ELUVEITIE: Der Wahrheit auf der Spur

Nachdem sie zuletzt mit akustischen Klängen für Furore gesorgt hatten, kehrte die Schweizer Folk Metal-Band ELUVEITIE jüngst mit "Everything Remains (As It Never Was)" zu ihren härteren Wurzeln zurück. Drehleierspielerin Anna Murphy fand zwischen dem Trubel um ihre aktuelle US-Tour mit AMON AMARTH die Zeit, mit uns auf schriftlichem Weg über das neue Album, seine Bedeutung und das eigene Verhalten im Fall einer Zombieattacke zu sprechen.

Nachdem sie zuletzt mit akustischen Klängen für Furore gesorgt hatte, kehrte die Schweizer Folk Metal-Band ELUVEITIE jüngst mit “Everything Remains (As It Never Was)” zu ihren härteren Wurzeln zurück. Drehleierspielerin Anna Murphy fand zwischen dem Trubel um ihre aktuelle US-Tour mit AMON AMARTH die Zeit, mit uns auf schriftlichem Weg über das neue Album, seine Bedeutung und das eigene Verhalten im Fall einer Zombieattacke zu sprechen.

Vorweg erstmal Gratulation zum neuen Album, das mir sehr gut gefällt. Überhaupt scheint das Feedback der Presse überwältigend zu sein. Aber wie sieht es mit den Fans aus, wie sehen da die ersten Rückmeldungen aus?

Vielen Dank! Ja, die Presse reagiert allgemein sehr gut, was man aber von den Fans genauso behaupten darf. Ich kann bloß beurteilen wie die Leute bis jetzt reagierten, als wir die neuen Songs live präsentiert haben nach dem Release… Das war auf jeden Fall sehr positiv. Aber wie der Meinungsaustausch im Internet aussieht, weiß ich eher weniger…

Euer vorheriges Album “Evocation I – The Arcane Dominion” war ein rein akustisches Folk-Album. Nun seid ihr wieder zu euren metallischen Wurzeln zurückgekehrt. Obwohl sicherlich beides seine Reize hat – bevorzugst du mit etwas Abstand zum Akustikwerk eine der beiden Herangehensweisen? Was macht mehr Spaß?

Na ja, ich konnte bei der “Evocation I” wesentlich mehr zum Songwriting beitragen, da keine Metalriffs, sondern folkige Songs und Intermezzos gefragt waren. Das hat mir natürlich schon unglaublich Freude bereitet, aber ich kann dennoch nichts bevorzugen. Wir sind immerhin eine Metalband und es macht genauso Spaß an Metalsongs rumzutüfteln… Und es fetzt schon mehr, hehe.

Gibt es denn auch unterschiedliche Vorgehensweisen beim Songwriting? Mir kommt es jedenfalls so vor, als ob gerade die metallischen Stücke wie “Everything Remains” eures neuen Albums primär an der Gitarre entstehen, die folkigen Instrumentals (“Isara” und “Setlon”) hingegen zunächst an der Flöte bzw. den Whistles.

Das kommt ganz drauf an. Wenn Chrigel (Glanzmann, Vocals – Anm. d. Verf.) Songs schreibt, ist meistens alles schon beisammen. Manchmal baut er die Metalparts um eine bereits bestehende Folkmelodie auf, manchmal komponiert er die Folkparts zum fertigen Metalsong. Ivo (Henzi, Gitarre – Anm. d. Verf.) hat ja beim neuen Album wesentlich mehr zum Songwriting beigetragen… Bei ihm ist es so, dass er einen kompletten Metalsong schreibt, den er uns dann schickt, damit wir passende Folkmelodien ausarbeiten können.

“Das aktuelle Album beinhaltet deutlich weniger Traditionals.”

Wie sieht es denn beispielsweise mit “Lugdunon” aus? Der Song hat zahllose großartige Melodien und wird fast ausschließlich von den Ethno-Instrumenten getragen, obwohl er im Grunde eine Metalnummer bleibt. Schwer vorstellbar, dass er komplett an der Gitarre entstanden ist…

Das stimmt, das ist auch ein Song der eher aus einer Folkmelodie entstanden ist. Was als erstes stand bei diesem Song, war das besonders eingängige Strophentune, welches von Drehleier und Dudelsack gespielt wird.

