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THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE: Die Belohnung nach den Strapazen des Lebens

Mit ihrem dritten Album "From The Stairwell", auf dem sich sagenhafte Songs wie "Celladoor" und "White Eyes" nur so tummeln, spielen sich THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE gnadenlos in die Herzen aller, die es langsam, atmosphärisch und sexy mögen. Und gerade in den letzten zwei Jahren zeigte sich das niederländische Ensemble sehr aktiv, bietet nicht nur laufend neue Alben von ihrem Alter Ego THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION, sondern hat ein neues Hauptwerk, das schon jetzt zu den Highlights des Jahres gehört. Wir fragen Bassist und Songschreiber Jason Köhnen, wie er denn zu den Themen Dunkelheit, Kompostion und Twin Peaks steht.

Mit ihrem dritten Album From The Stairwell, auf dem sich sagenhafte Songs wie Celladoor und White Eyes nur so tummeln, spielen sich THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE gnadenlos in die Herzen aller, die es langsam, atmosphärisch und sexy mögen. Und gerade in den letzten zwei Jahren zeigte sich das niederländische Ensemble sehr aktiv, bietet nicht nur laufend neue Alben von ihrem Alter Ego THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION, sondern hat ein neues Hauptwerk, das schon jetzt zu den Highlights des Jahres gehört. Wir fragen Bassist und Songschreiber Jason Köhnen, wie er denn zu den Themen Dunkelheit, Kompostion und Twin Peaks steht.

Hallo Jason, stell dir vor, es würden keine Filme existieren. Würden THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE trotzdem Musik machen, vielleicht auch drastisch unterschiedlich?

Nein, wir können auch perfekt ohne die Existenz von Filmen komponieren. Der erfundene Soundtrack zu einem Film ist ein Konzept, aber wir können perfekt ohne diese Filme komponieren.

Kürzlich habe ich in einen großen Artikel in einer wissenschaftlichen Zeitschrift gelesen, wie wichtig die Dunkelheit für die menschliche Psyche ist. Ist eure Musik ein kleiner Beitrag für das Gleichgewicht der Welt?

Nicht wirklich, wir komponieren einfach Musik, die unserem Geschmack entspricht. Dunkelheit hängt davon ab, wie man das Licht wahrnimmt. Meiner Meinung nach ist dunkle Musik viel ansprechender als helle Musik.

Wurden alle Songs in der Nacht geschrieben? Immerhin klingt From The Stairwell so, als hättet iht einen ziemlich aus dem Ruder gelaufenen Tagesrhythmus, als hättet ihr seit Monaten die Sonne nicht mehr gesehen.

Naja, die Sonne scheint hier so oder so nicht.

Passiert in eurem Leben eigentlich noch etwas anderes als THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE und THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION?

Es ist immer die gleiche Leier. Man kämpft, um sich durchzubringen, wie es überall sonst auch ist. Es gibt Höhen und Tiefen. Aber das gilt ja für das Leben im allgemeinen, denke ich.

From The Stairwell erscheint nur anderthalb Jahre nach Here Be Dragons. Habt ihr mit dem Songwriting gar nicht erst aufgehört und habt ihr einen konstanten Arbeitsprozess, oder seid ihr einfach nur schnelle Komponisten?

Wir hatten einige Skizzen von From The Stairwell schon vor Jahren fertig gestellt, aber das wollte nicht zum Konzept von Here Be Dragons passen, also musste ich nicht alle Stücke erst nach Here Be Dragons komponieren. Davon abgesehen komponieren wir in der Tat recht schnell. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass wir schreiben können, was wir wollen, ohne den Druck zu haben, in eine musikalische Form passen zu müssen. Völlige Freiheit macht das Komponieren viel einfacher.

Steckt der Teufel im Detail? Ist es am Schwierigsten, an den ganzen Details zu arbeiten, wenn das Grundgerüst schon steht? Ich denke hier an einige Synthesizer oder auch die Klarinetten in Giallo.

Ich kann uns nicht mit anderen Produzenten vergleichen und wie sehr sie sich mit Details aufhalten, aber ich glaube nicht, dass wir es ins Extreme treiben. Wenn ein Song gut klingt, dann ist er auch gut. Wir müssen nicht Ewigkeiten herum optimieren.

