Akte Ministry – Die offizielle Autobiografie von Al Jourgensen [BUCH]

Statt "Akte Ministry" wäre auch "Krankenakte Al Jourgensen" ein guter Titel für dieses Buch

Statt Akte Ministry könnte diese Autobiografie auch Krankenakte Al Jourgensen heißen – denn statt der üblichen Rockstar-Formel Sex, Drugs and Rock n Roll bestimmten zumeist Drogen das Leben des MINISTRY-Kopfs Al Jourgensen.

Ohne Drogen gäbe es keine der genrebildenden Alben und auch das, was er über Sex schreibt, ist nüchtern kaum nachvollziehbar. Und genau das ist auch die Schwachstelle des Buches: Statt der ewig gleichen Schilderungen des Missbrauchs verschiedenster Substanzen und dessen Folgen wären mehr Einblicke in das musikalische Schaffen spannender gewesen. Auch das politische Engagement Jourgensens kommt zu ein wenig kurz – es wird auf gerade mal fünf Seiten abgehandelt.  

Trotzdem erlaubt die Autobiografie einen differenzierten Blick auf die Person Al Jourgensen – dazu tragen das Vorwort von Musikjournalist Jon Wiederhorn, der das Buch zusammen mit Jourgensen verfasst hat bei, sowie die Interviews mit Wegbegleitern wie Jourgensens Stiefvater, den REVOLTING COCKS-Sängern Luc van Acker und Phildo Owen, KMFDM-Frontman Sascha Konietzko, Jello Biafra (DEAD KENNEDYS), Gibby Haynes (BUTTHOLE SURFERS), Jourgensens Frau Angelina Lucain, Tourmanager Holger Brandes und das letzte interview mit MINISTRY-Gitarrist Mike Scaccia bei. Obwohl es sich um eine von Jourgensen autorisierte Biografie handelt, widersprechen diese Leute dem MINISTRY-Frontman immer wieder – der Gegensatz zwischen der Selbstwahrnehmung Jourgensens, dem Blick von außen und den Erfahrungen anderer macht Akte Ministry lesenswert.

Jourgensen selbst beschönigt nichts, in ziemlich unappetitlicher Offenheit schildert er Drogenerfahrungen und die Konsequenzen. Vom glamourösen Rockstar ist er soweit entfernt wie ein Backstage-Bereich in einem durchschnittlichen Club von einem sauberen, komfortablen Hotelzimmer. Eigentlich will er ja auch gar kein Rockstar sein, das betont er oft genug, mit seiner Selbstzerstörung beweist er es.

Er (und Co-Autor Jon Wiederhorn) zeichnen das Bild eines zerrissenen Charakters, der seinem Alltag entkommen will, indem er sich ohne Rücksicht auf Verluste selbst betäubt. Er hasst seine erfolgreichsten Songs, er hasst es, auf der Bühne zu stehen, er hasst seine Bandkollegen, er scheint sich selbst zu hassen – und so lebt er auch. Das ist faszinierend und abstoßend zugleich – und trägt zu einem neuen Verständnis der brutalten und kalten Musik von MINISTRY bei. Und mehr kann man  – trotz der oben genannten Kritikpunkte – eigentlich nicht von  der zu Papier gebrachten Biografie eines Musikers erwarten.  Nicht immer einfach zu lesen, stellenweise etwas langatmig und plakativ – aber weglegen kann man dieses Buch eben auch nicht.

 

Erscheinungsdatum: 29. September 2014

Hardcover, 304 Seiten 

 

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