blank

HEADBANGERS OPEN AIR 2010: Fragmente eines Festivalberichts

Nach einigen negativen Stimmen im letzten Jahr war das HEADBANGERS OPEN AIR 2010 wieder ganz das Alte: eine gemütliche Gartenfeier mit ebenso nostalgischem wie qualitativ hochwertigem Metal.

Eigentlich hatte ich das HEADBANGERS OPEN AIR als Privatmensch besucht, sprich als ANVIL CHORUS-Fan. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle zumindest ein paar Eindrücke vom Festival hier schildern. Anhänger von nicht besprochenen Bands mögen mir verzeihen, dass ich erst am Freitag Mittag eintrudelte und mich dann am Samstag bereits vor Sonnenuntergang wieder auf den Heimweg machte.

Schon bei der Anreise merkte man, dass die Veranstalter sich die Kritik vom Vorjahr zu Herzen genommen hatten. Durch die Einbahnstraßenregelung musste niemand waghalsige Ausweichmanöver eingehen und die Ordnungskräfte konnten leichter die Zufahrt zur Campingwiese kontrollieren. Entsprechend war das HEADBANGERS OPEN AIR trotz des Ausverkauft!-Schilds nicht überlaufen, sondern bewahrte sich den gemütlichen Charme, für den seine Stammgäste es lieben. Der Sound war meistens sehr laut und besonders zu Beginn der Auftritte eher undifferenziert, was aber auch stark davon abhing, wo man sich gerade befand. Die Lautstärke stieß beim Großteil der Anwesenden jedenfalls auf offene Ohren. Die Bandüberschneidungen mit anderen Festivals dieses Jahr waren zwar suboptimal, aber zweifellos ein klares Zeichen von Zusammengehörigkeit in der Szene, wo nicht immer gleich auf Exklusivverträge gepocht wird bzw. im Notfall eben eine Band wie TYGERS OF PAN TANG oder DEMON kurzfristig anrückt und dann nicht mit Skepsis, sondern mit offenen Armen von den Headbangern empfangen wird.

Die überraschend breite Auswahl an Essen reichte von Fleisch und Pommes über Falafel bis hin zu Softeis – stets mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Man konnte auch Bier kaufen (und trinken), was ich jedoch im Gegensatz zu vielen anderen Leuten unterließ. Das Wetter spielte die meiste Zeit über mit – und wäre es schlimmer, sprich regnerischer gekommen, wären die Hilfskräfte offensichtlich vorbereitet gewesen. Zuletzt bleibt festzustellen, wie unkompliziert und offen die ganze Veranstaltung ablief. Die Ordnungskräfte waren stets freundlich und hilfsbereit. Und egal ob diverse Musiker oder die beiden Veranstalter Jürgen und Thomas – alle tummelten sich ohne Berührungsängste auf dem Gelände. Passend bedankten sich zahlreiche Bands danach auch noch mal extra im Online-Gästebuch bei allen Beteiligten für die schöne Zeit in Norddeutschland. Recht haben sie: Schön war`s!

 

Freitag, 30.07.2010: STORMZONE | ROXXCALIBUR | TYGERS OF PAN TANG | STORMWARRIOR | MEKONG DELTA | DEMON

Samstag, 31.07.2010: DER KAISER | OMEN | ANVIL CHORUS

 

Freitag, 30. Juli 2010

Der Freitag begann für mich mit einem Besuch im HELLION RECORDS-Laden in Itzehoe. Ich möchte gar nicht wissen, welche Summen ich bereits in Mailorder-Bestellungen investiert habe. Schließlich lässt ein Blick in den Katalog noch immer Metal-Herzen höher schlagen. Freilich war das Jagen und Sammeln in den Jahren vor dem Internet noch spannender und ergiebiger. Doch das Geschäft läuft immer noch und ich konnte vor Ort nicht widerstehen, allerlei Metal-Leckereien zu erwerben und mit verklärten Blick in die Raritäten-Schaukästen zu schauen. Trotz der relativ kleinen Ladenfläche brauchte ich eine ganze Weile, um alles durchzuschauen. So verpasste ich schließlich die Oldtimer von JAMESON RAID, die ich zwar nicht kannte, die aber diverse Leute mit ihrem Auftritt nachhaltig begeist hatten.

