KREATOR, SODOM, WYKKED WYTCH – Ludwigsburg Rockfabrik, 26.12.2001

THRASH!!

Zwei Fragen waren an diesem Abend wichtig: Erstens, wer spielt wann? Und zweitens, wie komme ich nach dem Konzert nach Hause? Komme ich überhaupt nach Hause oder wird mein Auto im Schnee versunken sein? Durch das drohende Schneechaos ließ sich aber keiner abhalten, und so war die Rofa Ludwigsburg voll, man könnte auch sagen gnadenlos überfüllt. Ist ja schön und gut, dass das Package ausgerechnet in der Rofa Station machte, schließlich wurden so einige Erinnerungen an die Zeit, in der ohnehin alles besser war, geweckt. Für nostalgisch veranlagte Fans war dieses Konzert in der Rofa sicher ein weiteres Weihnachtsgeschenk; ob dann aber wirklich alle damit zufrieden waren ist fraglich. Obwohl, auch vor zehn Jahren gab es bei Konzerten kein Durchkommen mehr und wer zu spät kam, konnte sich eben die Band nur anhören…

Den Anfang machten WYKKED WYTCH, die nach ihrer Eigenproduktion „Something WYKKED This Way Comes“ nun einen Deal an Land gezogen hatten und neuerdings auf CRADLE OF FILTH machen. Es war nicht verwunderlich, dass der Auftritt der Band die meisten im Publikum zunächst verwirrte. Wer rechnet bei einem Thrash-Dreierpack mit Keyboard-Black Metal?! Neben den Songs, die extrem an die bereits erwähnte Band aus England erinnerten, sorgte nicht nur Sängerin Ipek, die ihre weiblichen Formen nur notdürftig in ein Lacklederoutfit zwängte, für Irritation. Links auf der Bühne erblickte man den Gitarrist und den Bassisten, einer der beiden mit angeklebten Plastikhörnern und braunem Trenchcoat gewandet, der andere in einer Art Mittelalteroutfit. Weil das Mittelalter ja nun auch schon eine Weile zurückliegt, zollte der Mann mit seiner Frisur neueren modischen Strömungen Tribut und erfreute so mit bunten Stacheln sowie krampfigem NU-Metal Posing. Nun ja… Sängerin Ipek gab sich souverän und stolzierte ganz Profi auf der Bühne umher. Der Überraschungseffekt ihrer derben Growls nutze sich nach einer Weile ziemlich ab, HOLY MOSES und SINISTER haben schließlich auch Frontfrauen, die übler als so mancher Kerl ins Mikro rotzen. WYKKED WYTCH zogen ihr Konzept der Überraschungen durch. Songs wie „Angelic Vengenace“ vom gleichnamigen Album bestehen nicht nur aus Black Metal Gekreische und Gegrunze, sondern irritieren auch mit klarem Gesang. Im Publikum schien allerdings niemand so recht darauf gefasst, denn als die Rothaarige auf der Bühne plötzlich begann wie eine Operndiva auf Speed genau einen Ton neben der Spur zu trällern, blickt so mancher wie ein erschrecktes Karnickel nach vorne und wusste nicht, wie ihm geschah. Wenigstens die Frontfrau bemühte sich, Kontakt zum Publikum zu schaffen was ihr bei einigen gelang – die Mehrheit aber blickte skeptisch auf das unheimliche Stageacting zwischen Ami Coolness links, einem unsicher auf der Bühne umher stolperndem Gitarristen rechts und eine umherwirbelnden Sängerin. Kamen die ersten Songs noch ganz gut an, so war nach dem Gig klar, dass sämtliche Überraschungen nicht darüber hinweg täuschen konnten, dass da eine Band auf der Bühne stand, die weder mit originellen Songs noch mit einheitlichem Acting überzeugen konnte.