Sind sämtliche der Folk-Melodien auf “Everything Remains” Eigenkompositionen oder werden auch Traditionals verwendet? Teilweise wirkt es zumindest so, als ob die Whistles sich zumindest an traditionelle Stücke anlehnen.

Ja, es ist wieder wie immer eigentlich. Gewisse Tunes sind traditionell, gewisse von uns. Obwohl das aktuelle Album deutlich weniger Traditionals beinhaltet als die Vorgängeralben.

Eluveitie
“In gewisser Hinsicht ist es erstaunlich wie wenig wir uns über die Jahrtausende eigent- lich verändert und wie wenig wir von vergangenen Fehlern gelernt haben.”

Ich höre außerdem immer wieder Irish Folk-Einflüsse heraus. Gibt es innerhalb der Band Fans von traditionellem irischen Folk und falls ja, was sind eure Favoriten?

Also ich persönlich höre keinen Irish Folk, außer wenn ich gerade in Irland in einem Pub sitze und den besoffenen Virtuosen zuhöre. Ich bin ja Halb-Irin und besuche immer wieder mal die Familie. Ich genieße die Musik sehr, aber höre mir zu Hause nichts an. Ansonsten wird innerhalb der Band gerne mal KILA oder THE BOTHY BAND gehört.

Gitarren, Bass und Schlagzeug sind auf “Everything Remains” stark im göteborgschen Melodic Death Metal angesiedelt, was meiner Meinung nach sehr gut zum Gesamtbild passt und perfekt mit den anderen Instrumenten harmoniert. Könnt ihr euch trotzdem vorstellen, mal einen komplett anderen Schwerpunkt zu setzen? Also beispielsweise richtigen Black Metal oder vielleicht schleppenden Doom mit Sackpfeifen, Drehleiher, etc. zu verbinden?

Das finde ich auch! Hmm…Interessante Frage, aber ich denke eher nicht. Ich meine, wenn man die “Everything Remains (As It Never Was)” durchhört, sind definitiv diverse Elemente enthalten, die nicht nur dem Melodeath-Stil entsprechen. Vor allem Tracks wie “(Do)minion” finde ich sowohl doomig als auch irgendwie thrashig. Also mit ELUVEITIE würden wir wohl nicht vollkommen die Richtung ändern, aber ansonsten können wir uns das durchaus vorstellen für andere Projekte.

“Als Chrigel das Projekt gründete, war der ganze Pagan und Folk Metal ja auch noch überhaupt nicht so am boomen wie jetzt.”

Wo wir gerade bei Göteborg waren…DARK TRANQUILLITY oder IN FLAMES?

Ich höre eigentlich weder noch, aber ich besitze ein Album von IN FLAMES (“Clayman“) und das ist doch recht cool… Also IN FLAMES!

Hehe, das gehört auch zu meinen Lieblingsalben. Was hältst du von dem in Deutschland boomenden Mittelalter- / Folk-Rock der Marke IN EXTREMO, SCHANDMAUL oder SALTATIO MORTIS? Hatten solche Bands irgendeinen Einfluss auf ELUVEITIE oder spielten eher Bands wie SKYCLAD eine Rolle für euch?

Musikalisch finde ich es ziemlich grauenhaft, ehrlich gesagt. Nichts gegen die Bands, aber ich kann es in der Zwischenzeit echt nicht mehr hören. Keine der aufgezählten Bands hatte Einfluss auf ELUVEITIE. Als Chrigel das Projekt gründete, war der ganze Pagan und Folk Metal ja auch noch überhaupt nicht am boomen wie jetzt, also hat er sich nicht auf etwas aus diesen Genres gestützt, sondern einfach seine musikalischen Lieblingselemente kombiniert, um etwas Neues zu kreieren. Das hat er auch geschafft, wenn ich so ehrlich sein darf.

Das darfst du, denn damit hast du auch fraglos recht. Als ich den Titel eures neuen Albums “Everything Remains (As It Never Was)” zum ersten Mal gelesen hatte, dachte ich, er bezieht sich auf die heutige postmoderne Gesellschaft. In gewisser Weise stagniert unser Dasein, Dekadenz macht sich breit, die Verbindung zum einstigen Ursprung scheint jedoch verloren.