Ist es ein Unterschied, wenn ausgebildete Musiker zusammen arbeiten, verglichen mit semiprofessionellen Musikern, die im Keller jammen?

Ach weißt du, ich glaube, wir fallen eher in die zweite Kategorie, haha!

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Film Noir-Dekadenz gibt es nicht nur musikalisch, auch die Special-Edition des Albums kommt geradezu dekadent daher.

Wurden die Songs komplett von Gideon und dir geschrieben, oder hatten die anderen Musiker die Chance, alle ihre Einsätze so zu schreiben, wie sie wollten?

Ich und Gideon komponieren die Grundgerüste von allen unseren Songs. Es gibt auch ein paar Stücke, an denen Charlotte großen Anteil trägt. Die anderen Musiker, auch wenn sie nur ihre eigenen Stellen schreiben, sind genauso wichtig für das Ergebnis. Dieser Prozess macht das Schreiben der Musik so interessant, da jeder seinen Teil individuell und mit völliger Freiheit entstehen lässt.

Mit kommt es so vor, als hättet ihr dieses Mal einen anderen Ansatz verfolgt, als hättet ihr die Idee zu einem Film im Kopf und würdet der Geschichte konsequent folgen. From The Stairwell klingt meines Erachtens konzeptueller als eure früheren Alben.

Ich finde ehrlich gesagt Here Be Dragons konzeptueller. Vielleicht sind sie es auch beider gleichermaßen, aber das ist nicht wichtig. Viel wichtiger ist, dass wir ein neues Szenario erschaffen wollten und nicht mit der gleichen Stimmung weiter machen wollten, wie bei  Here Be Dragons. Damit meine ich, dass unsere Alben als Filme gesehen werden können – jeder Film, beziehungsweise jedes Album wurde vom selben Regisseur und denselben Schauspielern erschaffen, aber es gibt ein völlig anderes Drehbuch. Die Handschrift ist zu erkennen, aber das Ergebnis ist völlig anders.

From The Stairwell klingt so verlockend, ist eingängig und gleichzeitig verstörend und mutet an wie ein Labyrinth, so als hätten THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION einenj Drone- und Improvisationseinfluss auf eure Musik. Inspirieren sich beide Projekte gegenseitig?

Es geht nicht darum, dass wir uns gegenseitig inspirieren. Es ist eigentlich ganz simpel: Wir sind eine Gruppe von Musikern, die persönlich auf einer Wellenlänge liegt, alle haben großartige individuelle Charakteristiken und empfinden das Musizieren als Leidenschaft. Ich glaube, es zeichnet uns aus, dass wir keine Egos haben und darauf bedacht sind, aus jedem Musiker das Beste heraus zu holen. Eben eine gesunde Harmonie.

Zumindest Cocaine und Past Midnight klingen aber irgendwie improvisiert, haben keine nachvollziehbaren Songstrukturen. Wurden diese Stücke auch unter Drogen geschrieben?

Das Leben ist von Drogen inspiriert, mein Freund.

Ha, aber immerhin klingt Cocaine wie das, was nach dem Tod passiert. Zunächst ist es unsicher, dunkel, gefährlich und kompliziert, aber plötzlich wird alles glasklar, als würde man das Licht am Ende des Tunnels finden. War das eure Absicht?

Ja, der Tod ist die Belohnung nach den Strapazen des Lebens.

Meine Lieblingsstücke sind jedenfalls White Eyes und Cellardoor, sie sind so unglaublich zärtlich und betörend, da muss ich teilweise an GREGOR SAMSA denken.

Nein, von GREGOR SAMSA habe ich noch nie gehört, daher haben sie mich auch nicht inspiriert.

Giallo, All Is One, Cotard Delusion und Les Etoiles Mutantes zeigen den klassischen THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE-Stil, aber es wirkt heute viel organischer, mit jazzigerem Rhythmen und weniger Trip Hop. Ist das wirklich alles programmiert?

Wir haben für From The Stairwell exakt denselben Drumsound wie für Here Be Dragons, vielleicht ist da aber eine Veränderung in der Produktion, ich weiß es nicht. Wir haben wirklich nicht viel verändert. Jeder Song verlangt ein gewisses Schlagzeugspiel, manchmal ist es eben etwas leichter und jazziger, manchmal bombastischer und elektronischer.

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Das Pledge-System ist ein schönes Bindeglied zwischen dem Hörer und der Band. THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE setzen bei der Finanzierung von From The Stairwell auf die sicherste Option: Die Fans.