 

STORMZONE

Die Iren von STORMZONE boten musikalisch zwar nichts Besonderes, waren aber sichtlich erfreut, kurzfristig aufs Billing gerutscht zu sein. Die Mischung aus eingängigem Hardrock und IRON MAIDEN-Melodien passte jedenfalls gut auf das Festival.

 

ROXXCALIBUR

ROXXCALIBUR bekam ich nur aus der Ferne mit, da ich erst einmal über das Gelände spazierte und einmal mehr das lokale Angebot von HELLION RECORDS durchstöberte. Von dem, was ich mitbekam, lieferte die NWoBHM-Covertruppe einen routinierten Auftritt ab, der einmal mehr hohen Unterhaltungswert hatte, mir persönlich (Jahrgang 1979) jedoch entschieden zu nostalgisch war.

 

TYGERS OF PAN TANG

Eigentlich bin ich auch viel zu jung für die TYGERS OF PAN TANG. Aber ihr hungriger Auftritt beim diesjährigen KEEP IT TRUE-Festival hatte mich tief beeindruckt. Was auf Platte mehr oder weniger altbacken klang, erwachte auf der Bühne zu neuem Leben. So wie in der Tauberfrankenhalle lief es dann auch im norddeutschen Garten: In kürzester Zeit rockte die Band das Publikum warm und schaffte es, die Energie den gesamten Auftritt über aufrechtzuerhalten. Gangland, Suzie Smiled, Euthanasia, Hellbound, Slave To Freedom, Rock And Roll Man – die Kracher kamen Schlag auf Schlag. Hot Blooded und Dark Rider – beides Stücke jüngeren Datums, wobei besonders letzteres live mächtig regiert – fügten sich zwischendurch perfekt ins Gesamtbild ein. Lediglich Live For The Day konnte nicht ganz überzeugen. Da wäre Rock Candy vom letzten Album Animal Instinct sicherlich die bessere Wahl gewesen.

Live-Foto

Frontmann Jacopo Meille war einmal mehr Dreh- und Angelpunkt des Bühnengeschehens. Der Mann ist einfach mit einer grandiosen Rockröhre und unglaublich viel Charisma gesegnet. Ich weiß nicht, wie oft Robb Weir auf eine mögliche Wiedervereinigung mit anderen Ex-Mitgliedern angesprochen wird. Aber ich wage zu behaupten, dass TYGERS OF PAN TANG in der bestehenden Besetzung am meisten Sinn und am meisten Spaß machen. Egal, ob Mitsingteil, Gitarrenduelle oder Mördergroove – hier stimmte alles! Entsprechend laut war der Jubel und das Bedauern, als die großzügig bemessene Spielzeit aufgebraucht war.

 

Die musikalisch solide Darbietung von AMULANCE konnte mich danach nicht mehr vor die Bühne locken. Stattdessen probierte ich Crêpes mit Kinderriegelbelag. Zwischenstand: US Metal 0, Süßspeisen 1. Das war übrigens mal wieder eine der schönen Eigenschaften des HEADBANGERS OPEN AIRs: Die Bandreihenfolge richtete sich nicht zwingend nach Bekannt- oder Beliebtheitsgrad und sorgte so für eine schöne Durchmischung des Publikums.