Lyrisch besteht das Album aus Sammlungen von Geschichten aus dem antiken Gallien. Aus einzelnen Geschichten, Schicksalen oder Sagen, welche sich (zum Teil sehr bruchstückhaft) in die heutige Zeit übertragen haben. Wir wollen diese Geschichten jedoch mit einem sehr kritischen Blick betrachten mit der Idee, dass schlussendlich niemand genau weiß, wie es oder was damals war. So hat auch das Album den passenden Titel “Everything Remains (As It Never Was)” erhalten. Vor allem im Titeltrack ist die zentrale Frage, wie es damals eigentlich wirklich war, was überhaupt wirklich ist, was heute wirklich ist und was in Zukunft wirklich sein wird. Im Grunde genommen weiß das niemand.

“Die Frau auf dem Cover repräsentiert die erwachsene Slania”

Ich hab den Song so verstanden, dass sich manche Dinge in ihren Grundfesten niemals ändern, aber trotzdem, oder gerade deshalb, die Frage aufwerfen, ob wir unsere Welt von unserem begrenzten Standpunkt aus überhaupt wirklich begreifen können.

Das siehst du genau richtig, darum geht es im Titeltrack. Von der lyrischen Form her lehnt sich der Text an die alte bardische Dichtung der kymrischen Stämme an. Es gab eine Tradition, Rätselverse zu verfassen, welche schwerwiegend aus schweren oder nicht beantwortbaren Fragen bestanden haben.

Das Cover-Artwork kann ich bei dieser Interpretation leider nicht ganz einordnen. Oder dient es nur dem Zweck gut auszusehen? Wer hat es denn entworfen?

Die Frau auf dem Cover repräsentiert die erwachsene Slania – auf unserer letzten Metal-Scheibe, welche “Slania” hieß, war ja ein kleines Mädchen mit einem Schwert abgebildet. Die Idee hatte Chrigel, umgesetzt wurde diese von Travis Smith. Aber wie schon bei Slania gibt es nicht in dem Sinne einen direkten, plakativen Bezug zum lyrischen Inhalt. Für uns stellt das Artwork primär artistisches, atmosphärisches und metaphorisches Schaffen dar. Es geht vielmehr darum, eine Atmosphäre, ein Gefühl auszudrücken und zu vermitteln als eine konkrete Aussage.

Eluveitie
Es geht [beim Artwork] vielmehr darum, eine Atmosphäre, ein Gefühl auszudrücken und zu vermitteln als eine konkrete Aussage.
“Thousandfold” kann man gut und gerne auch als Text mit aktueller Thematik deuten. Besonders zweifelhafte politische Motivation wie vor ein paar Jahren im Irak kann nahezu unverändert auf den Song übertragen werden. Zufall, oder beeinflussen euch auch aktuellere Geschehnisse beim Schreiben der Texte?

Da hast du Recht. Als ich und Chrigel den Text zu “Thousandfold” geschrieben haben, ging uns so Einiges durch den Kopf was aktuelle Politik betrifft. Man merkt einfach, dass sich die Geschichte immer wieder wiederholt und sich im Grunde genommen nicht wirklich viel verändert hat. Besonders was politische Propaganda angeht. Das Ganze geht auch Hand in Hand mit dem grundsätzlichen Konzept hinter dem Albumtitel und der lyrischen Verarbeitung der historischen Thematik. In gewisser Hinsicht ist es erstaunlich, und wohl auch besorgniserregend, wie wenig wir uns über die Jahrtausende eigentlich verändert und wie wenig wir von vergangenen Fehlern gelernt haben.

Zu “Thousandfold” gibt es auch ein Video, das zwar sehr performancelastig ist, aber immerhin eine schöne Umgebung bietet. Wo habt ihr das denn gedreht und wo findet man noch solche Hütten?

Das Video wurde in Opole (Polen) in einem Freilichtmuseum gedreht.

“Es stellt sich wirklich die Frage, ob man noch eine Homepage braucht.”

Im Gegensatz zu vielen anderen Metal-Bands besitzt ihr noch eine richtige Homepage, die zudem noch regelmäßig aktualisiert wird. Wie wichtig ist es heutzutage noch, sich im Netz eine eigene Identität zu schaffen, anstatt sich komplett auf die bequemere, aber austauschbare MySpace-Plattform zu verlassen?

