OZZY OSBOURNE: Scream

"Scream" kann natürlich die Klassiker nicht verdrängen, lässt aber die schwächeren Alben der letzten Jahre etwas vergessen. Und eines bleibt wohl immer bestehen: Rockstar, Metallegende, Altrocker, Freak, Rockzombie oder Wachsfigur, "OZZY, wir lieben dich auch"!

Zunächst einmal Daumen hoch für Sony/BMG: Promo-Downloads sind zweifelsohne doof, aber hier gibt es sogar die Möglichkeit für den Schreiberling, sich das Album als Wave-Files runterzuladen und den vollen Sound genießen zu können, sogar eine Anleitung zum korrekten Brennen auf CD gibt es. Und was ist der Dank dafür? Am Tag der Freigabe (die gezielt erst kurz vor Release gesetzt wurde) ist das Album sofort auf den einschlägigen Filesharingportalen zu finden. Es bleibt schlichtweg zum Kotzen, dass wenige (?) Idioten den Ruf der mit Leidenschaft und Verantwortungsgefühl arbeitenden Schreiberlinge wieder mal in den Dreck ziehen. Musste mal wieder gesagt werden …

Das belegt allerdings auch das Interesse am zehnten Soloalbum vom Madman OZZY OSBOURNE. Das letzte Album Black Rain von 2007 fand ich recht unspannend, zuviel ausdruckslose Songs und ein überforderter Sänger ließen fast den Gedanken aufkommen, der Prince Of Darkness solle doch besser in die (hochverdiente) Rockrente gehen. Stattdessen hat sich der heute anstatt als Rockstar eher als kurioser Gruselfreak gehandelte … äh… Rockstar mit Produzent Josh Spence weitestgehend ins eigene Heimstudio The Bunker im heimischen L.A. zurückgezogen. Sein Sidekick von Black Rain, Kevin Churko, hat ihn wieder routiniert beim Songwriting unterstützt. Vielleicht auch, um sich von der ZAKK WYLDE-Ära (BLACK LABEL SOCIETY, PRIDE AND GLORY) zu lösen, schlägt man durchaus Töne an, die einen fast eher an ROB ZOMBIE erinnern und weniger an die letzten Alben von OZZY. Keine Ahnung, wie viel Einfluss Basser Rob Blasko Nicholson und Drummer Tommy Clufetos auf den Gesamtsound hatten, die ganz zufällig beide auch an der Seite von ROB ZOMBIE rocken bzw. gerockt haben. Von Adam Wakeman, Sohn des Keyboardmeisters RICK WAKEMAN (YES), bekommt man nicht wirklich viel mit. Die Akzente, die er setzt, sind hingegen immer hörenswert.
Der im Vergleich zu den neuen Kollegen recht junge Neu-Gitarrist Gus G. (FIREWIND, NIGHTRAGE, ARCH ENEMY, DREAM EVIL) macht das genau Richtige, der Grieche versteckt sich nicht in dem übermächtigen Schatten, den Gitarrenwizard WYLDE in so vielen Jahren aufgebaut hat. Bei den durchweg starken Leads orientiert er sich durchaus mal an seinem Vorgänger, zieht auch mal klassische, hochmelodische Melodieläufe ab, die dann gar an den legendären ersten OZZY-Gitarristen RANDY RHOADS (gestorben am 19.März 1982) erinnern, und lässt auch mal sein eigenes Spiel deutlich durchschimmern. Immer wieder denkt man an einen der bisherigen Guitarheroes aus dem Hause OZZY, ohne das Gefühl zu haben, Gus würde als stumpfe Pflichtaufgabe die Vorgaben platt übernehmen. Hier hat OZZY einen guten Griff gemacht, ob Gus auf der Bühne das Charisma eines ZAKK WYLDE hat, das steht auf einem anderen Blatt.
Beim Stichwort live muss man aber auch den Herrn des Hauses denken. Dessen Gesang kommt hier auf Scream so fett und sauber, da hat er in seinem Heimstudio hörbar aufgerüstet und die Technik spielen lassen. Mag sein, dass sein aktueller Weg zu einem gesünderen Lebenswandel ihm auch stimmlich zugute kommt. Aber wer den Herrn die letzten 30 Jahre mal live gesehen hat, der weiß natürlich, dass Herr OSBOURNE den Gesang so auf keiner Bühne umsetzen kann. Aber was soll´s, eben hier auf dem Album macht es Spaß, dieser Kultfigur zuzuhören. Gerade, weil er sehr ordentliche Songs auf den Leib geschrieben bekommen hat, die immer genug OZZY OSBOURNE bleiben, um die Altrocker bei Laune zu halten, aber durch die dezent moderne Linie auch doch noch den ein oder anderen jüngeren Hard`n´Heavy-Fan auf sich aufmerksam machen zu können. Wer bei dessen Namen – durchaus berechtigt – bisher nur an alte Säcke mit Haarausfall und Bierbauch gedacht hat, die zu traditionellem Heavy Rock die Wampe schunkeln lassen, der wird von Scream vielleicht überrascht sein.

