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DREAM THEATER: Saarlandhalle, Saarbrücken, 10.02.2014

Viele neue Songs, starker Sänger, tolle Licht- und Video-Show, großartiger Sound und gut 1000 glückliche Prog-Fans.

Die Songauswahl? Wie immer bei DREAM THEATER gab es kaum Überlappungen mit der letzten Tour. Die Überraschungen aus dem Backkatalog waren dieses Mal Trail Of Tears und die zweite Hälfte von Awake. Ansonsten dominierte das aktuelle Album Dream Theater die Setlist mit The Enemy Inside als kraftvollem Opener, Enigma Machine als Vehikel für einen heiteren Cartoon und ein Schlagzeugsolo, Along For The Ride als melodische Auflockerung und zuletzt Illumination Theory als viel umjubeltes  20-minütiges Ausrufezeichen am Ende zweiten Akts.

Der Sänger? James LaBrie war stimmlich über die gesamte Spielzeit in Topform. Bei der ersten Ansage wirkte er überrascht, dass ihm die Rolle des Zeremonienmeisters zugefallen war. Ansonsten lieferte der Kanadier eine souveräne Show ab und wirkte besser denn je in die Band integriert.

Der Schlagzeuger? Präzise, wieselflink und alles andere als reduktionistisch harmonierte Mike Mangini bestens mit seinen Bandkollegen. Sonderbarerweise spielte er die ruhigen Teile von Lifting Shadows Off A Dream mit mehr Wums als die Strophen von The Mirror. Freilich war bereits sein Vorgänger nicht gerade Dynamikweltmeister. Für Manginis Leistung und Persönlichkeit spricht sicherlich, dass es den ganzen Abend über keinen einzigen Portnoy-Ruf gab.

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Mike Mangini passte mit seinem opulenten Schlagzeugspiel bestens ins Bandgefüge.

Das Publikum? Gut 1000 Nasen jubelten der Band zu, wobei die aktuellen Songs überraschend viel Applaus bekamen. Wenn man genauer hinschaute, sah man allerdings überproportional viele aktuelle Tour-Shirts. Vom Typ klassischer Metaller mit langen Haaren und IRON MAIDEN-T-Shirt gab es im ganzen Saal lediglich ein knappes Dutzend. Dies war ganz klar eine Veranstaltung für normale Musikfans. Eine komplette Aufführung des Debüt-Albums hätte hier wahrscheinlich für Irritation und Desinteresse gesorgt.

Die Show? Männer im mittleren Alter spielen freudig auf ihren Instrumenten. In Sachen Stage-Acting passierte hier nicht viel. Dafür waren die Lichteffekte und die Multimedia-Elemente umso spektakulärer. Eigentlich würde diese Show auch ohne die Live-Musik abendfüllende Unterhaltung bieten. Bereits die Animationen der einzelnen Albumcover, die während des Intros False Awakening Suite gezeigt wurden, sahen großartig aus. Passend zum Tournamen Along For The Ride tauchte immer wieder ein Taxi der Firma Majesty auf der Leinwand hinter der Bühne auf. Beim Zwischenhalt im Autokino blickte man schließlich durch die Windschutzscheibe auf das Bühnengeschehen.

Der Sound? Schlichtweg großartig. Druckvoll und dennoch bestechend nuanciert. Die sphärischen Klänge vor Konzertbeginn und in der Pause waren arg laut, aber immerhin passender als irgendwelche Easy Listening-Songs. Während des eigentlich Auftritts passte jedenfalls alles perfekt, wobei gerade die klanglichen Spielereien von Jordan Rudess live noch wesentlich besser in den Gesamtkontext integriert wurden als auf Platte.

Der Gesamteindruck? Den Fans bekamen für knapp 50 Euro ein angemessenes Live-Erlebnis auf sehr hohem Niveau präsentiert. Vor 20 Jahren war solch ein eindrucksvolles Multimedia-Spektakel noch Mainstream-Pop-Acts vorbehalten, wobei die verwinkelte Musik von DREAM THEATER sich für elaborierte Lichteffekte und Videoeinspielungen freilich wesentlich besser eignet. Die Band wird in dieser Form auch in zehn Jahren noch mühelos die Hallen füllen und ihre Platten verkaufen. Ästhetisch erinnerte das ganze Spektakel sicherlich mehr an PINK FLOYD als an klassischen Heavy Metal. Denkbar wäre auch, dass die Band zuletzt absichtlich ein spartanisches Albumcover gewählt hat, um live umso opulenter mit Licht, Videos und schief hängenden Keyboards zu beeindrucken.

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Untermalt von einer beeindruckenden Lichtshow zelebrierten DREAM THEATER knapp drei Stunden lang ihre komplexen Songs.

Mein persönlicher Eindruck? Ich bin alt geworden. Als James LaBrie erwähnte, dass Awake dieses Jahr seinen 20. Geburtstag feiert, musste ich schlucken. Damals hatte ich die Band gerade für mich entdeckt und der Albumveröffentlichung entgegengefiebert – nur um sie mir dann irritiert schön hören zu müssen. Die genialen Kompositionen waren fort, nur sporadisch blitzte die frühere Genialität auf. So war in Saarbrücken einmal mehr Lie eine bestenfalls nette Nummer, während das Outro von Scarred mit seinen Streicherflächen unglaublich schön klang. Das traumhafte Space-Dye Vest, das auf Platte über jeden Zweifel erhaben ist, wurde von John Petrucci an diesem Abend mit einem Frickelgitarrensolo beendet, welches bezeichnenderweise mehr Applaus erntete als der eigentliche Song. Spätestens hier wurde klar, dass die Band ihr Publikum im Laufe der Jahre komplett erneuert hat. Eigentlich war das aber schon vorher klar, als LaBrie sich daran erinnerte, dass die Band bereits bei ihrer ersten Tour in Saarburg Halt gemacht hatte – woraufhin gefühlte sieben Leute signalisierten, dass sie damals dort beim Konzert gewesen waren.

DREAM THEATER bieten anno 2014 eine äußerst unterhaltsame Live-Show, keine Frage. Im Vergleich zu meinem letzten Live-Erlebnis vor 12 Jahren wirkte die Band frischer, zufriedener und homogener. Ich habe mich keine Sekunde gelangweilt, obwohl ich die Bandgeschichte schon seit vielen Jahren nur noch beiläufig verfolge. Breaking All Illusions beispielsweise gefiel mir anfangs ganz ausgezeichnet. Allerdings kam ich immer noch nicht darüber hinweg, dass die Band auf dem dazugehörigen Album die Songstrukturen von Images & Words recyclet haben (bei diesem Song konkret Learning To Live). Wer die aktuellen Werke der Band mag, wird den Konzertbesuch keinesfalls bereut haben – im Gegenteil! Ich für meinen Teil werde allerdings in Zukunft zu Hause bleiben und in Erinnerungen schwelgend die Live-Aufnahmen vom Anfang der 90er-Jahre anhören.

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