Crepes-Foto

 

STORMWARRIOR

Weitgehend erholt konnte ich schließlich STORMWARRIOR genießen. Von der Bühnenpräsenz waren die Hanseaten den TYGERS hoffnungslos unterlegen. Allerdings spielten sie auch in einer anderen Stilliga. Das Quartett um Sänger/Gitarrist Lars Ramcke legte nach kurzem Intro mit Heading Northe los. Der melodische Speed Metal wirkte im ersten Augenblick fast schon exotisch. Jung und geschwindigkeitsorientiert waren nur die wenigsten Bands auf dem Billing. Musikalisch waren STORMWARRIOR für meinen Geschmack eine schöne Abwechslung. Nach dem nur flotten Metal Legacy folgte mit Valhalla der nächste Speed-Knaller. Weiter ging es mit Odinn`s Warriors, Lion Of The Northe und Thunderer. Das herrlich melodische Ragnarök klang live noch mehr nach I Want Out (HELLOWEEN). Während ich mit der Heading Northe-lastigen Setlist bis dahin sehr glücklich war, wurden aus dem Publikum vermehrt Rufe nach älteren Songs laut. Es folgte prompt Medley aus The Axewielder, Sign Of The Warlorde, Heavy Metal Fire und Iron Prayers, ehe mit Into The Battle auch schon der letzte Song angestimmt wurde. Musikalisch hat die Band sich gut verkauft, suchte aber zu selten den Kontakt mit dem Publikum.

Live-Foto

 

MEKONG DELTA

Zu MEKONG DELTA gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Mit Martin LeMar hat die Band endlich einen Sänger gefunden, der keine Erinnerungen an Zahnschmerzen und Fingernägel-auf-Tafel-Kratzen wachruft. Die schlechte: Ich kann mit dem kopflastigen Sperrgut, das auf der Setlist stand, immer noch nichts anfangen. Eine Weile lang war das Taktartraten unterhaltsam und der Kontrast zur ansonsten eher bodenständig ausgerichteten Bandauswahl amüsant. Aber das Fehlen von Melodien mit Wiedererkennungsmerkmalen veranlasste mich schließlich zum geordneten Rückzug. Viele Besucher sahen die Sache freilich anders und feierten die Band ab.

 

DEMON

Von ANGEL DUST vernahm ich wenig mehr als einige Soundfetzen, die zum Campingplatz herüberwehten. Pünktlich zu DEMON war ich dann aber wieder vor der Bühne. Mittlerweile hatte sich die Sonne verabschiedet und die Nacht des Dämonen konnte somit stimmig beginnen. Dave Hill und seine Mitmusiker wählten als Einstieg passenderweise Night Of The Demon und hatten das Publikum damit sofort auf ihrer Seite. Weiter ging es mit Into The Nightmare, Blue Skies In Red Square, Sign Of A Madman und Liar. Jeder Song wurde lautstark bejubelt. Ansagen wie I can´t hear you wurden im Laufe des Festivals leider viel zu häufig gemacht, schmälerten den musikalischen Genuss zum Glück aber nicht. Obwohl Dave Hill gut bei Stimme war, bemerkte zumindest ich in der Musik gewisse Alterserscheinungen, die sich im wesentlich in der Aussage zusammenfassen lassen, dass die Band nicht mehr so frisch und flott wie auf One Helluva Night klang. Am meisten fiel mir das bei dem genialen Remembrance Day auf, dem es in der zweiten Strophe an Leichtigkeit fehlte und dessen Abschlusssolo eher jaulte als funkelte. Das ist natürlich Jammerei auf hohem Niveau. Auch ich applaudierte am Ende und sang bei Don`t Break The Circle schließlich aus voller Kehle mit. Eine Zugabe war da obligatorisch und das rockende One Helluva Night stellte einen schönen Abschluss des Freitags dar.

 

Den ersten Song von CULPRIT schaute ich mir zwar noch an, doch der in meinen Ohren durchschnittliche US Metal war weniger attraktiv als mein Schlafsack. US Metal 0, Nachtruhe 1.

 

 

Samstag, 31. Juli 2010

 

DER KAISER

Nach erfreulich viel Schlaf begann ich den letzten Festivaltag gemächlich. Als einzige Band des Nachmittagsprogramms konnte mich DER KAISER vor die Bühne locken. Als einzige Ein-Gitarren-Band des Festivals vermochten die Franzosen stimmige Leadmelodien zu spielen. Die stilvoll gekleideten Franzosen boten musikalisch zwar nichts Neues, legten aber eine erfrischende Spielfreude an den Tag. Besonders der Sänger war ständig in Bewegung und lebte jede Note der Musik mit. Dass besonders die hohen Noten eher sporadisch getroffen wurden, vergreulte viele Besucher. Doch die Band ließ sich davon nicht entmutigen, sondern genoss den Auftritt und poste heiter weiter.

