SPOCK`S BEARD, THE SIXXIS: Essigfabrik, Köln, 19.09.2014

Unverbraucht und musikalisch absolut wertvoll – die Bärte überzeugten einmal mehr mit einer schönen Mischung aus alten und neuen Stücken sowie reichlich Spielfreude.

Der Progressive Rock der 70er-Jahre ist schon seit langem eine altbackene Musikrichtung. SPOCK`S BEARD verpassten dem Stil einst eine Frischzellenkur, indem eingängige Melodien und guter Gesang in die ansonsten sperrigen Songs eingewebt wurden. Der Fünfer aus Kalifornien hat aber auch durch seine Live-Präsenz gezeigt, dass man nicht vor jedem Auftritt einen Besen verschlucken muss. Die spielerischen Fähigkeiten aller Beteiligten verhinderten dabei, dass die Auftritte lächerlich wirkten. Nein, SPOCK`S BEARD live bedeutet Leidenschaft und Energie. Dies zeigte sich einmal mehr in der Kölner Essigfabrik, wo etwa 300 Zuschauer einen Streifzug durch die Bandgeschichte zu hören bekamen.

Mit elf Alben in der Hinterhand kann man natürlich nicht jeden Wunsch erfüllen. Die Band versteht es allerdings, das Programm immer wieder umzustellen, so dass keine Langeweile aufkommt. Natürlich gab es einige Stücke vom immer noch aktuellen Album Brief Nocturnes And Dreamless Sleep. Auch jenseits davon überlappte sich die Setlist nur marginal mit den letzten drei, vier Touren. Wahrscheinlich wäre das Publikum glücklich, wenn SPOCK`S BEARD Jahr für Jahr The Light, The Doorway und June spielen würden. Vermutlich würde sich dann aber auch Langeweile einschleichen. Nein, nicht nur die Kompositionen selbst sind abwechslungsreich, auch die regelmäßig stattfindenden Konzertreisen wissen immer wieder aufs Neue mit alten und jüngeren Songperlen zu überraschen.

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Alan Morse zeigte, dass er zu den originellsten Gitarristen dieses Planeten gehörte.

So begann der Reigen an diesem Abend mit Day For Night vom gleichnamigen vierten Album. Der Song klang so frisch, als wäre er eben erst geschrieben worden. Der Sound war vom ersten Ton an druckvoll und zugleich klar. Natürlich sind die Besetzungswechsel nicht spurlos an der Band vorübergegangen. Die Spielfreude ist zweifellos geblieben. Ein besonderer Reiz des Konzerts sind die Einzelleistungen: Man könnte zwei Stunden lang Ryo Okumoto auf die Finger schauen, die über die Tasten huschen, und zwischendurch schelmisch über die zotigen Namen seiner Keyboard-Sounds grinsen. Man könnte fasziniert beobachten, wie Jimmy Keegan voller Leidenschaft sein Schlagzeug bearbeitet. Man könnte staunen, wie kreativ Alan Morse mit seiner Gitarre umgeht, während er gleichzeitig ständig im Groove mitschwingt. Ein weiteres Indiz für den Charme des Fünfers war die spontan umgedichtete Carie-Version, die Jimmy Keegan nach dem regulären Set noch in Cartoon-Stimme zum Besten gab (Carie, why are you so hairy?). Zuvor hatte er die Snow-Ballade übrigens normal gesungen und dabei eine glänzende Figur gemacht!

Als Team konnten SPOCK`S BEARD selbstverständlich auch überzeugen, wenngleich sich die hintere Hallenhälfte rein aufs passive Zuhören beschränkte. Ich selbst kann bei so lebhafter Musik gar nicht stillstehen, aber es ist auch egal. Die Band erntete reichlich Applaus und zauberte für die Zugabe die komplette Fassung von The Healing Colors Of Sound aus dem Backkatalog. Die Chöre klangen traumhaft und die Improvisation von Ryo im Mittelteil lockerte das Geschehen genau an der richtigen Stelle auf. Nach insgesamt zwei Stunden kurzweiligem Progressive Rock war dann Feierabend. Die Leute verließen die Halle sichtlich zufrieden mit dem Gebotenen, wobei einige noch einen Abstecher zum Merchandise-Stand machten.

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SPOCK`S BEARD 2014: Ryo Okumoto, Ted Leonard, Dave Meros, Jimmy Keegan, Alan Morse

Begonnen hatte der Abend mit einer Dreiviertelstunde Musik von THE SIXXIS, einer US-amerikanischen Nachwuchsband, die überwiegend Stücke ihres Debütalbums Hollow Shrine spielte. Die Mischung aus elegischen Riffwänden und schwebenden Gesangslinien brauchte eine Weile, um die Anwesenden zu überzeugen. Es half sicher, dass in der Setmitte Ryo Okumoto für ein Stück auf die Bühne kam und mit Keyboards untermalte. Als die Band nach Out Alive die Bühne verließ, gab es jedenfalls ordentlich Applaus. Für meinen Geschmack fehlte es der Musik an kernigen Hooklines, wie sie die Hauptband in Hülle und Fülle bot.

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Setlist von THE SIXXIS

Setlist SPOCK`S BEARD:
1. Day For Night
2. Beware Of Darkness
3. Hiding Out
4. Harm`s Way
5. Something Very Strange
6. In The Mouth Of Madness
7. Made Alive / Overture
8. Devil`s Got My Throat
9. Carie
10. Submerged
11. Waiting For Me
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12. The Healing Colors Of Sound, Part 1
13. My Shoes
14. Mommy Comes Back
15. Lay It Down
16. The Healing Colors Of Sound, Part 2
17. My Shoes (Revisited)

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