Die geschmackssichere Deko lies keinen Zweifel, dass als nächstes SODOM die Bühne betreten würden. Ein nüchterner Tom Angelripper ließ sich schon vor dem ersten Song gebührend feiern, die „SODOM, SODOM“ Sprechchöre sollten auch während des Gigs nicht abreißen. Erstaunlich tight und sauber bretterten sich die Band durch ihre Diskographie, das aktuelle Album „M-16“ wurde nicht in der Vordergrund gestellt, stattdessen gab es eine Art Best Of. „Sodomy and Lust“ oder „The Saw Is The Law“ fehlte genauso wenig wie „Wachturm“ oder „Remember The Fallen“, das von Angelripper als „ein Song vom Persecution Mania“-Album angekündigt wurde. Schon nach den ersten Songs hatte sich ein ordentlicher Moshpit gebildet und überall standen Kuttenträgen mit glänzenden Augen, die nicht müde wurden, jede Textzeile mitzubrüllen. Es ging dermaßen die Luzie ab, dass Angelripper tatsächlich etwas zur Mäßigung aufrufen musste, da in den ersten Reihen einige Leute in die sprichwörtliche arge Bedrängnis kamen. Mit „M-16“, „Napalm In The Morning“ spielten SODOM zwei Songs vom aktuellen Album, die aber den “Bombenhagel, Bombenhagel” Sprechchören nach zu urteilen, keiner hören wollte. „The Vice Of Killing“ vom „Code Red“ Album leitete Angelripper mit einer Schimpftirade auf Osama Bin Laden ein – ob das nun sein muss oder nicht, kann ja jeder selbst entscheiden. Angelripper beschwor dann auch noch den Geister der Achtziger, als ja alles viel besser war und als es noch keine Retortenbands wie „die verfickten No Angels oder Bro´sis“ gab… Passend zu so viel wehmütiger Erinnerung wurde dann mit „Witching Metal“ wurde dann noch ein Uraltsong aus dem Keller gezerrt, was auf schon fast euphorisch zu nennende Reaktionen stieß. Die stürmisch geforderte Zugabe brachten SODOM mit dem ebenso stürmische geforderten „Bombenhagel“ hinter sich, genauer gesagt war der Song Teil eines Medleys, in dem auch noch gleich „Stalinorgel“ verwurstet wurde. Insgesamt war es ein richtig guter Auftritt, die Band zeigte sich äußerst spielfreudig und so kam wirklich Erinnerungen an „Mortal Way Of Life“ auf…

KREATOR durften als nächstes ran, wurden aber unverständlicherweise lange nicht so euphorisch empfangen wie SODOM. Die Band um Mille ließ sich davon aber nicht im geringsten beeindrucken, sondern legte mit „Terrorzone“ gleich ordentlich los. Statt einer Greatest Hits-Setlist wie beim Bang Your Head und Summerbreeze im vergangenen Sommer, gab es nun auch genügend Stoff vom aktuellen Album „Violent Revolution“, das mit dem Titelsong, „Servant In Heaven, King In Hell“, „Ghetto War“ und „Bitter Sweet Revenge“ berücksichtigt wurde. Gitarrist Sami Yli Sirniö ist jetzt zwar auch schon eine Weile dabei, optisch hat er sich aber noch immer nicht so ganz in die Band eingefunden. Während Mille und Basser Christian Giesler eine routinierte Show abziehen, wirkt der Finne noch immer etwas verloren auf der Bühne und so manches Mal hatte man den Eindruck, dass er sich am liebsten hinter den seitlich aufgehängten roten Stoffbahnen mit dem Covermotiv verstecken würde. Dafür spielte er seinen Part der zweistimmigen Harmonien wie etwas beim Kurzinstrumental „The Patriarch“ sauber, überhaupt wurden die Gitarrenstimme der neuen Songs live stark betont. Das Problem war nur, dass man je nach dem wo man stand zuviel von der einen und zuwenig von der anderen Gitarre hörte – doch das soll wirklich die einzige Kritik an diesem Gig sein. Milles Frage, ob denn jemand Bock auf alte Sachen hätte, wurde entschieden bejaht. Um das „Extreme Aggression“ Album kommen KREATOR einfach nicht herum und so gab es gleich mehrere Songs von diesem Klassiker: „Extreme Aggression“, „Betrayer“, außerdem „People Of The Lie“ von Coma Of Souls. Die Stimmung war zwar nicht ganz so gut wie bei SODOM, und irgendwie wurde ich den Eindruck nicht los, dass Mille der Tour am ersten Abend noch etwas skeptisch gegenüberstand – im Gegensatz zu den KREATOR Fans, die zwar nicht ganz so laut waren wie die SODOM Anhänger. Doch da war noch eine Steigerung drin, die Chance, sein Gebrüll auf einer Live-CD zu hören, motiviert eben doch, und so stieg der Stimmungspegel nach der Ankündigung, dass das Konzert mitgeschnitten wird dann doch noch einmal. Mit den „Exteme Aggression“ Songs war die Reise zurück aber noch lange nicht beendet, „Flag Of Hate“ wurde Chuck Schuldiner gewidmet und als besonderes Bonbon spielten KREATOR auch „Riot Of Violence“, gesungen von Ventor, was wunderbar zum Achtziger-Tripe-Thrash-Treat passte… Der Rausschmeisser war einmal mehr eine äußerst wütende Version von „Tormentor“. Heiser, verschwitzt und zufrieden trollten wir uns nach KREATOR, Headliner DESTRUCTION fielen aber nicht nur bei uns dem unsicheren Wetter zum Opfer.

Bericht: vampiria

Pics: boxhamster

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