Der Drumcomputer eurer Konzerte war beide Male aber zu basslastig und zu laut und dumpf. Warum arbeitet ihr live nicht mit einem echten Schlagzeuger?

Wir haben schon mit einem Schlagzeuger zusammen gearbeitet, nämlich Balasz Pandi, und das hat auch gut funktioniert. Aber wenn wir mit einem Drummer weiter machen würden, müssten wir auch mit ihm aufnehmen. Allerdings schneiden und komponieren wir die Schlagzeugspuren so sorgfältig, dass ein normaler Schlagzeuger nicht die exakten Beats spielen könnte. Außerdem ist das Schlagzeug ein wichtiger Bestandteil von THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE, also bevorzugen wir es, dieses elektronisch zu verwenden. Und um ehrlich zu sein, sehe ich keinen Grund sich darüber aufzuregen, ob wir einen Schlagzeuger haben oder nicht. Wir haben es selbst aufgenommen und programmiert, und es nimmt auch nichts von der Stimmung der Songs auf der Bühne.

Doch, wenn die Anlage des Clubs damit nicht zurecht kommt. Jedenfalls gibt es genau zwei Bands, mit denen THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE gerne verglichen werden, nämlich BOHREN UND DER CLUB OF GORE und PORTISHEAD. Meiner Meinung nach seid ihr irgendwo dazwischen, aber macht dennoch etwas recht eigenes.

Ich erkenne eigentlich keine Gemeinsamkeit zwischen BOHREN UND DER CLUB OF GORE und uns, außer der Jazz-Basis. Ihre Musik ist auf ein Tempo fixiert und auf jeden Song ausgerichtet. Unsere Songs variieren alle deutlich in Tempo, Arrangement und Instrumentierung. Nur weil wir beide eine Jazz-Basis haben und stimmungsvolle Musik machen, scheinen wir ähnlich zu sein. Das selbe gilt für PORTISHEAD, die eine großartige Band sind, aber unser erstes Album, das noch ohne Charlotte aufgenommen wurde, hat gar nichts mit ihnen zu tun. Erst seit wir den weiblichen Gesang haben, werden wir mit ihnen verglichen. Natürlich, beides sind großartige Bands, aber sie haben THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE noch nie beeinflusst. Für mich sind eher JOHN COLTRANE, MINGUS, MILES DAVIS oder MOGWAI und Produzenten wie Amon Tobin und Patrick Pulsinger prägend.

Charlottes Gesang ist dieses Mal deutlich anders als auf Here Be Dragons. Sie setzt ihren Gesang eher als Instrument ein, und Worte sind nicht oft nötig. Ist die Stimmung, sind die Bilder, die diese Songs im Kopf des Hörers zeichnen reiner, wenn sie nicht von Worten gestört werden?

Ursprünglich verwendete Charlotte ihre Stimme bei uns rein als Instrument, typischen Gesang mit Sprache planten wir gar nicht. Aber ich denke, jeder Song verlangt eine gewisse Art des Gesangs und Charlotte macht es wirklich gut, die Atmosphäre mit den unterschiedlichen Arten, wie sie ihre Stimme verwendet, zu unterstützen.
Wir haben keine Vorlage, nur völlige Freiheit, wie wirMusik machen. Wir planen nicht, wie wir bei der Komposition vorgehen, indem wir uns selbst begrenzen. Alles ist möglich.

Eiríkur Orri Ólaffson spielt auf Celladoor Trompete, was den Song wirklich extravagant wirken lässt. Habt ihr ihn an Bord geholt, da er schon auf eurer vergangenen Tour mit euch gespielt hat?

Eiríkur war ursprünglich unser Ersatzmann, wenn Hilary nicht live auftreten konnte. Wir baten ihn deshalb auch, einige Teile des Albums einzuspielen, was wirklich gut gelang, denn er hat einen völlig eigenen Stil. Er spielte auf unserer letzten Minitour und wird einige Shows auf der kommenden Tour spielen.

Es gibt nicht viele Gastmusiker auf From The Stairwell, da die meisten von euch eh Multiinstrumentalisten sind. Hilft euch das, die Musik live zu reproduzieren?

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Es zeichnet uns aus, dass wir keine Egos haben und darauf bedacht sind, aus jedem Musiker das Beste heraus zu holen. Harmonie im Hause THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE.