Das habe ich mich auch schon oft gefragt. Ich und Meri (Tadic, Geige – Anm. d. Verf.) haben ja jetzt ein neues Projekt (LIONESS – Anm. d. Verf.) und haben bis jetzt nur eine MySpace-Seite. Es stellt sich wirklich die Frage, ob man denn mehr braucht. Aber wenn ich dann ab und zu mal die ELUVEITIE-Homepage anschaue und merke, dass doch recht viele Leute ins Gästebuch schreiben, kann das ja doch nicht so verkehrt sein. Man muss ja auch bedenken, dass nicht jeder ein MySpace-Account hat und diese Plattform auch nutzt. Zumindest jeder 37te oder so, haha.

Vor kurzem habt ihr die Paganfest-Tour zusammen mit FINNTROLL beendet. Mit dabei war mit VARG auch eine Band, deren Sänger sich in jüngerer Vergangenheit in fragwürdigen, rechten Milieus herumgetrieben hat. Mittlerweile hat er sich zwar davon distanziert, das Outing kam jedoch nicht von ihm selbst. Wie geht ihr mit so einem Fall um? Habt ihr vor der Tour mit der Band ausführlich gesprochen und habt so geurteilt, ob es moralisch vertretbar ist, mit ihr die Bühne zu teilen? Was denkst du zu dieser ganzen Angelegenheit?

Also ganz ehrlich gesagt waren mir vor dieser Tour weder VARG noch die über sie kursierenden Gerüchte bekannt. Hätte ich von den Gerüchten gewusst, wäre ich – glaube ich mal – nicht sonderlich beeindruckt gewesen, da ich kaum glaube, dass Rock The Nation eine solche Band für eine Tour buchen würde, die wirklich zu Recht fragwürdig ist. Jedenfalls haben wir uns super mit den Jungs verstanden und ich finde, man könnte langsam ablassen von dem Thema.

Trotzdem halte ich es gerade bei derartigen Vorwürfen für wichtig, diese auch gezielt zu hinterfragen. Im April werdet ihr außerdem in den USA touren und einige Shows als Support von AMON AMARTH spielen. Gibt es denn eine große Nachfrage seitens der amerikanischen Fans? Mir war gar nicht bewusst, dass es eine Fanbase für derartigen Folk Metal in den USA gibt…

Ich hätte das noch vor zwei Jahren ehrlich gesagt auch nicht gedacht, aber die lieben Folk Metal. Das wird ja nun innerhalb von zwei Jahren immerhin schon das vierte Mal sein, dass wir dort touren. Ich hoffe mal, sie haben noch immer nicht genug!

“Eine DVD wäre natürlich ganz toll.”

Wie geht es denn nach der USA-Tour für euch weiter? Ihr werdet sicherlich einige Festivals spielen, aber was steht im Winter an? Habt ihr schon mal über eine DVD nachgedacht? Darf man sich über etwas in dieser Hinsicht freuen?

Jep, wir werden die Festivalsaison wieder etwas beackern und danach wollen wir so viel wie möglich mit dem neuen Album touren. Es wird also sicher noch zwei Touren geben im Herbst/Winter, aber noch nichts Bestätigtes, über das man sprechen könnte. Eine DVD wäre natürlich ganz toll. Wir haben uns auch schon des Öfteren darüber unterhalten. Wir hätten sogar auch recht viel Material, welches wir selber während Touren und Studiosessions aufgenommen haben. Mal sehen, vielleicht wird da ja endlich mal was draus.

Die wichtigste Frage zum Schluss: Stell dir vor, ein Zombie lebt in deinem Schrank und er fängt langsam an lästig zu werden, da er ständig versucht, dein Gehirn zu essen. Also willst du ihn töten, aber alles was du hast ist eine Karotte, ein Stück Schnur, einen schizophrenen Hamster und einen schottischen Dudelsack. Was machst du?

Ich esse die Karotte, weil ich Hunger habe und Karotten lecker sind. Währenddessen starre ich den Dudelsack an und weigere mich, ihn als nützliches Objekt anzuerkennen. Es könnte zwar sein, dass dem Zombie durch dieses furchtbare Gedudel der Schädel platzt, aber das wäre auch etwas zu einfach. Ich stoße das Teil also weg, während sich der Hamster mit der Schnur erhängt, weil er es als angeblicher Fisch ohne Wasser nicht mehr aushält. Okay, mein Gehirn wird wohl gefressen werden…

Pressefotos und Cover-Artwork © Nuclear Blast.

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