einzige finnische Plattenladen südlich der Ostsee. In dem ehemaligen Kinosaal in der Nürnberger Straße 3 findet sich ein erlesenes Sortiment aus Nordland-Tonträgern, von denen 90 % tatsächlich aus Finnland stammen. Außerdem ist das Kioski (beziehungsweise eine der verschiedenen angeschlossenen Plattenfirmen, die Martti betreibt) die Deutschland-Homebase der beliebten Humppa!-Helden ELÄKELÄISET. Was Martti selbst wundert: In letzter Zeit trudeln immer mehr Bestellungen aus Finnland bei ihm ein …

 

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