KERRETTA: Pirohia

Ein kleines Genre-Juwel: KERRETTA überzeugen durch routiniertes Songwriting, gute Ideen und viel Tiefgang.

Gute Zeit in Neuseeland hatte jüngst jemand, auf deren fünfwöchigen Urlaub ich doch ein wenig neidisch war. Gute Zeit in Neuseeland haben auch KERRETTA, die dort zu Hause sind und gerne im Proberaum mit Gitarre, Bass und Schlagzeug wild rocken. Entsprechend locker-leicht mutet das Drittwerk des Auckland-Trios auch an. Zumindest in der ersten Hälfte. Da folgen KERRETTA dem entspannt-experimentellem Weg, den schon MASERATI vor vielen Jahren angelegt haben und den PELICAN mit ihrer frivolen Heaviness verbreiterten. Schlimm ist das nicht, nur eben nicht wirklich überraschend. Mitreißen können die Songs von Pirohia aber dennoch beachtlich, einfach weil sie mit traumwandlerischer Sicherheit zwischen Anspruch und Eingängigkeit liegen.

KERRETTA sind routinierte Songschreiber, bei Nummern wie Ossein Trail und Warnlands wippt das Bein mit, auch wenn wir das gar nicht wollen, die Gitarren bleiben im Ohr kleben, der Bass ist massiv und treibt die Musik an. Daneben stehen dynamische Aufbauten, ein zarter Hang zum Jammen, eine gewisse Spontaneität. Andererseits ist auch immer eine gewisse Melancholie in der Musik, The Roar und His Streets Of Honey, Her Mouth Of Gold verbergen eine beinahe düstere Atmosphäre und erstaunliche Dramatik unter ihrer ausgelassenen Oberfläche. Die zweite Hälfte von Pirohia zeigt das andere Gesicht von KERRETTA: Die derben Riffs in Iron Hail wirken wie ein Tritt ins Gesicht, so grimmig waren KERRETTA bisher noch nie. Danach wird es schwerer, wenn auch nicht heavier.

Pirohia klingt dann überraschend leise aus. Kawea Tatou Ki Nga Hiwi wird aufgewertet durch Gesang in der Sprache der Ureinwohner Neuseelands. Dazu passen die Synthesizer und Gitarreneffekte, die wie ein geheimnisvolles Schimmern die Musik ergänzen, bevor zu ein düsteres, brachiales Finale einsetzt. Ganz subtil wird dem wilden Neuseeland auch mit Sister, Come Home“ Tribut gezollt, das mit schönen Percussions überrascht. KERRETTA haben tatsächlich eine gute Zeit im Proberaum verbracht: Ein Album wie Pirohia kann es nur geben, wenn alle Musiker mit Freunde und Hingabe bei der Sache sind. Entsprechend hat das Trio auch eine Fülle an Details parat, die sich erst nach und nach offenbaren und durch die dieses Album noch viel mehr Spaß macht.

Ebenso wie die Aufmachung, die beide Seiten der Musik schön visualisiert, ist auch die Produktion von Pirohia exzellent, der Sound ist wuchtig und glasklar, sehr druckvoll und enorm dynamisch – daran hat auch das Mastering aus den Abbey Road Studios erheblichen Anteil. Auch wenn KERRETTA nicht die originellste Band unter der Sonne sind, ihr Drittwerk hat viele Facetten, wirkt dennoch wie aus einem Guss. Instrumental Rock, der stellenweise an der Schwelle zum Metal ist, ist nun wirklich nichts Neues, entsprechend würden KERRETTA drohen in der Szene unterzugehen; dank ihrer starken Vorarbeit – mit Vilayer und Saansilo konnten sie sich zurecht gut behaupten – und der hohen Qualität ihres Materials sollte das aber nicht passieren. Zweifellos, Pirohia ist ein kleines Genre-Juwel.

Veröffentlichungstermin: 4. September 2014

Spielzeit: 43:15 Min.

Line-Up:
David Holmes
H. Walker
William Waters

Label: Golden Antenna Records

Homepage: http://kerretta.bandcamp.com/

Mehr im Netz: https://www.facebook.com/kerretta

Tracklist:
1. Ossein Trail
2. The Roar
3. Warnlands
4. His Streets Of Honey, Her Mouth Of Gold
5. Iron Hail
6. Kawea Tatou Ki Nga Hiwi
7. Sister, Come Home
8. The Last Rivers

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