IN EXTREMO: Interview 2009

Kein Krippenfest ohne In Extremo! So auch Weihnachten 2009: Ab 3. Dezember sind die Mittelalter-Rocker wieder auf großer Gastspielrundreise. Der gnadiator hat vorab mit Sänger Michael Rhein aka Das letzte Einhorn telefoniert.

Kein Krippenfest ohne IN EXTREMO! So auch Weihnachten 2009: Ab 3. Dezember sind die Mittelalter-Rocker wieder auf großer Gastspielrundreise. Der gnadiator hat vorab mit Sänger Michael Rhein aka Das letzte Einhorn telefoniert.


IN EXTREMO zur Weihnachtszeit, das hat ja schon Tradition. Diesmal ist jedoch alles anders.

 

Die Tournee nennt sich Tranquilo und zeigt – nomen est omen – IN EXTREMO mal ganz anders. Es ist eine reine Akustik-Geschichte, wir spielen auf richtigen Holz-Gitarren und Holz-Bässen. Die Flammenwerfer bleiben diesmal zu Hause, dafür bringen wir Sofas mit, auf denen wir sitzen.

Sofas?

(lacht) Jawohl. Ich habe es selbst noch nicht gesehen, aber ich sitze wohl auf einem richtigen alten Kanapee undsoweiter. Das wird gut!

Hernach – so war zu hören – nimmt sich die Band eine längere Auszeit …

Wir machen uns nächstes Jahr ziemlich rar. Vielleicht spielen wir ein paar Festivals, mal sehen. Im Juli feiern wir unseren 15. Bandgeburtstag, da wird es eine große Show in der Zitadelle in Erfurt geben. Ansonsten wollen wir uns 2010 aber bewusst zurücknehmen und an unserer neuen Platte arbeiten.

Was machen wir dann Weihnachten 2010 ohne Euch?

Das letzte Einhorn: Keine Ahnung, vielleicht Tanz mit heraushängenden Geschlechtsteilen? (Lacht) Vielleicht sind wir bis dahin aber auch schon fertig mit der neuen Scheibe, dann geht wieder was. Andernfalls kehren wir erst 2011 zurück, da wäre ich dann auch nicht böse drum.

Warum? Steht Dir der Sinn nach Urlaub?

Nee, gar nicht. Ich habe sowieso sehr viel frei. Aber was heißt Urlaub? Mein Beruf ist ein Geschenk des Himmels: Geld verdienen mit seiner Musik und auch noch davon leben können – dafür muss man dankbar sein. Wenn mir jemand sagt spiel da und dort, dann bin ich da. Das ist Urlaub für mich. Ich reise in Länder, in die ich schon immer mal wollte. Und wenn ich sage, dass wir nächstes Jahr nichts machen, dann heißt das ja nicht, das wir nichts tun. So eine Auszeit macht schon Sinn. IN EXTREMO ist eine Band, die einen gewissen Druck braucht. Und den machen wir uns.

Wie kommt es, dass viele junge Bands zu Beginn ihrer Karriere Alben am Stück raushauen, später aber dann oft Jahre zwischen den Veröffentlichungen liegen?

Du arbeitest intensiver und tourst viel mehr. Schau, wir sind inzwischen auf der ganzen Welt unterwegs. Wenn du nach China oder Mexiko gehst, dann fährst du da nicht mal eben für zwei Tage hin. Wir nehmen uns zwar jedes Mal vor, unterwegs an neuen Liedern zu arbeiten, aber vergiss es. Auf Tour bist du permanent unterwegs, gibst Interviews, feierst und das ganze Programm. Da kommst du nicht mal dazu, ein Buch zu lesen.

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Hand aufs Herz: Ist dieses Mittelalterding nicht langsam durch?

IN EXTREMO ist IN EXTREMO. Wir hatten immer unseren eigenen Stil und haben auch hart dafür gearbeitet. Heute steht an jedem Bahnhof ein Dudelsackspieler, aber das ist okay. Jeder kann tun und lassen, was er mag, wir sind alle älter als sechs Jahre. Das Mittelalter wird immer unsere Wurzel sein, auch wenn wir heute streckenweise ganz weit weg sind davon. Wir sind sehr moderne Menschen, trotzdem sind die alten Instrumente immer dabei. 1997 wurden wir ausgelacht für das, was wir taten. Heute kommen die, die damals gelacht haben, und klopfen einem auf die Schulter. Aber man hat das von damals nicht vergessen … und bleibt trotzdem freundlich.

Ich weiß schon, Ihr mögt SUBWAY TO SALLY nicht sonderlich, aber neben Euch und…

(unterbricht): Das sagen die Leute immer. Ich kenne die gar nicht weiter. Klar, man trifft sich hier und da auf Festivals, gibt sich die Hand und wechselt ein paar Worte. Zwei Minuten Smalltalk, wie das halt so läuft. Aber das war’s dann auch schon. Der Unterschied zwischen den beiden Bands ist einfach eine Million zu hundertausend verkauften Platten – fertig. Davon abgesehen gibt es SUBWAY TO SALLY inzwischen auch schon 15 Jahre, und vor so was hat man natürlich Respekt.

Okay. Was ich eigentlich fragen wollte: Neben Euch, SUBWAY TO SALLY und SCHANDMAUL gibt es da draußen jede Menge junge hungrige Mittelalterrock-Kapellen, aber irgendwie ist niemand in Sicht, der in die von Euch angeführte Oberliga vorstoßen könnte

Dazu kann ich nichts sagen. Ich höre privat keine Mittelaltermusik und auch keinen Mittelalter-Rock, obwohl mein Musikgeschmack echt breit gefächert ist.

 

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Als ich IN EXTREMO 1997 zum ersten Mal gesehen habe, hattet Ihr einen Galgen auf der Bühne. Seither gab es jedes Mal neue Gimmicks, Einlagen optische Effekte. Wie wichtig ist Euch eine fette Bühnenshow?

Feuer und Show gehören bei IN EXTREMO einfach dazu. Ich erinnere mich daran, dass wir schon 1993 mit den ersten Mittelalter-Bands, in denen ich war, Feuer gespuckt haben und dass die Veranstalter damals sauer waren und geschimpft haben (lacht). Zu IN EXTREMO gehört das wie der Dudelsack. Wir sind eine unterhaltende Showband – das ist Fakt.

Euer Bassist lebt in Thailand. Wie darf man sich vorstellen, da zusammen in einer Band zu spielen?

Das letzte Einhorn: Kay ist inzwischen wieder zurück, nachdem er ewig in Asien gelebt hat. Aber auch so sind wir über ganz Europa verstreut. Dr. Pymonte lebt auf Rügen, ich vier bis fünf Monate im Jahr in Kroatien undsoweiter. Aber Entfernungen sind ja heute keine Entfernungen mehr. Man fährt dahin, man fährt dorthin. Wo immer man sich für eine Probewoche trifft – wir sind alle am Start! Mit dem Flieger bin ich heute in eineinhalb Stunden von dem kleinen Dorf bei Köln, in dem ich lebe, in meiner zweiten Heimat Kroatien. Das sind genau drei Stunden von Wohnungstür zu Wohnungstür, mit Ein- und Auschecken. Schon ein Wahnsinn. Die selbe Zeit kann ich ganz leicht im Stau zwischen Köln und Düsseldorf stecken.

Wo fühlst du dich zu Hause?

Ich bin 360 Tage im Jahr unterwegs. Meine Heimat ist dort, wo meine Familie und meine Freunde sind. Länder und Grenzen spielen dabei keine Rolle. Wobei ich trotzdem dankbar bin für meinen deutschen Pass. Der hat mir im Ausland schon so manches Mal den Arsch gerettet, wenn ich bei irgendeiner Feierlichkeit unter die Räder gekommen bin. Du weißt ja, wie das ist.

Äh… ja klar. Wenn Ihr in der Band über ganz Europa zerstreut lebt, wie haltet ihr dann Kontakt?

Schon über E-Mails. Wobei ich der persönliche Typ bin und mir manchmal die Ohren wund telefoniere. Ansonsten treffen wir uns regelmäßig, und jeder in der Band hat seine Aufgabe. Wir sind sehr demokratisch organisiert, alles läuft sehr freundschaftlich. Zentraler Platz ist bei uns aber nach wie vor Berlin, dort haben wir unseren Übungsraum und unser Equipment.

Vor zehn Jahren verließ Thomas der Münzer die Band, weil er unter schweren Depressionen litt. Inzwischen ist das ja ein Thema, das offen angegangen wird. Wie geht es ihm?

Gut. Er arbeitet wieder als Lehrer und macht auch wieder Musik, singt und spielt Gitarre in einer Coverband. Er hat hart an sich und seiner Krankheit gearbeitet, seine Familie gibt ihm Halt. Wir haben wenig Kontakt, aber wenn wir uns sehen oder sprechen, dann ist das sehr intensiv. Er gehört zur Familie, war mal ein Mitglied von IN EXTREMO und wird es immer bleiben.

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