So ziemlich. Da wir alle natürlich nur ein paar Hände haben müssen wir einige Spuren über unsere Laptops laufen lassen, ansonsten bräuchten wir ungefähr fünfundzwanzig Musiker auf der Bühne. Wir versuchen so viel wie möglich live zu reproduzieren, aber manchmal ist das einfach nicht machbar.

Um euer neues Album zu finanzieren habt ihr einen Pledge ins Leben gerufen. Garantiert euch das eine unabhängigere Arbeitsweise?

Ja, aber der Pledge war hauptsächlich dafür da, das Album zu finanzieren.

Jedenfalls bedeutet dieses Vorgehen für mich, dass die Band und die Hörer enger miteinander verknüpft werden. Die Fans helfen das Album zu realisieren – ist das ein positiver Nebeneffekt, dass die Fans sich mehr mit der Musik identifizieren und dem Künstler treu bleiben?

Ganz genau, das ist es auch, was wir wirklich an dem Pledge-System mögen. Es ist ein schönes Bindeglied zwischen dem Hörer und der Band.

Was habt ihr mit dem Pledge finanziert? Nur die Aufnahmen, oder auch das Pressen?

Nur den ganzen Produktionsprozess. Der reicht vom Studio bis hin zum Artwork und schließt alles mit ein, was nötig ist, um ein Album ins Leben zu rufen.

Die Special-Edition von DENOVALI ist wirklich luxuriös, schon fast ein wenig dekadent, leider habe ich sie noch nicht zu Hause. Ein Buch, das die Songs visualisiert, ist jedenfalls etwas wirklich besonderes. Wer hat an diesem Projekt gearbeitet?

Das war ich. Wir waren der Meinung, das Design sollte so persönlich wie möglich sein. Wer könnte das Album besser visualisieren, als die Künstler selbst? Und ja, diese Edition ist sehr dekadent, das grenzt schon an Film Noir-Dekadenz, ha!

Seid ihr mit eurem Label zufrieden? Mir erscheint es, als hättet ihr und DENOVALI dieselbe Einstellung zur Musik und ihrer Präsentation.

DENOVALI sind großartig. Sie leisten großartige Arbeit mit den physischen Veröffentlichungen, und es wirklich gigantisch den Backkatalog auf so wundervolle Art und Weise nachgepresst zu haben. Hut ab vor DENOVALI!

Ein gutes Stichwort. Ihr habt auch euer Debütalbum letzten Monat neu aufgelegt, da es nicht mehr erhältlich war, aber es wurde nur neu verpackt, nicht neu gemastert. Kann es außerdem sein, dass sich die Tracklist verändert hat?

Nein, wir haben es in der Tat nicht neu gemastert, einfach eins zu eins neu aufgelegt. Vielleicht ist die Tracklist der LP ein wenig anders, da die Songlängen der Vinylseiten nicht angepasst werden können.

Das optische Element ist für THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE immens wichtig, daher verwendet ihr Projektionen zu euren Auftritten. Wer von euch steckt dahinter?

Das ist ein langer Prozess. Gideon kümmert sich im Normalfall um die Visuals. Wir besprechen alle Möglichkeiten, aber er ist derjenige, der sich um sie kümmert. In Zukunft würden wir gerne unseren eigenen Film drehen, aber logistisch und finanziell sind wir noch nicht bereit dafür.

Ihr werdet ab kommender Woche wieder touren, aber nur wenige Shows in Deutschland spielen. Kannst du dazu schon etwas verraten?

Wir planen noch ein wenig und proben dafür noch, also kann ich nicht wirklich zu viel Information preisgeben. Aber ich bin sicher, dass wir Stücke von allen Alben spielen werden und ganz bestimmt auch ein paar neue.

Es soll ja Leute geben, die euch im April nicht sehen können. Werdet ihr dieses Jahr nochmal auftreten?

Ich hoffe es. Aber es ist schwierig mit einer großen Besetzung Shows zu buchen.

Jason, vielen Dank für das Interview. Abschließend darfst du noch verraten, wer deine Lieblingsfigur aus Twin Peaks ist.

Mein Lieblingscharakter ist, und ich glaube ich spreche damit für die ganze Band: Die Log Lady!

Fotos: Titelbild und zweites Bild (c) Creative Eclipse / Artwork und viertes Bild: (c) THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE.

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