THE WIREPUSHERS: Electric Puppetry

Zahmer Grunge trifft poppigen Indie-Rock – und mir stehen die verbliebenen Haare zu Berge, weil Bandkopf Sascha Paeth einst mit HEAVEN`S GATE tolle Songs gebaut hatte und nun derart belanglose Mucke abliefert.

Als ich Anfang der 90er-Jahre begann, mich für Heavy Metal zu begeistern, stand es nicht gut um das Genre. Große Acts wie MAIDEN, PRIEST oder auch HELLOWEEN hatten Songwriting- und Sängerprobleme, bei den SCORPIONS wehte der Wind des Wandels. Der Death Metal erblühte in einer Nische. Überschattet wurde das alles von einem Trend namens Grunge, der die Einfachheit des Punks mit der Belanglosigkeit des Indierock verband. Zu dieser Zeit schien es in jedem noch so kleinen Dorf eine Band zu geben, die vom Sound aus Seattle inspiriert scheinbar wahllos Akkorde aneinanderreihte, während dazu ein monotoner Sänger mit gelangweiltem Pathos über die Ungerechtigkeit des Alltags jammerte. Natürlich war damals nicht alles schlecht. Bands wie BLIND GUARDIAN und RUNNING WILD brachten mit beängstigender Konstanz geile Platten raus und auch kleinere Band wie HEAVEN`S GATE ließen aufhorchen mit unverfälschtem Metal und saugeilem Gesang.

Beim Anhören des Debüts der WIREPUSHERS muss ich unweigerlich an diese Zeit zurückdenken. Die CD bietet eben jenes dröge Alternative-Gedudel, das vor 20 Jahren ständig auf MTV lief. Durch die oberflächlichen Texte wird die ohnehin schon belanglose Mucke derart unspektakulär, dass ich mich beinahe aufrege. Natürlich rege ich mich nicht auf – mein Ich aus der Vergangenheit regt sich auf, weil in ihm noch die unbedingte Rebellion gegen den Grunge steckt. Die WIREPUSHERS klingen freilich so glatt, dass sie über weite Strecken eher nach poppigem Indierock klingen als nach rotzigem Drei-Akkorde-Grunge. Dennoch geht es eher simpel zu: Die Quartett-Besetzung der Band spiegelt sich direkt in den Arrangements wieder, bei denen man meistens Gesang, Gitarre, Bass und Schlagzeug genau einmal hört. Die großen Hooklines mit emotionaler Tiefe fehlen. Electric Puppetry ist ein nettes Album, das zwar zwischendurch auch mal flotter unterwegs ist (Don`t Disturb My Circles), aber insgesamt doch soft klingt. Und so schrecklich unmetallisch.

Klar, ich lege hier den falschen Maßstab an. Das liegt nicht alleine daran, dass in meiner Brust ein Metal-Herz schlägt. Es liegt insbesondere daran, dass die treibende Kraft der WIREPUSHERS ein gewisser Sascha Paeth ist, seines Zeichens ehemaliger HEAVEN`S GATE-Gitarrist und Produzent von Bands wie RHAPSODY und AVANTASIA. Da muss ich unweigerlich an göttliche Songs wie Under Fire, Tyrants und The Best Days Of My Life denken. Feinster Edelstahl! Da blutet mir das Herz beim Anhören von Tralala-Nummern der Marke Minimal oder Natural Born Idiot. Da ist es leider nicht alleine die stilistische Inkompatibilität mit meinem Musikgeschmack, sondern die qualitative Nähe zu den Alben Menergy und Planet E., die songwriterisch auch bestenfalls Mittelmaß boten.

Unterm Strich ist das WIREPUSHERS-Debüt somit trotz der aufgeräumten Produktion ein Tropfen in der allgegenwärtigen Veröffentlichungsflut. Und das letzte bisschen Toleranz und Sympathie, das ich mir beim Anhören bewahrt habe, verfliegt am Ende bei Stopgap Rap, das 14 Minuten lang missglückte Selbstironie pur bietet, die man nur mit eiserner Willenskraft durchsteht. Wenn eine Schulband beim Abschlussball solche Musik spielt, hebt man aus sozialer Erwünschtheit am Ende vermutlich den Daumen. Aber im gewöhnlichen Musikgeschäft kann man mit so etwas – auch aus nicht-metallischer Sicht – keinen Blumentopf gewinnen.

Veröffentlichungstermin: 27.06.2014

Spielzeit: 55:50 Min.

Line-Up:
Paul Kettley: Gesang
Sascha Paeth: Gitarre
Arne Wiegand: Bass
Robert Hunecke: Schlagzeug

Produziert von THE WIREPUSHERS
Label: United Producers Records

Homepage: http://www.thewirepushers.com

Mehr im Netz: https://www.facebook.com/thewirepushers

Tracklist:
1. The Escapader
2. Minimal
3. Electric Puppetry
4. All Is Good
5. Simplicity Of Men
6. Finest Girl
7. Sympathy
8. Don`t Disturb My Circles
9. Is There Another Word For It?
10. Natural Born Idiot
11. Tin Soldier
12. Any Minute
13. Stopgap Rap

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