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BLUENECK: King Nine

"King Nine" kommt langsam, aber gewaltig. BLUENECK am Zenith ihres Schaffens.

Vertrauen. Das ist alles, was man manchmal braucht, und es zu verlieren wäre fatal. Und Vertrauen ist nicht einfach, in einer Welt, in der ständig gelogen wird, in der Enttäuschungen alltäglich sind und Erwartungen regelmäßig nicht erfüllt werden. Vertrauen ist das, was man BLUENECK aber gerne entgegen bringen kann, darf und vor allem muss. The Fallen Host ist eines der besten Post Rock-Alben überhaupt, live überzeugt die Band auch jedes Mal durch Bodenständigkeit und Intensität. So ganz nah und intensiv erschienen BLUENECK aber nicht, als King Nine die ersten Male lief. Das fünfte Album der Band um Duncan Attwood plätscherte etwas vor sich, so der ursprüngliche Eindruck. Ein fataler Irrtum, denn King Nine hat unter seiner ruhigen Oberfläche viele tiefe, ergreifende und bisweilen verstörende Momente.

Nein, wir werden nicht sofort emotional überrollt, wie es bei Songs wie Lilitu oder Low war, stattdessen halten sich BLUENECK, britisch wie sie nun mal sind, zurück und nehmen es in Kauf, dass die Songs erst nach und nach wirken müssen, um schließlich beim Hörer anzukommen. Das sorgt auch dafür, dass nicht jeder Durchlauf ähnlich mitreißt, es hängt immer von der Verfassung des Hörers ab. Mal ist King Nine zu düster, dann wieder zu ruhig, aber oftmals ist es genau richtig. Richtig für den Herbst, richtig für kleine, melancholische Momente, richtig um zu reflektieren. Und es brodelt ständig, es ist eine permanente, unterschwellige Spannung in King Nine enthalten, so dass BLUENECK auf ihre Art und Weise doch schwere Kost bieten.

Nach und nach zeigt sich auch, welche Bandbreite das zum Trio geschrumpfte Ensemble auffährt. Zwischen Verneigungen vor den komplexeren RADIOHEAD-Alben und sanften elektronischen Momenten, die sich gut in den Artrock-Rahmen einfügen, verlassen BLUENECK fast vollständig das Post Rock-Feld und werden ganz zu sich selbst. Es ist sofort erkennbar, von wem diese Songs stammen, nicht nur durch Duncan Attwoods zerbrechlichen, traurigen Gesang, sondern auch durch das besondere Songwriting, die einzigartige Melodik und die typische Art, Arrangements zu schreiben. Das zeigt, dass BLUENECK eine große Band sind, wenn schon nicht im Bereich des kommerziellen Erfolgs, dann zumindest in künstlerischer Hinsicht.

King Nine ist ungeheuer homogen, ein großes Referenzwerk der Melancholie eben. Und lässt jedes der Stücke BLUENECK in einem neuen Licht erstrahlen. Besonders fällt Father, Sister, mit seinem JOHN CARPENTER-Synthesizer auf, das mit einem kalten Elektrobeat recht unwirtlich ausfällt. Ähnliche Elemente verwendet Man Of Lies, das aber deutlich wärmer und schöner wirkt. Spiderlegs und Broken Fingers werden über weite Strecken getragen von sphärischen Instrumenten, von Streichern und Klavier. Zugänglich sind immerhin der erstaunlich poppige Opener, der brillante Titelsong und das versöhnliche Anything Other Than Breathing. Mit Mutatis haben BLUENECK das vielleicht beste Lied ihrer Karriere parat, düster, unheimlich, episch und dramatisch baut sich das Stück auf, der elektronische Rhythmus lässt das zehnminütige Monstrum surreal wirken, die traurige Trompete setzt all dem die Krone auf.

Und so ist King Nine ein Album, das schier unaufhörlich wächst. BLUENECK mögen personell geschrumpft sein, der verbliebene Kern der Band zeigt sich so befreit, kreativ und fokussiert wie selten zuvor. Das Songwriting ist subtil, aber fordernd, es gibt so viele Details, die sich erst nach und nach offenbaren. Spielerisch ist King Nine solide, der Gesang ist wie üblich herzzerreißend gut. Dazu kommt die Produktion: Das Album klingt voluminös, ist aber dennoch weit weg vom Pomp und Kitsch der großkalibrigen Popbands und angenehm abstrakt. Zweifellos, BLUENECK darf man weiterhin vertrauen, vielleicht mehr noch als jemals zuvor. Selbst wenn King Nine nicht sofort zünden mag, seine Klasse offenbart sich schnell, es ist wie das Wandern auf einem verlassenen Planeten, nach dem Ende jeglicher Zivilisation, wie es das exzellente Artwork beängstigend gut einfängt. Und wenn es beginnt wirklich zu wirken, wird dieses Album brunnentief und bewegt auf ganz besondere Art und Weise. Ein spätes, aber umso eindeutigeres Highlight im Jahr 2014.

Veröffentlichungstermin: 7. November 2014

Spielzeit: 53:46 Min.

Line-Up:
Duncan Attwood
Rich Sadler
Ben Paget

Produziert von Mat Sampson und BLUENECK
Label: Denovali Records

Homepage: http://www.blueneck.com

Mehr im Netz: https://www.facebook.com/BlueneckUK

Tracklist:
1. Counting Out
2. Sirens
3. King Nine
4. Man Of Lies
5. Broken Fingers
6. Father, Sister
7. Spiderlegs
8. Mutatis
9. Anything Other Than Breathing

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