So startet schon der Opener recht knackig, wird zur zeitgemäßen Groovenummer mit schönen Gitarrenleads. Die im Vorfeld veröffentlichte Single Let Me Hear You Scream zeigt sich als simple, treibende Mitgröhlnummer, bei der Gitarrenarbeit vermutlich noch auf ZAKK WYLDE zugeschnitten. Hier kann jeder mitsingen, live bringt der Song sicher die Stadien zum Kochen, nüchtern betrachtet ist es nicht mehr als ein weiterer griffiger Rocksong unter Millionen. Schön: es gibt keine platte Schunkelballade für die Dreamer-Fraktion. Die ruhigeren Songs werden immer laut und energisch aufgebrochen. Natürlich immer nur soweit, dass die Songs noch Radiotauglich bleiben, aber eben mit deutlich kantigerer Linie. Trotzdem kann man sicher sein, dass das ruhige Life Won´t Wait die nächste Single wird, auch das nette, an die frühen Balladen erinnernde Time bietet sich da an. Das fett groovende Soul Sucker, anfangs als Titelsong geplant, drückt direkt in Richtung der BLACK SABBATH-Fans, hätte ähnlich auch neben den neuen Songs Psycho Man und Selling My Soul auf dem Reunion-Live-Album stehen können. Noch deutlicher zielt Diggin´ Me Down in die Ecke der Urväter des Doom. Der zarte Beginn hätte gut eines der atmosphärischen Zwischenspiele auf den alten BLACK SABBATH-Alben sein können, das fette Doom-Riff – so heavy war OZZY vielleicht noch nie – hätte so auf das 92er Dehumanizer-Album gepasst, dass ja von RONNIE JAMES DIO (verstorben am 16.Mai 2010) eingesungen wurde. Noch obskurer, dass mich dieser Song mit den folgenden modernen Stakkatoriffs total an die Solosachen vom BLACK SABBATH-Basser GEEZER BUTLER erinnert. Unklar bleibt, was uns Latimer´s Mercy sagen will, trotz einiger guten Parts wirkt der Song unfertig. Aber den wirklich guten und einigen besseren Songs gelingt es im Gesamtbild doch, diese Nullnummer vergessen zu lassen.

Ein ungutes Gefühl bleibt, wenn man dem wie gewohnt nuscheligen Gesang mehr Aufmerksamkeit schenkt und die Texte etwas hinterfragt. OZZY geht mit sich selbst ins Gericht, sein Freund Jesus bekommt auch sein Fett weg, aber eine ausgeprägte Nachdenklichkeit ist kaum zu überhören. Ist dieses Album doch ein letztes Denkmal, das sich OZZY selbst setzen wollte? Sehr deutlich bietet man Songs, die mal an die frühen Soloalben erinnern, natürlich auch an die letzten Scheiben, und auch an die Tage mit BLACK SABBATH, gepaart mit einer dezenten Anbiederung an jüngere Metalheads. Wie oft wurden wir vom Madman bei Shows mit den glaubhaften Worten I Love You All verabschiedet? Was soll uns der eigentlich unnötige Minisong als Rausschmeißer sagen, der uns mit diesen Worten verabschiedet? Intuitionen hin oder her, sollte dies das letzte Album sein von OZZY OSBOURNE, dann wäre das ein würdevoller Abgang. Scream kann natürlich Klassiker wie Blizzard Of Ozz, Bark At The Moon, No More Tears oder vielleicht noch Ozzmosis nicht verdrängen, lässt aber die schwächeren Alben der letzten Jahre etwas vergessen. Und eines bleibt wohl immer bestehen: Rockstar, Metallegende, Altrocker, Freak, Rockzombie oder Wachsfigur, OZZY, wir lieben dich auch! Na ja, nicht alle, wer den Prince of Darkness bisher albern fand und seine Musik langweilig, der wird auch jetzt nicht mehr zum Fan werden.

Veröffentlichungstermin: 18.06.2010

Spielzeit: 48:53 Min.

Line-Up:

Ozzy Osbourne – Vocals
Gus G. – Guitar
Rob Blasko Nicholson – Bass
Tommy Clufetos – Drums
Adam Wakeman – Keyboards

Produziert von Ozzy Osbourne und Josh Spence
Label: Sony BMG

Homepage: http://www.ozzy.com

MySpace: http://www.myspace.com/ozzyosbourne

Tracklist:

1. Let It Die
2. Let Me Hear You Scream
3. Soul Sucker
4. Life Won´t Wait
5. Diggin´ Me Down
6. Crucify
7. Fearless
8. Time
9. I Want It More
10. Latimer´s Mercy
11. I Love You All

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