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PARADISE LOST: Tragic Idol

Die Fangemeinde von "Icon" und "Draconian Times" wird jubeln – und ich kann nicht anders, als mitzujubeln.

Warum sind sie plötzlich in meinem Haushalt wieder so präsent, PARADISE LOST, die in den letzten zehn Jahren hauptsächlich für Enttäuschungen verantwortlich waren? Die glorreichen Taten der Neunziger, inklusive Host, stehen selbstverständlich aufgrund ihrer Zeitlosigkeit immer noch hoch im Kurs, nach Believe In Nothing ging es in den Keller, und nachdem mich sogar In Requiem kalt ließ, ist erst seit Faith Divides Us – Death Unites Us Besserung in Sicht. Das Interesse an Tragic Idol rührt nun aber aufgrund dreier Punkte. Erstens, das wunderschöne Plattencover. Zweitens, PARADISE LOSTs Ausflug zu Draconian Times in Form einer Live-DVD, auch wenn ich diese nicht kenne. Immerhin lief in der Konsequenz Draconian Times wieder des öfteren bei mir. Drittens und vielleicht der wichtigste Punkt, Gregor Mackintoshs Ausflug in Richtung VALLENFYRE, das eine glaubhafte Rückbesinnung auf alte, extreme Metalwurzeln darstellt, ohne den Geruch einer Midlife Crisis zu verströmen.

Tragic Idol ist nun freilich keine Annäherung an Prä-Icon-Zeiten, sondern die von vielen Seiten erhoffte, logische Fortführung von Draconian Times. Und es kommt genau zur rechten Zeit. Wäre Tragic Idol in den Neunzigern veröffentlicht worden, es hätte für PARADISE LOST die pure Stagnation bedeutet. Mit der Reife, die Nick Holmes und seine Kollegen heute an den Tag legen, mit der Erfahrung und den Experimenten, die sie in den letzten siebzehn Jahren sammelten, wirkt Tragic Idol wie eine Heimkehr, die aber weder sentimental noch kalkuliert wirkt. Tragic Idol ist eine kraftvolle, druckvolle und intensive Angelegenheit, es ist ein Album voller hervorragend geschriebener Stücken, die teilweise durchaus Gänsehaut hervorrufen können. Dabei ist es eigentlich nur eine Ansammlung von Songs, die auch genau das sein wollen: Gute Songs. Popnummern mit E-Gitarrern, Mollriffs, morbiden Leadgitarren, geröhrtem Gesang. Dass Kitsch und Klischees hierbei vermieden werden können, ist einzig dem klaren Kopf der Bandmitglieder zu verdanken.

Es ist eine abwechslungsreiche Metalplatte, die PARADISE LOST im Gepäck haben. Zwischen elegischen Gothic Metal-Songs wie Solitary One und dem Titeltrack, schwermütigen Doom Metal-Stücken à la Cucify, Fear Of Impending Hell und The Glorious End, sowie überraschend flotten, brachialen Nummern wie Theories From Another World und In This We Dwell tobt sich die Band voller Frische, Spielfreude und Kreativität aus, so dass es eine wahre Freude ist, zuzuhören. Daneben stehen mit Honesty In Death, To The Darkness und Worth Fighting For Stücke mit Hymnencharakter, Sternstunden auf diesem Album. PARADISE LOST sind nicht erst seit gestern erwachsen geworden, das ist schon mit One Second geschehen. Jetzt schienen sie aber akzeptiert zu haben, wie sie am besten funktionieren, wirken dabei nicht verbittert, sondern neu motiviert. Ein zweiter Frühling eben.

Nein, all das war nicht zu erwarten, vor allem nicht von einem Skeptiker wie mir. Tragic Idol ist ein extrem starkes Album geworden, dass von mal zu mal wächst, das am Stück funktioniert, das aber auch einzelne Hits parat hat, die aus dem Zusammenhang gerissen funktionieren. Instrumental gibt es keine Schwächen zu vernehmen, vor allem Nick Holmes, der mal mit seiner tiefen Stimme singt, dann unvermittelt wieder losbrüllt, dabei aber immer melodisch bleibt, liefert eine ganz große Leistung ab. Nein, ich war der Letzte, der PARADISE LOST so eine Platte zugetraut hätte. Manchmal macht sich Neugier eben doch bezahlt. Und ja, wer Icon und Draconian Times liebt, wer aber keine Kopie von diesen Alben erwartet, sondern ein gereiftes, sehr kraftvolles Werk im Hier und Jetzt, eine Fortführung im positiven Sinne, der liegt mit Tragic Idol goldrichtig. Eigentlich ist es ein Konsensalbum, das das Zeug hat, die Fans aller Phasen von PARADISE LOST zufrieden zu stellen. Die Fangemeinde wird jubeln, und ich juble ausnahmsweise einfach mal mit.

Veröffentlichungstermin: 20. April 2012

Spielzeit: 46:02 Min.

Line-Up:
Nick Holmes – Vocals
Gregor Mackintosh – Guitar
Aaron Aedy – Guitar
Stephen Edmondson – Bass
Daniel Erlandsson – Drums
Label: Century Media

Homepage: http://www.paradiselost.co.uk

Mehr im Netz: www.facebook.com/paradiselostofficial

Tracklist:
1. Solitary One
2. Crucify
3. Fear Of Impending Hell
4. Honesty In Death
5. Theories From Another World
6. In This We Dwell
7. To The Darkness
8. Tragic Idol
9. Worth Fighting For
10. The Glorious End

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