 

OMEN

Eher zufällig war ich schon vor der Bühne als OMEN früher als geplant loslegten. Die Songauswahl konzentrierte sich wie gewohnt auf die ersten drei Alben. Im Gegensatz zu DEMON agierte die Band jedoch hungrig und munter. Entsprechend knallten Lieder wie Die By The Blade, The Curse oder Dragon`s Breath tight aus den Boxen. Einzig die Gitarre ging im Lärm häufiger unter. Musikalisch wäre hier ein zweiter Saitenquäler (wie anno 1997) sicher eine gute Sache. Menschlich waren OMEN dagegen einmal mehr eine geschlossene Einheit, die auch abseits der Bühne ihren Spaß hatte und auch dann den Signierstift (und die Kamera) zückte, wenn jemand die andere (Arsch-)Backe hinhielt.

 

ANVIL CHORUS

ANVIL CHORUS hatten das Pech, dass pünktlich zu ihrem Auftritt Regen einsetzte und die Zahl der Schaulustigen erstmal stark reduzierte. Vor der Bühne wurde es dennoch eng, nicht nur wegen der Überdachung, sondern weil eine Europa-Premiere anstand, auf die meine Wenigkeit viele Jahre gewartet hatte. Die mittlerweile zum Quartett geschrumpfte Formation um Aaron Zimpel (Gesang und neuerdings auch Bass) und Thaen Rasmussen (Gitarre) begann mit einem neuen Song namens Blood Memory, von dem nach einer coolen Einstiegsmelodie wenig mehr als Geschrammel auf der E-Saite zu hören war. Der Sound wurde zum Glück nach und nach besser; direkt vor der Bühne blieb der Gesang aber leider leise, so dass die anderen beiden neuen Stücke, Deadland und Solar Flux, nicht ihre volle Wirkung entfalten konnten. Dafür klangen Songs wie Red Skies und Blue Flames heavier denn je und lockten so manchen US Metal-Fan vor die Bühne.

Ich war offen gesagt überrascht, wie tight die Band spielt. Besonders Schlagzeuger Steve Kilgore trommelte sich förmlich die Seele aus dem Leib. Im direkten Vergleich zu OMEN waren ANVIL CHORUS sicher weniger agil. Dafür boten sie Twin-Gitarrenarbeit auf höchstem Niveau. So funktionierte Phase To Phase auch ohne Keyboards hervorragend. Keine Frage, mir wäre Once Again statt Death Of A Dream lieber gewesen. Aber in der aktuellen Besetzung funktionieren die metallischeren Songs wahrscheinlich einfach besser. So erreichte der Auftritt dann beim mitsingtauglichen Blondes In Black (mit Guitarmony-Outro), der genialen Metal-Melodie-Synthese The Blade und einer sehr schnellen Version von Deadly Weapons seinen Höhepunkt. Die Reise nach Schleswig-Holstein hatte sich gelohnt – für die Band und für mich! Immerhin konnte die Band etwas von dem Jubel ernten, der ihr seit nunmehr 28 Jahren (!) gebührt. Ich denke, nach der Zugabe Man Made Machines waren alle anwesenden Fans vollauf begeistert – und vermutlich hat der Auftritt auch bei einem Teil des Laufpublikums Interesse geweckt.

 

RAVEN, SOLITUDE AETURNUS und VIRGIN STEELE boten anschließend offenbar noch überzeugende Auftritte, aber ich war bereits auf dem Heimweg – und selig im Metal-Himmel angesichts der ANVIL CHORUS-Show und der energischen TYGERS OF PAN TANG-Performance. Und satt angesichts einiger Kinderriegel-Crêpes.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner