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Jetzt gehts uns an den Kragen! – Ein Kommentar

Jetzt gehts uns an den Kragen – der bayrische Ministerpräsident Stoiber fordert härtere Strafen für Gotteslästerung.

Es war nur eine relativ kurze Newsmeldung bei Spiegel-Online, die mir diese Woche einen Schauer über den Rücken laufen ließ und mich dazu veranlasste, wieder einmal zur Tastatur zu greifen, um ein paar Gedanken niederzuschreiben:

Stoiber fordert härtere Strafen gegen Gotteslästerung.

Leute, das könnte ein Problem werden. Überlegt mal, was das für unsere Szene bedeuten könnte. Vorbei die Zeiten kreativer Shirt-Blasphemien, vorbei die Freude am schwarzen Frevel-Humor. Schwarzmaler könnten ein Zensurszenario an die Wand malen, wie wir es uns bislang nicht vorzustellen wagten. Denn ließ man uns in den letzten Jahren friedlich unserem gotteslästerlichen Treiben nachgehen, könnte aus dieser Verschärfung des Gesetzes ganz schnell ein Rundumschlag werden, dem sicher ein nicht unbeträchtlicher Teil der Metal-Szene zum Opfer fallen würde. Plötzlich wäre es vielleicht ein Problem, mit einem Jesus is a Cunt-Shirt durch die Gegend zu laufen. Ganz schnell müssten sich Plattenlabels und Mailorder Gedanken darüber machen, ob sie von der Veröffentlichung und dem Vertrieb gewisser Death- oder Black-Metal-Scheiben nicht lieber doch die Finger lassen.

Nun finde ich es grundsätzlich gar nicht dumm, wenn man sich auch mal wieder etwas mehr Gedanken darüber machen muss, wie plump oder eben nicht plump man seine Kritik an den etablierten Religionsgemeinschaften und dadurch vielleicht auch an unserer Gesellschaft formuliert. Der Gedanke, dass mir diese Entscheidung aber vorweggenommen wird, löst in mir allerdings ein gewisses Unbehagen aus.

Dreh- und Angelpunkt der Diskussion ist der § 166 StGB, der derzeit folgenden Wortlaut umfasst:

§ 166 Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Die Schlüsselformulierung, und das wissen wir spätestens seit dem Urteil zum WIZO-Schwein*, ist hierbei die Geeignetheit zur Störung des öffentlichen Friedens. Und genau das ist auch der Ansatzpunkt Stoibers. Dabei beruft sich der bayrische Ministerpräsident auf die Mohammed-Karikaturen-Krise, die veranschauliche, wie weit die Verunglimpfung religiöser Anschauungen führen kann. Keiner wird daran vorbei kommen ihm zuzustimmen, dass wir hier auf ein echtes Problem gestoßen sind und die Grenzen erkundeten, wie weit die Presse- und Meinungsfreiheit gehen kann und darf. Doch der eigentliche Konflikt spielte sich doch noch auf einer ganz anderen Ebene ab. Zumindest habe ich die Diskussionen vielmehr als Ausguss dessen empfunden, dass sich unsere freiheitlich orientierte Gesellschaftsstruktur nur sehr schwer mit denen eines religiösen Fundamentalismus in Einklang bringen lässt. Dass wir diesem Konflikt tagtäglich in unserer eigenen Umgebung ausgesetzt sind und die sich daraus ergebende Widersprüchlichkeiten gerne ignorieren, ging angesichts der spektakulären oder spektakulär dargestellten Ereignisse islamischer Fundamentalisten weitestgehend unter, doch mit Stoibers Anliegen tritt sie doch wieder deutlich in den Vordergrund.

Und urplötzlich müssen wir uns vielleicht wieder mit Problemen auseinandersetzen, die wir vor kurzem noch für undenkbar gehalten hätten. Denn auf einmal stehen die textlichen Ergüsse unserer Helden wieder unter scharfer Beobachtung, und plötzlich gibt es eine ganz neue Handhabe, deren Schaffen zu beschneiden – vielleicht sogar in einem viel schärferen Maße, als das durch weltliche Zensurmaßnahmen möglich wäre.

Nun könnte man – vielleicht sogar in manchen Fälle sehr berechtigt – die Frage stellen, wie arm denn eigentlich eine Szene sein muss, wenn sie sich zumindest zu einem beachtlichen Teil durch die Diffamierung religiöser Weltanschauung definiert. Doch genauso einfach wie es sich manche Teile unserer Szene mit Provokation machen, wäre es, die wortwörtliche Blasphemie auf eben diese zu limitieren. Denn ist nicht deshalb der gefallene Engel unser bester Freund, weil er eben in seiner Symbolhaftigkeit nicht besser die Rebellion gegen festgeschriebene Werte- und Moralvorstellungen verkörpern könnte? Und ist seine Konsultation nicht gerade deshalb so effektiv, weil es gerade in unserer westlich orientierten Gesellschaft so sehr eine Anti-Haltung darstellt?

Ein schwieriges Thema, definitiv, das auch in einem kurzen Kommentar wie diesem nur an der Oberfläche angerissen werden kann. Und vielleicht ist dieser kleinen Nachrichtenmeldung hier auch zu viel Aufmerksamkeit beigemessen, gehen daraus doch überhaupt keine Fakten hervor, wie der §166 StGB in Zukunft gestaltet sein könnte und wie die Öffentlichkeit und die Gerichte mit einer Änderung umgehen würden. Letztendlich reden wir ja auch noch über ungelegte Eier. Einem unguten Gefühl kann ich mich aber nicht erwehren, wenn ich über eine derartige Meldung stoße und dabei auch noch ein Bild Stoibers sehe, wie er in bayrischer Tracht inklusive Seppel-Hut vor einem hölzernen Kreuz salutiert. Gerade dieses Foto ist es, das in mir, als freiheitlich denkender, unreligiöser Mensch ein ganz mulmiges Gefühl auslöst. Diese groteske Absonderlichkeit, die diese Geste darstellt, diese unterschwellige Bedrohlichkeit – wo ist denn eigentlich die schützende Instanz innerhalb der christlichen Glaubengemeinschaft, die die Frage stellt, ob so etwas gottgewollt ist? Angesichts meiner einfältig-kindlichen Vorstellung eines lieben, gütigen Gottes im Himmel lautet meine Antwort: nein, DAS definitiv nicht.

*Verschiedene Seiten im Internet, in denen das Urteil aufgeführt ist, findet ihr u.a. in der Google-Suche mit den Suchbegriffen OLG Nürnberg Ws 1603

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